Zuständigkeit für Ersatzerwerbernominierung nach § 63 Abs 3 AktG
Ist für die Zustimmung zur Veräußerung von vinkulierten Aktien nach der Satzung die Hauptversammlung zuständig, so bedarf es auch für die Nominierung eines Ersatzerwerbers gemäß § 62 Abs 3 letzter Satz AktG der entsprechenden Zustimmung der Hauptversammlung.
Vorgeschichte
Eine Seilbahn-AG betreibt ein Skigebiet in Kärnten. Zwei Aktionäre wollten ihre vinkulierten Anteile an eine Bieter-GmbH (hier die Klägerin) verkaufen. Die Satzung sieht jedoch gemäß § 62 Abs 2 AktG vor, dass für die Übertragung der Namensaktien die Zustimmung der Hauptversammlung mit einer 3/4-Mehrheit notwendig ist. Die Mehrheit für die Zustimmung kam in der Hauptversammlung aufgrund eines Vetos der Einschreiter (fünf Aktionäre) nicht zustande. Die Antragsteller beantragten daher gemäß § 62 Abs 3 AktG die gerichtliche Zustimmung zum Verkauf, welche sie auch erhielten (vgl 6 Ob 18/19v).
Sachverhalt
In einer außerordentlichen Hauptversammlung, welche bereits vor der OGH-Entscheidung 6 Ob 18/19v stattfand, sollte die Beschlussfassung über die Gestattung der Übertragung der streitgegenständlichen Aktien an die Nebenintervenientin als Ersatzerwerber gemäß § 62 Abs 3 letzter Satz AktG abgehandelt werden. Der Vorsitzende der Hauptversammlung ließ die Abstimmung über diesen Tagesordnungspunkt aber nach Diskussion über Stimmverbote für die Veräußerer nicht zu, weil er die Auffassung vertrat, „dass die Hauptversammlung hinsichtlich der Beschlussfassung des Ersatzwerbers über keine Zuständigkeit und Kompetenz verfügt“ und die Entscheidung hierüber allein der Gesellschaft, und zwar vertreten durch den Vorstand, zustehe.
Im Anschluss an diese außerordentliche Hauptversammlung entbrannte eine Auseinandersetzung zwischen den Vertretern der Klägerin einerseits und der Beklagten (die Aktiengesellschaft) und den Vertretern der Nebenintervenientin andererseits über die Frage, welches Organ die Ersatzerwerbernominierung rechtsgültig vollziehen könne, wobei die Klägerin ihre Eintragung als Aktionärin im Aktienbuch forderte.
Mit Schreiben vom 27. 8. 2019 benannte die Beklagte durch ihren Alleinvorstand gegenüber den Veräußerern die Nebenintervenientin als Ersatzerwerberin gemäß § 62 Abs 3 letzter Satz AktG für die von den Veräußerern gehaltenen 63.500 Aktien. Da der OGH-Beschluss zu 6 Ob 18/19v den Parteien am 30.7.2019 zugestellt wurde, wäre diese Benennung innerhalb der einmonatigen Frist des § 62 Abs 3 AktG rechtzeitig, wenn der Vorstand dafür zuständig ist.
§ 62 Abs 3 AktG lautet nämlich:
Ist nach der Satzung die Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung der Aktien notwendig, so ist, falls die Zustimmung versagt wird, dem Aktionär bei Nachweis der Einzahlung des auf die Einlage eingeforderten Betrags vom Gericht die Übertragung der Aktie zu gestatten, wenn kein wichtiger Grund für die Verweigerung der Zustimmung vorliegt und die Übertragung ohne Schädigung der Gesellschaft, der übrigen Aktionäre und der Gläubiger erfolgen kann. Das Gericht hat vor der Entscheidung den Vorstand zu hören. Ungeachtet der erteilten Zustimmung des Gerichts zur Übertragung kann diese dennoch nicht wirksam stattfinden, wenn die Gesellschaft innerhalb eines Monats nach Rechtskraft der Entscheidung dem Aktionär durch eingeschriebenen Brief mitteilt, daß sie die Übertragung der Aktie zu den gleichen Bedingungen an einen anderen von ihr bezeichneten Erwerber gestatte.
OGH-Entscheidung
Der OGH hatte sich nun mit der Frage zu befassen, welches Organ die Ersatzerwerbernominierung rechtsgültig vollziehen kann, nämlich der Vorstand als Vertreter der AG oder die Hauptversammlung. Er befasst sich ausführlich mit den unterschiedlichen Lehrmeinungen und kommt zu folgendem Schluss:
Wie die Normengeschichte zeigt, kann den Materialien zum GmbHG 1906 nur die Absicht entnommen werden, dass nicht das (die verweigerte Zustimmung der Gesellschaft ersetzende) Gericht, sondern die Gesellschaft das „letzte Wort“ bei der Benennung der Person des Erwerbers von vinkulierten Geschäftsanteilen haben sollte. Absichten des Gesetzgebers dazu, wie diesbezüglich die Willensbildung in der Gesellschaft erfolgen sollte oder – mit anderen Worten – welches Organ in der GmbH für die Entscheidung über die Person des Erwerbers zuständig sein sollte, lassen sich den Materialien nicht entnehmen.
