Obliegenheitsverletzung: Verspätete Schadenmeldung
Die verspätete Schadenmeldung an die Rechtschutzversicherung stellt eine Obliegenheitsverletzung dar, welche nur durch Beweis des Vorliegens leichter Fahrlässigkeit entschuldigt werden kann. Gelingt dieser Beweis nicht, besteht kein Deckungsanspruch.
Relevante Bestimmungen der ARB
Artikel 3
Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung? (Zeitlicher Geltungsbereich) […]
- Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags für das betreffende Risiko geltend gemacht, besteht kein Versicherungsschutz. Dieser Ausschluss gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer vor Ablauf der zwei Jahre keinen Hinweis auf den Eintritt des Versicherungsfalls hatte und er den Deckungsanspruch unverzüglich nach Kenntnis des Versicherungsfalls beim Versicherer geltend gemacht hat. […]
Artikel 8
Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer zur Sicherung seines Deckungsanspruches zu beachten (Obliegenheiten)
- Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet,
1.1. den Versicherer unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären und ihm alle erforderlichen Unterlagen auf Verlangen vorzulegen. […]
- Für den Fall, dass der Versicherungsnehmer eine dieser allgemeinen Obliegenheiten verletzt, wird Leistungsfreiheit vereinbart. […] .“
Sachverhalt
Der Kläger hatte im August 2018 einen gebrauchten Diesel-Pkw gekauft. Im Februar 2021 erfuhr er erstmals vom „Abgasskandal, übermittelte dessen Klagevertreter seine Unterlagen und teilte diesem die Z* Versicherung als seinen Rechtsschutzversicherer mit. Dies stellte sich als falsch heraus. Als am 16.3.2021 dem richtigen Rechtsschutzversicherer die Deckungsanfrage übermittelt wurde, lehnte dieser die Deckung mit der Begründung ab, dass die Schadenmeldung nicht unverzüglich erfolgt sei.
Der Kläger argumentierte, dass diesem nur leichte Fahrlässigkeit zuzurechnen sei.
OGH-Entscheidung
Der OGH wies die Revision des Klägers zurück. Der Kläger hat die Obliegenheit verletzt, den Schaden unverzüglich bei der Beklagten zu melden. Die verspätete Meldung sei nicht durch leichte Fahrlässigkeit zu entschuldigen.
Die Obliegenheit zur unverzüglichen Schadenmeldung dient dem Zweck, den Versicherer vor vermeidbaren Belastungen und ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen. Lediglich die leicht fahrlässige Obliegenheitsverletzung bleibt ohne Sanktion. Gelingt dem Versicherungsnehmer der Beweis der leichten Fahrlässigkeit nicht, so steht ihm nach § 6 Abs 3 VersVG auch bei „schlicht“ vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung der Kausalitätsgegenbeweis offen. Unter Kausalitätsgegenbeweis ist der Nachweis zu verstehen, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls, noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat.
Bei Rechtsschutzversicherungen gilt diese Obliegenheit nur eingeschränkt. Der Versicherungsnehmer muss den Versicherer nur informieren, wenn er aufgrund des Versicherungsfalls Rechtsschutz „begehrt“. Im vorliegenden Fall hätte der Kläger den Schaden spätestens am 16.2.2021 melden müssen, als sein Rechtsanwalt die Deckungsanfrage bei der falschen Versicherung gestellt hat. Die verspätete Meldung von rund einem Monat ist nicht durch leichte Fahrlässigkeit zu entschuldigen.
Im Übrigen hat der Kläger auch keinen Kausalitätsgegenbeweis geführt und nicht ausgeführt, dass die verspätete Meldung keinen Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten hatte.
Anmerkungen
Der OGH ist hier sehr streng. Es sollte daher im Falle eines Wechsels des Rechtsschutzversicherers lieber sicherheitshalber gleichzeitig der Versicherungsfall allen möglichen Rechtsschutzversicherern gemeldet werden, als auf die Ablehnung des einen Versicherers zu warten. Es droht sonst die Haftung der RechtsanwältInnen und/oder VersicherungsmaklerInnen.
Blog-Beitrag gemeinsam mit Franz-Georg Oberlercher erstellt.