Nachbesserungs-, Begleit- und Mängelbeseitigungsnebenkosten

Nachbesserungs-, Begleit- und Mängelbeseitigungsnebenkosten

Unter „Nachbesserungs-, Begleit- und Mängelbeseitigungsnebenkosten“ sind Arbeiten zu verstehen, die zur Behebung von Schäden erforderlich wurden, die entstanden, um dorthin zu gelangen, wo Mängel am beauftragten Gewerk zu beheben bzw Nachbesserungsarbeiten daran durchzuführen waren, und nicht solche, die der Behebung des vom Versicherungsnehmer ausgeführten mangelhaften Gewerks selbst dienten, also die erstmalige Herstellung eines mangelfreien Zustands im Sinne des Werkvertrags bewirken sollen.

Sachverhalt

Die Klägerin beauftragte die B* Bau GmbH („Bau GmbH“ oder „Versicherungsnehmerin“) mit der Herstellung eines Sichtbetonestrichbelags bei einem Bauvorhaben. Die Bau GmbH ließ die Arbeiten durch einen Subunternehmer ausführen. Dieser stellte den Sichtbetonestrich im November 2019 mangelhaft her. Ab Anfang Jänner 2020 kam es zu einem Ablösen des Verbundbetons, zu Hohlstellen und schließlich zu Rissbildungen. Zudem wurden die Randabschlüsse ungenügend verarbeitet.

Die Klägerin bezahlte den Werklohn Anfang des Jahres 2020. Im August 2020 beauftragte und bezahlte die Klägerin einen Sachverständigen, ein Gutachten über Baumängel zu erstellen. Weiters bezahlte sie für eine von der S* GmbH erstellte Kostenermittlung (Leistungsbeschreibung) für den Abbruch und Neubau der Estrichkonstruktion. Tatsächlich führte die Klägerin die Sanierung so durch, dass sie Fliesen über den Sichtbeton kleben ließ. Zudem fielen der Klägerin Kosten für Aufräumarbeiten in allen drei Geschossen an.

Die Bau GmbH hatte mit der Beklagten eine Betriebshaftpflichtversicherung für das Bau- und Baunebengewerbe „Version Master 6.15 W“ abgeschlossen, der die HV2 – Allgemeine und Ergänzende Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2005 und EHVB 2005 in der Version 2012) zugrunde liegen.

Relevante Bestimmungen der AVB

8. Nachbesserungs-, Begleit- und Mängelbeseitigungsnebenkosten

b) Erweiterte Deckung:

Der Versicherungsschutz bezieht sich abweichend von Art. 7.1.3. auf Ansprüche aus Schäden die darauf zurückzuführen sind, dass zur Durchführbarkeit von Gewährleistungs- bzw. Nachbesserungsarbeiten Sachen bzw. Rechte des Auftraggebers oder sonstiger Personen beschädigt, beseitigt oder vorübergehend entfernt oder außer Kraft gesetzt werden müssen.

Dieser Versicherungsschutz bezieht sich somit beispielsweise auf Stilllegung von Betrieben, Aufschlagen von Wänden, Fliesen, Böden, sowie Aufgrabungsarbeiten, Stehzeiten von Kraftfahrzeugen, Abholen und Zustellen von Kraftfahrzeugen, Aus- und Einbaukosten und dergleichen. Der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf bloße Vermögensschäden, weiters auf die Wiederherstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn die Schäden oder Mängel nicht aufgetreten wären, insbesondere Oberflächenbehandlungen, Lackierungen, Verfüllungen, Vermauerungen, Verputzungen, auch Maler-, Tapezier- und Fliesenlegerarbeiten.

Wird anstelle dieser Maßnahmen eine wirtschaftlich vertretbare Ersatzmaßnahme, durch die die Schäden oder Mängel beseitigt werden können durchgeführt, so ersetzt der Versicherer die dadurch entstehenden Kosten bis zu dem Betrag, der für die oben angeführte Maßnahme aufzuwenden gewesen wäre.

Der Höhe nach handelt es sich bei den Entschädigungen im Sinne dieser Vereinbarung um solche, welche sich aufgrund des Schadenersatzrechtes ergeben.

