Erfüllungssurrogat vs. Mangelfolgeschaden
Kosten einer durch eine mangelhafte Leistung des VN verursachten längeren örtlichen Bauaufsicht stellen ein nicht gedecktes Erfüllungssurrogat in der Betriebshaftpflichtversicherung dar.
Die Klägerin ist bei beim beklagten Versicherer betriebshaftpflichtversichert.
Relevante Bestimmungen der AVB
Artikel 7 Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)
- Unter die Versicherung gemäß Art 1 fallen insbesondere nicht
1.1. Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;
1.3. die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung.
Besonderen Bedingungen AH3416.12
1.1. Reine Vermögensschäden, die durch Behinderungen als Folge betrieblicher Tätigkeiten aus Abbruch, Bau, Demontage, Montage, Beladung, Entladung, Lagerung, Reinigung, Reparatur, Service, Überprüfung und Wartung eintreten, sind abweichend von Art 1 AHVB mitversichert.
- Sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes
Ausgeschlossen bleiben Schäden aus der Nichterfüllung, Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitigen Erfüllung von Verträgen sowie aus der Nichteinhaltung von Fristen und Terminen.
Sachverhalt
Die Klägerin brachte im Haus eines Auftraggebers einen monolithischen mineralischen Bodenbelag auf. Wegen eines Fehlers beim Anmischen des Dünnstrichs war der Bodenbelag nicht glatt, sondern von Wellenschlägen und anderen optischen Mängeln durchsetzt. Die Klägerin führte Verbesserungsversuche durch. Letztlich wurde auf Kosten der Klägerin der Bodenbelag von der Nebenintervenientin herausgeschliffen und ein neuer Bodenbelag von einem anderen Unternehmen eingebaut.
Um festzustellen, ob der Bodenbelag nach dem dritten Verbesserungsversuch der Klägerin vertragsgemäß ausgeführt wurde, beauftragten die Hauseigentümer einen Sachverständigen, ein Gutachten über die Oberflächenbeschaffenheit des Bodens zu erstellen. Nach dem Ergebnis des Gutachtens war das Werk nach wie vor mangelhaft. Die vom Sachverständigen erbrachten Leistungen waren notwendig und angemessenen.
Aufgrund der Sanierungsarbeiten verlängerte sich das Bauvorhaben um ein Jahr. In diesem Zeitraum setzte der Architekt, der von den Hauseigentümern mit der Abwicklung des gesamten Bauvorhabens, so auch mit der Bauaufsicht, beauftragt worden war, die örtliche Bauaufsicht fort. Dafür fiel ein angemessener Aufwand im Ausmaß von 25 Stunden an, der marktüblichen und angemessenen verrechnet wurde.
Die Hauseigentümer forderten von der Klägerin aufgrund der mangelhaften Bodenverlegungsarbeiten aus dem Titel des Schadenersatzes unter anderem die Kosten für die Architektenleistung sowie für das Sachverständigengutachten.
Gewährleistungsausschluss / Erfüllungssurrogat
Die Betriebshaftpflichtversicherung deckt keine Ansprüche auf Gewährleistung für Mängel (Art 7.1.1 AHVB), keine Ansprüche auf die Erfüllung von Verträgen und auch nicht die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung (Art 7.1.3 AHVB).
In der Betriebshaftpflichtversicherung ist demnach grundsätzlich nicht die Ausführung der bedungenen Leistung versichert. Die Versicherung erstreckt sich auch nicht auf Erfüllungssurrogate. Der Versicherungsschutz umfasst bei der Berufshaftpflichtversicherung nur jenen Schaden, der über das Erfüllungsinteresse des Dritten an der Leistung des Versicherungsnehmers hinausgeht. Dagegen sind Schadenersatzansprüche, soweit sie das Erfüllungsinteresse betreffen, vom Versicherungsschutz nicht umfasst; innerhalb des Erfüllungsinteresses liegende Vermögensschäden sind also von der Basisdeckung ausgeschlossen.
