Neue Rahmenvereinbarung für Berufshaftpflichtversicherung: Deckung in Gefahr?
Der Versicherungsschutz eines Bauträgers für das Gewährleistungsrisiko einer Subunternehmer-Insolvenz bleibt bei Einführung einer neuen Rahmenvereinbarung auch dann bestehen, wenn diese eine zeitliche Risikoeinschränkung enthält, da es sich um ein kontinuierliches Versicherungsverhältnis handelt, bei welchem das Risiko durchgehend versichert war.
Sachverhalt
Versicherungsvertrag
Die Klägerin, eine Bauträgerin, schloss im Jahr 2008 eine Berufshaftpflichtversicherung bei der Beklagten ab. Als Vertragsgrundlage diente die Rahmenvereinbarung „H950“ aus dem Jahr 2007, die in Punkt 9.2.3.4.6 auch das Gewährleistungs- und Garantierisiko im Falle der Insolvenz eines beauftragten Subunternehmers abdeckte.
Im Oktober 2018 wurde für den Versicherungsvertrag der Klägerin mit der Beklagten die neue Rahmenvereinbarung „H970“ als Vertragsgrundlage vereinbart, wobei im Rahmen der Änderung die Option „Ausschluss Gewährleistungsrisiko“ nicht gewählt wurde.
Versicherungsfall
Die Klägerin beauftragte im Jahr 2010 einen Subunternehmer mit der Errichtung von Einfamilienhäusern, bei denen später Mängel auftraten, für die der Subunternehmer haftbar gemacht wurde. Nachdem der Subunternehmer seine Haftung bestritt und in der Mängelbehebung untätig blieb, befriedigte die Klägerin die Gewährleistungsansprüche. Im Jahr 2020 wurde ein Konkursverfahren über das Vermögen des Subunternehmers eröffnet. Aus diesem Grund begehrt die Klägerin knapp 900.000 Euro aus ihrer Berufshaftpflichtversicherung für die erfüllten Gewährleistungsansprüche.
Die Beklagte wendet ein, dass der behauptete Anspruch nach den zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls geltenden Bedingungen „H970“ zu beurteilen sei. Nach Punkt 20.7 besteht ein Anspruch nur dann, wenn sowohl die Beauftragung des Subunternehmers als auch der Eintritt des Versicherungsfalls während der Gültigkeit der aktuellen Deckungserweiterung (Deckung des Gewährleistungsrisikos) erfolgt sei. Die zuvor gültigen Bedingungen „H950“ seien nicht von Relevanz, weil zum Zeitpunkt deren Gültigkeit (bis 2018) der Versicherungsfall noch gar nicht eingetreten war.
Relevante Rahmenvereinbarungen
Rahmenvereinbarung H950
9.2.3.4.6 Gewährleistung
Das Gewährleistungs- und Garantierisiko des Versicherungsnehmers ist ausschließlich insoweit versichert, als der Versicherer das Ausfallrisiko bei einem Insolvenzverfahren des Professionisten oder Subunternehmers trägt, welcher vom Versicherungsnehmer als Subunternehmer beauftragt worden ist. Darüber hinaus stehen auch diesbezügliche Gewährleistungsfolgeschäden unter vollem Versicherungsschutz.
Rahmenvereinbarung H970
20.7 Gewährleistung – optionale Deckung
Ist die besondere Vereinbarung hinsichtlich der Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf das Gewährleistungsrisiko des Versicherungsnehmers getroffen, besteht Versicherungsschutz insoweit, als der Versicherer das Ausfallsrisiko bei einem Insolvenzverfahren eines vom Versicherungsnehmer beauftragten Auftragnehmers trägt.
Der Versicherungsnehmer erklärt sich bereit, den Mängelbehebungsanspruch gegen den Auftragnehmer an den Versicherer abzutreten. Abweichend von Art. 1 AHVB ist Versicherungsfall der Beschluss der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Beschluss auf Abweisung des Insolvenzverfahrens mangels Masse.
Abweichend von Art. 4 AHVB besteht Versicherungsschutz dann, wenn sowohl die Beauftragung des Auftragnehmers durch den Versicherungsnehmer als auch der Versicherungsfall während der Gültigkeit dieser Deckungserweiterung eingetreten und die Mängel innerhalb von 5 Jahren, nach der Bauabnahme aufgetreten sind.
OGH-Entscheidung
Die Unterinstanzen urteilten, dass der Anspruch der Klägerin gerechtfertigt sei, da seit 2008 ein kontinuierliches Versicherungsverhältnis bestand, das stets das Gewährleistungsrisiko abdeckte. Punkt 20.7 der Rahmenvereinbarung H950 sei so zu verstehen, dass sowohl die Beauftragung des Auftragnehmers als auch seine Insolvenz in den Zeitraum fallen müssen, in dem das Gewährleistungsrisiko aufrecht versichert gewesen sei, ob unter Anwendbarkeit der Rahmenvereinbarung H970 oder H950. Die Absicht, bereits bestehende Auftragsverhältnisse mit Professionisten durch die nachträgliche Vereinbarung der Anwendung der Rahmenvereinbarung H970 schlechthin vom Versicherungsschutz auszunehmen, könne den Parteien der Rahmenvereinbarung nicht unterstellt werden.
Der OGH erörterte zunächst, dass die dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegten Rahmenvereinbarungen mangels Möglichkeit der Beeinflussung und Veränderung durch die Klägerin als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu verstehen sind.
Weiters bestätigte der OGH die Vorinstanzen in der Annahme eines kontinuierlichen Versicherungsverhältnisses seit dem Jahr 2008, im Rahmen dessen auch das Gewährleistungsrisiko durchgehend versichert war.
In einem weiteren Schritt legte der OGH die Versicherungsbedingungen nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) aus, wobei er sich nach ständiger Rechtsprechung am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks der Bestimmung orientierte (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960).
Konkret nahm sich der OGH der Bedeutung der Wortfolge „während der Gültigkeit dieser Deckungserweiterung“ aus der Rahmenvereinbarung „H970“ an:
Abweichend von Art. 4 AHVB besteht Versicherungsschutz dann, wenn sowohl die Beauftragung des Auftragnehmers durch den Versicherungsnehmer als auch der Versicherungsfall „während der Gültigkeit dieser Deckungserweiterung“ eingetreten und die Mängel innerhalb von 5 Jahren, nach der Bauabnahme aufgetreten sind.
Die Auslegung ergab, dass die Rahmenvereinbarung H970 keine neue Deckungserweiterung definiert, sondern die Deckung des Gewährleistungsrisikos als möglichen Deckungsbaustein voraussetzt, wie aus der Einleitung ersichtlich wird („Ist die besondere Vereinbarung hinsichtlich der Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf das Gewährleistungsrisiko des Versicherungsnehmers getroffen […]“). Dieses Risiko war bereits im Versicherungsvertrag der Klägerin von 2008 abgedeckt, basierend auf der früheren Rahmenvereinbarung „H950“. Im Änderungsantrag aus 2018 wurde das Feld „Ausschluss Gewährleistungsrisiko“ nicht angekreuzt, wodurch die bestehende Deckungserweiterung gültig blieb.
Im Ergebnis urteilte der OGH, dass sich Punkt 20.7 der Rahmenvereinbarung „H970“ auf die bereits bestehende Deckungserweiterung und nicht auf eine neue Regelung bezieht. Folglich waren alle Bedingungen für den Versicherungsschutz der Klägerin erfüllt und die Revision der Beklagten wurde abgewiesen.
Blogbeitrag von Leon Eggenfellner.