Ausgeschlossen bleiben Kosten für die Gewährleistung am Gewerk, welches vom Versicherungsnehmer eigenhändig hergestellt wurde. Allerdings bezieht sich dieser Ausschluss nicht auf Arbeiten, die von Subunternehmern ausgeführt wurden.

Versicherungsfall ist abweichend von Art. 1.1 AHVB die Übergabe der mangelhaft geleisteten Arbeit. […]

OGH-Entscheidung

Die Klägerin stützt ihren Deckungsanspruch auf Punkt 8. b), welcher unter der Überschrift „Nachbesserungs-, Begleit- und Mängelbeseitigungsnebenkosten“ in seinem Punkt 8.b) einen sowohl über die AHVB als auch die Deckungserweiterung des Punkts 8.a) hinausgehenden Schutz vorsieht:

Gemäß dessen Abs 1 bezieht sich der Versicherungsschutz abweichend von Art 7.1.3 AHVB 2005 auf Ansprüche aus Schäden, die darauf zurückzuführen sind, dass zur Durchführbarkeit von Gewährleistungs- bzw Nachbesserungsarbeiten Sachen bzw Rechte des Auftraggebers oder sonstiger Personen nicht nur beschädigt, sondern auch beseitigt, vorübergehend entfernt oder außer Kraft gesetzt werden müssen. Dabei erstreckt sich der Versicherungsschutz unter anderem auch auf die Wiederherstellung des Zustands, der bestehen würde, wenn die Schäden oder Mängel nicht aufgetreten wären. Das sind insbesondere Oberflächenbehandlungen, Lackierungen, Verfüllungen, Vermauerungen, Verputzungen oder Maler-, Tapezier- und Fliesenlegerarbeiten.

Der zusätzliche Versicherungsschutz des Punkts 8. des Versicherungsvertrags beruht auf der Überlegung, dass der Werkunternehmer bei Verbesserung seines mangelhaften Gewerks in vielen Fällen im Rahmen von Vorbereitungs- und Nachbereitungsarbeiten zwangsläufig Gebäudeteile oder sonstige Sachen des Werkbestellers beschädigen muss, und will dieses Risiko zusätzlich versichern (vgl 7 Ob 125/21i mwN).

Der Zweck der Regelung des Punkts 8.b) entspricht dem ebenfalls, ist aber für den Versicherungsnehmer günstiger, weil der Beschädigung von Sachen des Auftraggebers auch die Beseitigung, vorübergehende Entfernung und „Außerkraftsetzung“ von solchen Sachen bzw Rechten des Auftraggebers und zusätzlich auch Dritter gleichgestellt werden.

Die Beseitigung von Mängeln an dem vom Versicherungsnehmer hergestellten Gewerk ist aber auch vom Versicherungsschutz gemäß Punkt 8.b) nicht umfasst. Vielmehr besteht Versicherungsdeckung nur, wenn wegen der aufgrund des Mangels notwendigen Verbesserungsarbeiten Sachen bzw Rechte anderer beschädigt, beseitigt, vorübergehend entfernt oder außer Kraft gesetzt werden.

Solche Umstände wurden hier nicht festgestellt und werden von der Revisionswerberin auch nicht behauptet. Sie steht vielmehr auf dem Standpunkt, dass die Sanierung des mangelhaft hergestellten Sichtbetons durch Drittunternehmer im Lichte der Versicherungsbedingungen eine Wiederherstellung des Zustands sei, der bestehen würde, wenn die Schäden oder Mängel nicht aufgetreten wären [Punkt 8.b) Abs 2 letzter Satz].

Dieser Auffassung folgt der OGH nicht, weil aus den dazu in Abs 2 angeführten Beispielen ersichtlich ist, dass damit Arbeiten gemeint sind, die zur Behebung von Schäden erforderlich wurden, die entstanden, um dorthin zu gelangen, wo Mängel am beauftragten Gewerk zu beheben bzw Nachbesserungsarbeiten daran durchzuführen waren, und nicht solche, die der Behebung des vom Versicherungsnehmer ausgeführten mangelhaften Gewerks selbst dienten, also die erstmalige Herstellung eines mangelfreien Zustands im Sinne des Werkvertrags bewirken sollen.