Sachverständigengutachten
Das von den Hauseigentümern eingeholte Sachverständigengutachten diente der Ermittlung der noch vorhandenen Mängel und der demnach von der Klägerin noch durchzuführenden Verbesserungsarbeiten. Es handelte sich daher um einen Vermögensschaden, der einerseits als Teil des Erfüllungsvorgangs nicht gedeckt und andererseits durch Art 1.1. der Besonderen Bedingungen AH3416.12 nicht eingeschlossen ist. Eine Deckungspflicht der Beklagten besteht daher insoweit nicht.
Längere Bauaufsicht durch Architekten
Die örtliche Bauaufsicht durch den Architekten, die die Sanierungsarbeiten der Klägerin begleitete, stellt ebenfalls einen Teil des Erfüllungsvorgangs dar. Dass diese Bauaufsicht auch der Überwachung von Maßnahmen diente, die nicht mit der Mängelbehebung durch die Klägerin verbunden waren, hat diese nicht behauptet und eine Tatsachengrundlage für den Einschluss nach Art 1.1. der Besonderen Bedingungen AH3416.12 ist ebenfalls nicht erkennbar.
Laut OGH widerspricht die Verneinung der Deckungspflicht auch nicht der Entscheidung 7 Ob 147/07d, da dort ganz allgemein reine Vermögensschäden mitversichert waren, während dies hier nach Art 1.1. der Besonderen Bedingungen AH3416.12 nur eingeschränkt für die dort genau bezeichneten Schäden gilt, deren Vorliegen die Klägerin nie konkret behauptet hat.
Anmerkungen
Das Erstgericht ging noch davon aus, dass es sich bei den Kosten für den Sachverständigen und die Bauaufsicht um einen Mangelfolgeschaden handelt. Es wäre möglich gewesen, dass der OGH zumindest bei den Kosten für die längere Bauaufsicht dieser Ansicht folgt.
Ein Mangelfolgeschaden liegt vor, wenn dem Werkbesteller durch den Mangel weitere Nachteile entstehen. Bei einem Mangelfolgeschaden handelt es sich weder um einen Erfüllungsanspruch, noch um ein Erfüllungssurrogat, bezieht sich doch der Schaden nicht unmittelbar auf das Leistungsinteresse. Vertraglicher Leistungsgegenstand war gerade nicht die Bauaufsicht, sondern die Aufbringung eines Bodenbelages.
Allerdings handelt es sich bei diesem Mangelfolgeschaden um einen reinen Vermögensschaden. Reine Vermögensschäden waren im vom OGH entschiedenen Fall auch eingeschränkt mitversichert (Behinderungsklausel): „Reine Vermögensschäden, die durch Behinderungen als Folge betrieblicher Tätigkeiten aus Abbruch, Bau, Demontage, Montage, Beladung, Entladung, Lagerung, Reinigung, Reparatur, Service, Überprüfung und Wartung eintreten, sind abweichend von Art 1 AHVB mitversichert.“ Es könnte argumentiert werden, dass gerade dieser Fall der Behinderung der weiteren Bauarbeiten, wodurch die erhöhten Kosten für die Bauaufsicht erst entstanden sind, auch durch diese Behinderungsklausel gedeckt sein sollen. Andernfalls würde diese „Deckungserweiterung“ für reine Vermögensschäden doch zu sehr ausgehöhlt werden (vgl versdb 2018, 60 – versdb.com).
Vgl. jedoch auch 7 Ob 222/17y, wo der OGH sagt: Die durch einen Betriebsausfall verursachten Vermögensschäden der Hotelbetreiberin wären als reine Vermögensschäden, die allein durch die mangelhafte Leistung des Klägers entstanden und daher nicht auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen sind, ebenfalls nicht gedeckt (7 Ob 114/08b mwN). Aus den Besonderen Bedingungen AH815.3 folgt laut OGH keine abweichende Beurteilung, weil nach deren Punkt 9.2.3 „reine Vermögensschäden“ (ua) aus der Schlechterfüllung von Verträgen jedenfalls ausgeschlossen bleiben sollten (vgl 7 Ob 143/14a).