Mehrkosten des Bauträgers – Mangelfolgeschaden
Wird der reine Vermögensschaden durch die Besondere Bedingung eingeschlossen und pauschal Schadenersatzforderungen aus Nichterfüllung, Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung von Verträgen wieder ausgeschlossen, ist Sinn der Klausel, Mängelfolgeschäden als reine Vermögensschäden aus Schlecht- oder Nichterfüllung abzudecken.
Relevante Bestimmungen der AVB
Zwischen den Parteien besteht ein Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag, dem die AHVB 1997 und EHVB 1997 sowie die Besondere Bedingung Nr 0934 zugrunde liegen.
Art 7 Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)
- Unter die Versicherung gemäß Art 1 fallen insbesondere nicht
1.1. Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;
1.3. die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung. …..“
Die Besondere Bedingung Nr 0934 lautet:
„Reine Vermögensschäden
- Reine Vermögensschäden sind abweichend von Art 1, Punkt 2.1.1 AHVB mitversichert.
- Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind Schadenersatzverpflichtungen aus
3.7 Nichterfüllung, Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung von Verträgen; ….“
Sachverhalt
Der Kläger wurde mit der Verlegung eines Fliesenbodens in einem Geschäftslokal einer Supermarktkette beauftragt. Die Eröffnung des Geschäftslokales war für den 31. 9. 2004 geplant. Der Kläger erbrachte seine Leistungen von Mitte August 2004 bis Ende September 2004. Durch das Befahren des von ihm verlegten Fliesenbodens mit einem Hubwagen beim Anliefern der Waren am 24. 9. 2004 entstanden an der Verfliesung Abplatzungen und Sprünge, die auf einen Verlegefehler des Klägers (Verwendung des falschen Untergrundes) zurückzuführen waren. Noch am selben Tag beschloss der Generalunternehmer, das gesamte Fliesenbett abzubrechen und zu erneuern.
Der Generalunternehmer forderte vom Kläger den Ersatz der aus dem Verlegefehler entstandenen Schäden als sogenannte „sonstige Mehrkosten des Bauträgers“ (zusätzlich zu den Kosten der Herstellung des Werkes), und zwar für Personalaufwand für Filialmitarbeiter, Ertragsverlust aufgrund der späteren Eröffnung der Filiale, frustrierten Werbeaufwand samt Versandkosten, entgangenen Baukostenzuschuss, Rechtsanwaltskosten, Mietentgang aufgrund der späteren Übergabe an den Betreiber für den Monat Oktober und Kosten eines Unternehmens für die Abwicklung des Schadenereignisses.
Unterinstanzen
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsansicht, dass hier nicht von bloßen Begleitschäden zu sprechen sei, sondern die mangelhafte Vertragserfüllung ursächlich für den Schaden gewesen sei. Es handle sich daher um unechte Vermögensschäden, die nicht gedeckt seien. Aus der besonderen Bedingung Nr 0934 könne für den Kläger nichts gewonnen werden, da diese lediglich für reine Vermögensschäden gelte. Bei reinen Vermögensschäden handle es sich aber nur um solche, die nicht auf der Verletzung eines absolut geschützten Rechtsgutes beruhten.
Das Berufungsgericht sprach aus: Die Herstellung einer von vornherein fehlerhaften Sache sei kein Sachschaden im Sinn der Versicherungsbedingungen, weil ein Sachschaden eine Einwirkung aus der Sphäre des Versicherungsnehmers auf die Sache voraussetze, also einen einmal vorhandenen Zustand beeinträchtigen müsse. Ein amtswegiges Aufgreifen von allenfalls rechtsvernichtenden Vertragsklauseln – wie etwa Punkt 3.7 der Besonderen Bedingung Nr 0934 über den Ausschluss von Schadenersatzverpflichtungen aus Nichterfüllung, Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung von Verträgen – scheide aus.
