Gefahr des täglichen Lebens

Gefahr des täglichen Lebens

Das Mitnehmen einer Waffe in eine fremde Wohnung und das nach dem Konsum von Alkohol erfolgte Betätigen des Abzugs in einer Wohnung voller Menschen stellt keine gedeckte Gefahr des täglichen Lebens dar.

Sachverhalt

Am 27. 12. 2019 besuchte der damals beim Bundesheer als Ausbildner tätige Kläger mehrere Freunde in einer Wohngemeinschaft. Da er für den darauffolgenden Tag eine private Waffenübung plante, hatte er seine Pistole in einer Sporttasche dabei. Nach dem Genuss von einigen Tassen alkoholhaltigem Punsch nahm er diese Waffe aus der Tasche, um sie herzuzeigen. Er legte ein Magazin ein, in dem sich seiner Meinung nach lediglich eine Übungspatrone befand. Tatsächlich befand sich unter der Übungspatrone eine scharfe Patrone, die der Kläger im Zuge eines „Waffenchecks“ unabsichtlich nachlud und aus Unachtsamkeit nicht bemerkte. Danach betätigte er absichtlich den Abzug, ohne sich zu vergewissern, wo sich die verschiedenen Personen, die sich in den Räumlichkeiten bewegten, gerade aufhielten. Er schoss einem Mitbewohner in den Brustbereich und verletzte ihn schwer.

Der Kläger begehrt Deckung aus seiner Privathaftpflichtversicherung.

Relevante Bestimmungen der ABH

Artikel 10 Welche Gefahren sind mitversichert?

Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens […].

OGH-Entscheidung

Alle drei Instanzen bestätigten, dass keine gedeckte Gefahr des täglichen Lebens vorliegt.

Der versicherungsrechtliche Begriff der „Gefahr des täglichen Lebens“ ist nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, dass davon jene Gefahren, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss, umfasst sind (RS0081099). Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Freilich sind damit nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten abgedeckt (RS0081276). Für das Vorliegen einer Gefahr des täglichen Lebens ist nicht erforderlich, dass sie geradezu täglich auftritt. Vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei Rechtswidrigkeit oder Sorglosigkeit eines Vorhabens den daraus entspringenden Gefahren noch nicht die Qualifikation als solche des täglichen Lebens nehmen. Voraussetzung für einen aus der Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadensfall ist nämlich eine Fehlleistung oder eine schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers (RS0081070). Allerdings hat der Fachsenat auch schon in Fällen (bloß) fahrlässiger Handlungen die Verneinung des Vorliegens einer Gefahr des täglichen Lebens durch das Berufungsgericht als nicht korrekturbedürftig erachtet (etwa 7 Ob 47/21v [Powerturn mit Motorboot]; 7 Ob 126/17f [unvorsichtige Schweißarbeiten]; 7 Ob 13/18I [Verletzung bei einer Wasserbombenschlacht]; 7 Ob 7/22p [Fahren mit einem unbeleuchteten Fahrrad in alkoholisiertem Zustand]). Die Abgrenzung zwischen dem gedeckten Eskalieren einer Alltagssituation und einer nicht gedeckten ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, was in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet (7 Ob 126/17f; 7 Ob 13/18i ua).

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