Abwehr und Rückforderung unberechtigter Kosten
Hat der VN keine Kosten an den Rechtsvertreter beglichen und der Rechtssschutzversicherer Abwehrdeckung gewährt, besteht kein Zahlungsanspruch gegen den Versicherer. Ein Rückzahlungsanspruch wegen Fehlverhaltens des Vertreters besteht nach Deckung und Zahlung nicht gegen den VN, sondern nur gegen den Vertreter (§ 67 VersVG).
Sachverhalt
Der Klagevertreter ersuchte die Beklagte um Deckung für ein arbeitsgerichtliches Verfahren der Klägerin. Die Beklagte gewährte Deckung. Die Klägerin verlor das erstinstanzliche Verfahren unter anderem deshalb, da die Klage laut Erstgericht trotz Erörterung durch das Gericht unschlüssig geblieben sei. Die Beklagte zahlte die Kosten erster Instanz.
Der Klagevertreter ersuchte die Beklagte daraufhin um Deckung für das Berufungsverfahren, welches diese ebenfalls gewährte und zahlte die Kosten für die Berufung. Das Berufungsgericht gab der Berufung keine Folge und bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, die Klage sei unschlüssig geblieben und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Die Beklagte gewährte Kostendeckung für die außerordentliche Revision mit folgendem Hinweis: „Sollte die Entscheidung des Berufungsgerichts rechtskräftig werden, weil die Klage unschlüssig und die Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit nicht zulässig war, so sind die gesamten Kosten des Verfahrens nicht [vom Versicherer] zu tragen.“ und ergänzte in einem weiteren Schreiben: „Im Urteil des OLG Wien (Seite 7) wurde festgehalten, dass das Erstgericht ‚den Klagevertreter sogar darauf hingewiesen hat, was er konkret vorzubringen habe. Dies hat der Klagevertreter unterlassen‘. Ausgehend davon besteht kein Kostenanspruch gegenüber dem Mandanten. Ob der Oberste Gerichtshof die außerordentliche Revision zulässt und ihr Folge gibt, bleibt abzuwarten. Wir stellen ausdrücklich klar, dass für unseren Versicherungsnehmer Kostendeckung uneingeschränkt im Rahmen der Versicherungsbedingungen besteht. Für den Fall, dass Sie vor der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs einen Kostenanspruch gegenüber unserem Versicherungsnehmer als Ihrem Mandanten gerichtlich geltend machen sollten, wird unserem Versicherungsnehmer bereits jetzt Kostendeckung für dieses Verfahren bestätigt. Der Versicherer erfüllt seine vertragliche Leistungspflicht auch dann, wenn er den Versicherungsnehmer gegen einen Honoraranspruch seines Rechtsanwalts verteidigt und die Kosten eines Honorarstreits übernimmt.“
Mit Beschluss zu 9 ObA 67/20y wies der OGH die außerordentliche Revision der Klägerin ohne Begründung zurück. Die Klägerin bezahlte das Honorar für die außerordentliche Revision bislang nicht an den Klagsvertreter.
Die Klägerin begehrt Zahlung der Kosten des Klagsvertreters für die Revision sowie die Feststellung, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Bezahlung der bereits bezahlten Kosten für die ersten beiden Instanzen aus dem Versicherungsfall habe.
OGH-Entscheidung zu den Kosten der Revision
Beim aus der Rechtsschutzversicherung resultierenden Anspruch handelt es sich (zunächst) um einen Befreiungsanspruch, somit nicht (primär) um einen Geldanspruch (RS0129063). Wenn der Versicherungsnehmer seinen Kostengläubiger bereits selbst befriedigt hat, verwandelt sich sein Befreiungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer (RS0129063 [T1]).
Das Berufungsgericht führte zutreffend aus, dass der Zahlungsanspruch der Klägerin nicht zu Recht besteht, weil die Klägerin bislang keine Zahlung an den Klagsvertreter geleistet und ihr die Beklagte Abwehrdeckung für einen allfälligen Honorarprozess des Klagsvertreters gewährt hat (vgl. 7 Ob 143/20k).
OGH-Entscheidung zum Feststellungsbegehren
Die Vorinstanzen haben dem Feststellungsbegehren zu Recht stattgegeben.
Die Beklagte hat der Klägerin sowohl hinsichtlich der Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens erster Instanz, als auch der Kosten des Berufungsverfahrens eine zwar für den jeweiligen Verfahrensabschnitt begrenzte, jedoch im Übrigen unbedingte Deckungszusage im Sinn des Art 9 ARB 2018 bzw § 158n Abs 1 VersVG erteilt. Die beklagte Partei hat daher ihre Deckungspflicht für die beiden genannten Verfahrensabschnitte im Sinn eines deklarativen Anerkenntnisses bestätigt.
Die Beklagte hat durch die Bezahlung von ihrem Wahlrecht dahingehend Gebrauch gemacht, dass sie die Klägerin von der Forderung ihres Vertreters durch Zahlung des von diesem verrechneten Honorars freigestellt habe. Der Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der vom Versicherer allenfalls wegen Fehlvertretung zu Unrecht bezahlten Honorare des Klagevertreters ist gemäß § 67 VersVG mit Ausübung des Wahlrechts der Beklagten ex lege auf diese übergegangen. Aus Art 11 ARB 2018 ergibt sich, dass die Streitteile für den Fall des Bestehens eines Rückforderungsanspruchs gegen den mit der Vertretung beauftragten Anwalt eine Regelung getroffen haben, die eine Rückforderung vom Versicherungsnehmer ausschließe. Ein Anspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin auf Zahlung der an den Klagsvertreter überwiesenen Honorare besteht daher nicht.
Ein allfälliger Rückforderungsanspruch gemäß § 1431 ABGB muss hier nicht behandelt werden, da die Beklagte dazu in erster Instanz kein Tatsachenvorbringen erstattet hat.
Vgl. auch versdb 2022, 48 – versdb.com