Rechtsschutzversicherung: Abgasskandal und Gebrauchtwagen

Rechtsschutzversicherung: Abgasskandal und Gebrauchtwagen

Verstoßzeitpunkt und somit Versicherungsfall ist der Kauf des gebrauchten und vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuges. Der Risikoausschluss der Forderungsabtretung liegt nur dann vor, wenn die Abtretung nach Eintritt des Versicherungsfalles, als hier nach dem Kauf erfolgt ist.

Der Kläger kaufte 2016 einen Gebrauchtwagen, welcher unstrittig vom Abgasskandal betroffen war. Erstzugelassen war das Fahrzeug 2013. Der Kläger war der fünfte Besitzer des Fahrzeuges.

Der Kläger begehrt für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Händler und gegen den Hersteller Rechtsschutzdeckung. Der beklagte Rechtsschutzversicherer gewährte Deckung für das Verfahren gegen den Händler, lehnte aber die Deckung für das Verfahren gegen den Hersteller mit der Begründung ab, dass es sich um abgetretene Ansprüche nach Punkt 7.2.4. der ARB 2014 handle, da die Ansprüche dem Erstbesitzer zustünden und bei jedem weiteren Verkauf an den Käufer abgetreten werden.

Relevante Bestimmungen der ARB

Artikel 7 Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?

2. Vom Versicherungsschutz sind ferner ausgeschlossen

2.4 die Geltendmachung von Forderungen, die an den Versicherungsnehmer abgetreten wurden, und die Abwehr von Haftungen aus Verbindlichkeiten anderer Personen, die der Versicherungsnehmer übernommen hat, wenn die Abtretung oder Haftungsübernahme erfolgte, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist oder nachdem vom Versicherungsnehmer, Gegner oder einem Dritten eine den Versicherungsfall auslösende Rechtshandlung oder Willenserklärung vorgenommen wurde;

OGH-Entscheidung

Der OGH hat bereits wiederholt zur Deckungspflicht in der Rechtsschutzversicherung für Klagen gegen Autohersteller wegen Abgasmanipulationssoftware in Dieselfahrzeugen Stellung genommen (7 Ob 32/18h; 7 Ob 206/19y). Es handelt sich dabei um Deckung für die Geltendmachung reiner Vermögensschäden (Art 2.3. ARB 2014).

Der Zeitpunkt, in dem die Produzentin begonnen hat, in ihre Motoren Abgaswerte verfälschende Software einzubauen, hat keine Auswirkungen auf die Rechtsposition des Autokäufers. Ein zeitlich lange vorangehender Gesetzes- oder Pflichtenverstoß, mag er auch die spätere Rechtsverfolgung des Versicherungsnehmers adäquat-kausal begründet haben, kann den Versicherungsfall erst auslösen und damit den Zeitpunkt des Verstoßes in Bezug auf den konkreten Versicherungsnehmer in der Rechtsschutzversicherung festlegen, wenn dieser erstmals davon betroffen, dh in seinen Rechten beeinträchtigt wird oder worden sein soll. Dies ist im Falle des serienmäßigen Einbaus eines nicht rechtskonformen Bauteils in eine Sache der Zeitpunkt des Kaufs der mangelhaften Sache durch den Versicherungsnehmer. Erst damit beginnt sich auch die vom Rechtsschutzversicherer in Bezug auf den Versicherungsnehmer konkret übernommene Gefahr zu verwirklichen.

Der Kläger hat während des versicherten Zeitraums einen gebrauchten Diesel-PKW erworben. Der Versicherungsfall iSd Art 2 ARB 2014 trat damit während des Deckungszeitraums ein.

Der Ausschluss nach Art 7.2.4 ARB 2014 stellt nach seinem klaren Wortlaut auf eine Abtretung an (oder eine Haftungsübernahme durch) den Versicherungsnehmer ab, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist oder nachdem vom Versicherungsnehmer, Gegner oder einem Dritten eine den Versicherungsfall auslösende Rechtshandlung oder Willenserklärung vorgenommen wurde.

Art 7.2.4 ARB 2014 stellt als wesentlichen Beurteilungszeitpunkt nicht auf ein früheres oder erstmaliges Entstehen von Ansprüchen aufgrund eines früheren Pflichtenverstoßes gegenüber einem früheren Erwerber, sondern unmissverständlich auf den Eintritt des Versicherungsfalls ab. Dies ist hier aber der Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger. Die für den Deckungsausschluss erforderliche zeitliche Voraussetzung einer Abtretung nach Eintritt des Versicherungsfalls (bzw der diesen auslösenden Rechtshandlung oder Willenserklärung), hier somit nach Erwerb des Fahrzeugs, ist daher nicht erfüllt (und wird von der Beklagten auch gar nicht behauptet). Das Berufungsgericht hat interessanterweise überhaupt eine Abtretung verneint.

Anmerkung

Bereits mehrfach hat sich der OGH mit der Deckungspflicht in der Rechtsschutzversicherung für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Autohersteller wegen Abgasmanipulationssoftware in Dieselfahrzeugen auseinander gesetzt. Wie bereits zu OGH 7 Ob 32/18h und 7 Ob 206/19y hat der OGH auch in der aktuellen Entscheidung 7 Ob 133/21s zunächst betont, dass es sich bei derartigen Ansprüchen um die Geltendmachung reiner Vermögensschäden handelt. Demnach folgt die Festlegung des Versicherungsfalls der Verstoßtheorie nach Art. 2.3. ARB, wonach als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des VN, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften gilt und der Versicherungsfall in dem Zeitpunkt als eingetreten gilt, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen.

Wie in den Vorentscheidungen auch geht der OGH – wohl zu Recht – davon aus, dass der Zeitpunkt, in dem der Autohersteller begonnen hat, die Motoren mit Abgasmanipulationssoftware zu versehen, (noch) nicht den Versicherungsfall, also den Verstoß i.S.d. Art. 2.3. ARB darstellt, da damit noch keine Auswirkung auf die Rechtsposition des Autokäufers einhergeht. Relevant für die Festlegung des Versicherungsfalls im Regime der Verstoßtheorie ist der Zeitpunkt des (zumindest behaupteten) Verstoßes, in dem der VN in seinen Rechten beeinträchtigt wird. Im Fall des Einbaus eines nicht rechtskonformen Bauteils in ein Kfz ist das „erst“ der Zeitpunkt des Kaufs der mit Abgasmanipulationssoftware versehenen und somit mangelhaften Sache.

Vgl. versdb 2022, 28 – versdb.com

Vgl. auch 7 Ob 129/22d

Zu einem gleichgelagerten Sachverhalt zum Thema „mangelnde Erfolgsaussichten“ siehe auch 7 Ob 61/22d und 7 Ob 65/22t.

Zu einem gleichgelagerten Sachverhalt zu den Themen „mangelnde Erfolgsaussichten“ und „Ausschluss Abtretung“ siehe auch 7 Ob 95/21b. In dieser Entscheidung wird im Zusammenhang mit Dieselgate-Fällen auch der Risikoausschluss „Kartell- oder sonstiges Wettbewerbsrecht“ behandelt.

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