OGH-Entscheidung
Sachschaden ist die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen. Eine Beschädigung liegt vor, wenn auf die Substanz einer (bereits bestehenden) Sache körperlich so eingewirkt wird, dass deren zunächst vorhandener Zustand beeinträchtigt und dadurch ihre Gebrauchsfähigkeit aufgehoben oder gemindert wird. Die mangelhafte Herstellung einer Sache ist grundsätzlich keine Sachbeschädigung. Ist nämlich die Sache noch nicht fehlerfrei hergestellt, kann sie nicht durch die Leistung des Versicherungsnehmers beschädigt werden.
Durch die fehlerhafte Werkleistung des Klägers ist also ein von den AHVB nicht umfasster reiner Vermögensschaden im Sinn eines Mangelfolgeschadens entstanden. Dieser ist nur dann gedeckt, wenn die Parteien eine besondere Vereinbarung darüber geschlossen haben, was hier durch die Vereinbarung der Besonderen Bedingung Nr 0934 geschehen ist.
In Punkt 3.3.7 der Besonderen Bedingung Nr 0934 allerdings werden die Schadenersatzverpflichtungen aus Nichterfüllung bzw Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung von Verträgen wieder ausgeschlossen. Das Berufungsgericht hielt es offenbar für möglich, dass aus dieser Bestimmung ein Entfall der Deckungspflicht der Beklagten abgeleitet werden könnte. Wird nun der reine Vermögensschaden durch die Besondere Bedingung Nr 0934 wiederum eingeschlossen und pauschal in Punkt 3.3.7 Schadenersatzforderungen aus Nichterfüllung, Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung von Verträgen wieder ausgeschlossen, so kann dies von einem verständigen Versicherungsnehmer nur so aufgefasst werden, dass auch für reine Vermögensschäden der oben dargelegte Grundsatz ausdrücklich vereinbart werden soll, dass dem Versicherungsnehmer nicht das unternehmerische Risiko abgenommen wird und auch bei reinen Vermögensschäden alle Erfüllungssurrogate nicht ersetzt werden sollen. Nicht hingegen kann der Bestimmung entnommen werden, dass für Mangelfolgeschäden generell nicht gehaftet wird, da ansonsten dem Risikoeinschluss kaum Anwendungsraum verbliebe. Der Sinn dieser Bestimmung ist es ja gerade, Mängelfolgeschäden als reine Vermögensschäden aus Schlecht- oder Nichterfüllung abzudecken.
Anmerkungen
Problematisch in der Praxis ist jedoch, welcher Schaden nun wirklich bei entsprechendem Risikoeinschluss des reinen Vermögensschadens ein gedeckter Mangelfolgeschaden ist, und welcher Schaden ein reiner Vermögensschaden, der aus der Schlechterfüllung des Vertrages resultiert, und daher aufgrund des neuerlichen Risikoausschlusses nicht versichert ist.
Dies zeigt ein Vergleich dieser Entscheidung mit der Entscheidung 7 Ob 222/17y, wo der OGH die durch einen Betriebsausfall verursachten Vermögensschäden der Hotelbetreiberin als reine Vermögensschäden qualifiziert, jedoch trotz Mitversicherung eine Deckung ablehnt, da „reine Vermögensschäden“ (ua) aus der Schlechterfüllung von Verträgen jedenfalls ausgeschlossen bleiben sollen. Der OGH nimmt in dieser Entscheidung zwar keinen Bezug auf die Entscheidung 7 Ob 147/07d, führt jedoch in einer anderen Entscheidung mit demselben Bedingungswortlaut wie in 7 Ob 222/17y, nämlich in 7 Ob 41/18g, aus, dass in 7 Ob 147/07d ganz allgemein reine Vermögensschäden mitversichert waren. In den Entscheidungen 7 Ob 222/17y und 7 Ob 41/18g waren nur reine Vermögensschäden mitversichert, die durch „Behinderungen als Folge betrieblicher Tätigkeiten aus Abbruch, Bau, Demontage, Montage, Beladung, Entladung, Lagerung, Reinigung, Reparatur, Service, Überprüfung und Wartung eintreten.“
Der Vergleich dieser drei Entscheidungen zeigt daher, dass der Bedingungswortlaut maßgeblich ist, und oft von einem Fall nicht auf einen anderen geschlossen werden kann.
Vgl auch versdb.com