25%-Geschäftsanteilserwerb: Private Vermögensveranlagung oder sonstige Erwerbstätigkeit?
Die 25%ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft führt zwar regelmäßig zu konkreten Gesellschafterrechten (etwa Vermögens-, Mitwirkungs-, Informations-, Bezugsrechte), ist jedoch nicht als unternehmerische Tätigkeit zu qualifizieren und damit im Privatbereich versichert.
Sachverhalt
Der Kläger schloss mit einem Österreicher einen Kauf- und Abtretungsvertrag über 25% der Anteile an einer in der Freihandelszone Ajman Free Zone, Vereinigte Arabische Emirate, gegründeten Gesellschaft (FZC – vergleichbar mit einer GmbH), ab und überwies dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis iHv EUR 130.000,–. Mit Klage in Österreich begehrte der Kläger vom Verkäufer die Rückzahlung des Kaufpreises und stützte sein Begehren auf Gewährleistung, Schadenersatz, Irrtum und List, weil der Verkäufer seine Verpflichtungen aus dem Kauf- und Abtretungsvertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt habe.
Der Kläger informierte sich über die mit der Beteiligung einhergehenden Rechte und Pflichten, indem er in die Satzung Einsicht nahm und sich diese in die deutsche Sprache übersetzen ließ. Er ging davon aus, dass 25 % allfällig erwirtschafteter Gewinne an ihn ausgeschüttet würden. Der Kläger sah den Kauf von 25 % der Anteile an der FZC als private Vermögensveranlagung an. Er beabsichtigte zwar nicht, in die Freihandelszone Ajman zu fahren, um sich dort aktiv in das Unternehmen einzubringen, hätte aber an Gesellschafterabstimmungen im Umlaufwege bzw. per Videokonferenz oder E-Mail teilgenommen. Er ging auch davon aus, dass er berechtigt gewesen wäre, Fragen zur operativen Geschäftstätigkeit zu stellen.
Der Kläger begehrte für dieses Verfahren Deckung von seiner Rechtsschutzversicherung. Diese lehnte die Deckung ab, da der Kläger nur einen privaten Rechtsschutzversicherungsvertrag habe und es sich gegenständlich bei dem Erwerb eines Geschäftsanteiles von 25% an einer einer GmbH ähnlichen Gesellschaft um eine sonstige Erwerbstätigkeit handelt.
Relevante Bestimmungen der ARB
Artikel 24 Allgemeiner Vertrags-Rechtsschutz
Versicherungsschutz haben
1.1. im Privatbereich
der Versicherungsnehmer und seine Angehörigen (Art. 5.2.) für Versicherungsfälle, die den privaten Lebensbereich, also nicht den Berufs- oder Betriebsbereich oder eine sonstige Erwerbstätigkeit, betreffen;
Erstinstanzliche Entscheidung (BGHS Wien)
Die Interessenwahrnehmung sei schon deshalb nicht dem versicherten Privatbereich zuzuordnen, weil es sich um eine „sonstige Erwerbstätigkeit“ im Sinne der Versicherungsbedingungen handle. Ausgehend davon, dass der Kläger erwartete, dass ihm gewisse Mitwirkungsrechte zukommen würden, und der Kläger durch den Erwerb von 25% der Anteile an der Austroconsult FZC mittelbar also auch zu 25% an der österreichischen Austroconsult GmbH beteiligt gewesen wäre, kommen dem Kläger nicht nur eine passive Rolle des Kapitalgebers, sondern damit einhergehende Einflussrechte zu. Die Investition in die FCZ überschreite daher nach der Verkehrsauffassung den privaten Lebensbereich und sei als „sonstige Erwerbstätigkeit“ nicht versichert.
Berufungsentscheidung (HG Wien)
Streitigkeiten aus privater Vermögensveranlagung sind grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzuordnen. Die Grenze zur betrieblichen Tätigkeit oder sonstigen Erwerbstätigkeit wird dann überschritten, wenn dabei unternehmerischer Einsatz entfaltet wird oder in größerem Umfang und mit Wiederholungsabsicht Spekulationsgeschäfte getätigt werden. Die Höhe des veranlagten Vermögens allein spielt dabei nicht die ausschlaggebende Rolle (Kronsteiner, Die Rechtsschutzversicherung2 [2021] 73; zur insoweit vergleichbaren deutschen Bedingungslage: Böhme, Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung [ARB]12 § 25 [1] Rn 5b; Stahl in Harbauer Rechtsschutzversicherung8 [2010] § 23 ARB 2000 Rn 37; Armbrüster in Prölls/Martin, VVG28, § 23 ARB 2008 Rn 12 f; Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch² § 37 Rn 136 f; RIS-Justiz RS0130145). Auch die steuerrechtliche Einordnung ist nicht relevant (Armbrüster aaO § 23 ARB 2008 Rn 3).
In der Entscheidung 7 Ob 210/14d ordnete der Oberste Gerichtshof Kommanditbeteiligungen an einer Publikums-KG, bei der die Kläger als Treugeber ausschließlich als einmaliger Geldgeber fungierten, welchen keine Einflussnahme auf die Gesellschaft zukam, dem privaten Lebensbereich der Kläger zu.