Weiters beruft sich die Revisionswerberin auf Punkt 8.b) Abs 5 des Versicherungsvertrags, der einerseits zwar klarstelle, dass die Kosten für die Gewährleistung am Gewerk, welches vom Versicherungsnehmer eigenhändig hergestellt wurde, keinesfalls versichert seien, diesen Ausschluss aber andererseits ausdrücklich nicht auf Arbeiten beziehe, die von Subunternehmern ausgeführt wurden.

Diese Interpretation mag zwar den isolierten Wortlaut der Bestimmung für sich haben, lässt aber den Kontext, in dem sich die Regelung befindet, gänzlich außer Acht. So ergibt sich schon aus der Überschrift des Punkts 8. des Versicherungsvertrags, dass es hier um Nachbesserungs-, Begleit- und Mängelbeseitigungsnebenkosten geht und nicht um Mängelbeseitigungskosten per se und daher nur in diesem Umfang der grundsätzliche Ausschluss von Gewährleistungsansprüchen nach Art 7.1.1 AHVB 2005 eine Deckungserweiterung erfährt. Damit korrespondieren auch die Textierung des übrigen Punkts 8. des Versicherungsvertrags und die oben dargestellten Grundsätze der Betriebshaftpflichtversicherung (vgl Punkt 3.3. der Entscheidung).

Wären dagegen, wie dies die Revision vertritt, auch die eigentlichen Mängelbehebungskosten für den Fall versichert, dass das Gewerk nicht vom Versicherungsnehmer selbst, sondern von einem Subunternehmer hergestellt wurde, würde das Unternehmerrisiko in nicht vorhersehbarer Weise auf den Versicherer überwälzt werden, was – wie dargestellt – der Betriebshaftpflichtversicherung nicht immanent ist.

Ohne diese Regelung wären dagegen in der Standarddeckung von Punkt 8.a) Dritte, die im Namen oder auf Rechnung des Versicherungsnehmers tätig wurden, dem Versicherungsnehmer ausdrücklich gleichgestellt, sodass Punkt 8.b) auch hinsichtlich der Einbeziehung von Subunternehmern eine erweiterte Deckung bietet.

Daher kann Punkt 8.b) Abs 5 des Vertrags in Zusammenschau mit den übrigen Absätzen und der Überschrift sowie dem Zweck der Regelung vom durchschnittlichen Versicherungsnehmer nur so verstanden werden, dass der Versicherer (zusätzlich) nur für Ansprüche Deckung zu gewähren hat, die darauf zurückzuführen sind, dass zur Durchführbarkeit von Gewährleistungs- bzw Nachbesserungsarbeiten des Versicherungsnehmers Sachen bzw Rechte des Auftraggebers oder sonstiger Personen beschädigt, beseitigt, vorübergehend entfernt oder außer Kraft gesetzt werden müssen, selbst wenn diese Arbeiten von einem Subunternehmer des Versicherungsnehmers ausgeführt wurden, also dies ein Gewerk des eigenen Subunternehmers betrifft.

Solche Nachbesserungsbegleitschäden macht die Klägerin aber nicht geltend.

In gleicher Weise ist auch der erweiterte Deckungsumfang von Punkt 8.b) Abs 3 des Vertrags zu verstehen, wonach auch dann Versicherungsdeckung (bis zu einem bestimmten Höchstbetrag) besteht, wenn anstelle der in Abs 1 und 2 genannten Maßnahmen (arg „dieser Maßnahmen“) eine wirtschaftlich vertretbare Ersatzmaßnahme durchgeführt wird, durch die die Schäden oder Mängel beseitigt werden können. Auch hier bezieht sich die unter anderem angeführte Beseitigung von Mängeln nicht auf das eigentlich geschuldete Gewerk, sondern auf solche, die zur Durchführbarkeit von Gewährleitungs- bzw Nachbesserungsarbeiten an anderen Sachen eintreten bzw zugefügt werden.

Zusammengefasst besteht daher auch aufgrund von Punkt 8. des Versicherungsvertrags keine Deckung für die von der Klägerin geltend gemachten Forderungen.

 

Beitrag von Julia Loisl.

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