Der OGH verwies in 7 Ob 190/12k darauf, dass zur Frage, ob eine bestimmte Interessenwahrnehmung dem versicherten privaten oder dem nicht versicherten selbständigen Bereich zuzuordnen ist, auf Grund der vergleichbaren Problemstellung die im Zusammenhang mit den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2000/2009) von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze herangezogen werden könnten. Danach gehört die Interessenwahrnehmung nicht mehr zur privaten Sphäre des Versicherungsnehmers, wenn ein innerer sachlicher Zusammenhang von nicht ungeordneter Bedeutung zwischen der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen und der unternehmerischen Tätigkeit besteht. Ein bloß zufälliger Zusammenhang reicht nicht aus, die Interessenwahrnehmung darf durch die selbständige Tätigkeit nicht lediglich verursacht oder motiviert sein. Die Interessenwahrnehmung ist auch dann nicht mehr dem privaten Bereich zuordenbar, wenn ein nur mittelbarer Zusammenhang mit einer selbständigen Tätigkeit besteht (Mathy, Aktuelle Fragen zum Versicherungsvertragsrechtsschutz in der Rechtsschutzversicherung, VersR 2005, 878; Wendt, Vertiefung der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtsschutzversicherung, r+s 2008, 221 ff, Stahl, in Harbauer Rechtsschutzversicherung § 23 ARB 2000 Rz 25, BGH VersR 1992, 1510; VersR 1995, 166). Die Wahrnehmung der Interessen gehört dann zum privaten Bereich, wenn sie nicht selbst geschäftlichen Charakter hat, also der Versicherungsnehmer damit nicht eigene geschäftliche Interessen verfolgt (7 Ob 46/04x).
Zum Erwerb von Anteilen einer Kapitalgesellschaft nimmt Stahl aaO Rz 40 ff dahin Stellung, dass der Erwerb von Anteilen einer Kapitalgesellschaft ohne beherrschenden Einfluss, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten, dem Privatbereich zuzuordnen ist. Das ist laut Berufungsgericht hier der Fall. Die 25%ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft führt zwar regelmäßig zu konkreten Gesellschafterrechten (etwa Vermögens-, Mitwirkungs-, Informations-, Bezugsrechte), ist jedoch nicht als unternehmerische Tätigkeit zu qualifizieren und damit im Privatbereich versichert. Das Beweisverfahren ergab keine Hinweise auf einen maßgeblichen Einfluss des Klägers auf die Geschäftsführung der FZC.
Anmerkung
Es ist schade, dass der Kläger die Deckungsklage nur mit EUR 5.000 bemessen hat (eine Streitwertbemängelung wollte der Rechtsschutzversicherer nicht). Ein weiterer Instanzenzug war daher unzulässig. Ich gehe aber davon aus, dass ein gleichgelagerter Fall vom OGH auch anders hätte beurteilt werden können. Wir haben als Vertreter des beklagten Rechtsschutzversichers folgenden Standpunkt vertreten:
Das Rechtsschutzkostenrisiko im Zusammenhang mit einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist im Durchschnitt höher und wesentlich differenzierter als das aus einer unselbständigen Beschäftigung, weil es stark von der Art und Größe des Betriebes beeinflusst wird. Mit dem Versprechen des Versicherers, dem Versicherungsnehmer Rechtsschutz als Privatmann für Ereignisse, die im täglichen Leben, also nicht bei einer Tätigkeit im Betrieb, Gewerbe oder Beruf oder einer gefährlichen Beschäftigung eintreten, zu gewähren, schränkt der Versicherer das versicherte Risiko ein. Er stellt damit klar, dass er bei Eintritt bestimmter Gefahren leistungsfrei ist (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3 147 f). Das Risiko „aus sonstiger Erwerbstätigkeit“ wird als jede auf Dauer ausgerichtete, zur Erzielung eines Ertrages oder eines sonstigen wirtschaftlichen Vorteils entwickelte Tätigkeit, die nicht als Beruf (unselbständige Erwerbstätigkeit) und nicht in Form eines Betriebes ausgeübt wird, umschrieben (vgl 7 Ob 46/04x und 7 Ob 26/94).
Gegenständlich handelt es sich aber weder um eine Publikums-Gesellschaft, noch wäre der Geschäftsanteil von einem Treuhänder gehalten worden. Eine Free Zone Company (FZC) ist mit einer GmbH vergleichbar. Der Kläger hätte sämtliche Gesellschafterrechte mit unternehmerischem Einsatz ausüben können und auch entsprechenden Einfluss auf die Gesellschaft durch sein Stimmrecht gehabt. Mangels Mehrheitsbeteiligung konnte er zwar nicht direkt Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen. Er hätte jedoch Beschlüsse anfechten und als Minderheitsgesellschafter „ordentlich lästig sein“ können. Auch aus dem Unternehmensgegenstand der FZC war ersichtlich, dass es sich gegenständlich um keine Beteiligung handelt, welche typisch für eine private Vermögensveranlagung verwendet wird, wie zB bei den Holland-Schiffsfonds eine Kommanditbeteiligung.
Es wäre jedenfalls spannend gewesen, wie dies der OGH gesehen hätte.