Die Bestimmung des § 62 Abs 3 letzter Satz AktG spricht nur von der „Gesellschaft“, ohne das handlungsbefugte bzw handlungspflichtige Organ zu bezeichnen. Dieser Satz normiert bei genauer Betrachtung kein Rechtsgeschäft der Gesellschaft. Es ist nämlich nur von der „Mitteilung“ einer „Gestattung“ an den veräußerungswilligen Aktionär die Rede. Diese Mitteilung ist aber keine Willens-, sondern eine (Rechtsfolgen auslösende) Wissenserklärung. § 62 Abs 3 letzter Satz AktG regelt somit die Ersatzerwerbernominierung durch die Gesellschaft gar nicht, sondern setzt diese voraus. Dabei legt sich die Bestimmung nicht fest, ob diese Nominierung vor oder nach der Mitteilung erfolgen kann, soll oder muss und wie die Willensbildung in der Gesellschaft erfolgt. Die Frage, wem in der Gesellschaft die Willensbildung über die Person des Ersatzerwerbers zukommt, ist somit überhaupt ungeregelt.
Der OGH folgt schlussendlich jenen Lehrmeinungen, wonach die Ersatzerwerbernominierung der Hauptversammlung obliegt und nicht dem Vorstand, wenn die Satzung für die Zustimmung zur Veräußerung von vinkulierten Aktien die Hauptversammlung als zuständiges Organ normiert, und befasst sich mit den Gegenargumenten (insbesondere von Schopper in NZ 2019, 365 ff).
Dass § 62 Abs 2 AktG normiere, die Zustimmung zur Übertragung der Namensaktien gibt der Vorstand, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, führt laut OGH nicht dazu, dass mangels Satzungsregelung über die Ersatzerwerbernominierung auch der Vorstand für diese zuständig sei.
Weiters argumentiert Schopper, die Abhaltung einer Hauptversammlung zur Abstimmung über den Ersatzerwerber würde sich wegen der vorgeschriebenen Einberufungsfristen von drei bis vier Wochen (§ 107 Abs 1 AktG) mitsamt der Zeit für die notwendige Suche nach einem Ersatzerwerber und sonstigen Vorbereitungen in der Monatsfrist nach § 62 Abs 3 letzter Satz AktG zeitlich praktisch gar nicht ausgehen. Dem entgegnet der OGH, dass der Vorstand ja nicht gehindert ist, schon vor Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts über die Ersetzung der Zustimmung planend tätig zu werden und uU auch eine Hauptversammlung darüber abzuhalten. Er weiß schon von Beginn des Gerichtsverfahrens an, dass sich im Fall der späteren rechtskräftigen Ersetzung der Zustimmung durch das Gericht (wie in 6 Ob 18/19v) aufgrund der Abneigung der Gesellschaft bzw der Hauptversammlung gegen den Erwerbswilligen die Notwendigkeit ergeben kann, einen Ersatzerwerber binnen Monatsfrist zu nominieren. Einen solchen kann er schon während des Gerichtsverfahrens suchen und ihn der Hauptversammlung zur Abstimmung für den Fall der gerichtlichen Ersetzung der Zustimmung vorlegen.
Wenn der Gesetzgeber es in die Ingerenz der Eigentümer stellt, auch die Hauptversammlung als zustimmungsberechtigtes Organ und somit die Eigentümer selbst als mitwirkungsberechtigt bei der Frage des Erwerbers der Aktien zu konstituieren, ist mangels tragfähiger Argumente dagegen nicht ersichtlich, dass dies bei der Ersatzerwerbernominierung nicht gelten soll.
Die Ersatzerwerbernominierung der Nebenintervenientin war daher unwirksam. Daraus folgt, dass die Klägerin kraft der gesetzten Übertragungsakte und der vom Gericht ersetzten Zustimmung zum Erwerb der Aktien (6 Ob 18/19v) Aktionärin der Beklagten ist. Daher war dem entsprechenden Feststellungsbegehren stattzugeben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin als Aktionärin in das Aktienbuch einzutragen.
Weiters hatte sich der OGH mit der Frage zu befassen, ob die beklagte Gesellschaft der Klägerin für den durch die Nichteintragung ins Aktienbuch entstandenen Schaden haftet. Dies wurde vom OGH jedoch verneint: die von der Klägerin ins Treffen geführten Bestimmungen über Zustimmungsrechte des Aufsichtsrats bezwecken primär den Schutz der Gesellschaft, sekundär auch den Schutz der Öffentlichkeit, der Arbeitnehmer und der Gläubiger; die Klägerin als Aktionärsanwärterin gehört hingegen nicht zum genannten Kreis der Geschützten.
Anmerkung für die Praxis
Grundsätzlich ist dem OGH in seiner Argumentation zu folgen. Lediglich mit einem Argument von Schopper hat er sich unserer Ansicht nach nicht ausreichend auseinandergesetzt bzw. sind hier die Konsequenzen für die Praxis zu beachten.
Laut Schopper würde die Zuständigkeit der Hauptversammlung zu einer massiven Beeinträchtigung der Rechtssicherheit führen, weil ein Beschluss der Hauptversammlung über die Benennung eines Ersatzerwerbers angefochten werden könnte. Ein rechtskräftiges Anfechtungsurteil führt zu einer Vernichtung des Beschlusses mit Wirkung ex tunc. Da der Hauptversammlung-Beschluss trotz erfolgter Anfechtung zunächst wirksam ist, wäre der veräußerungswillige Aktionär vor die Entscheidung gestellt, ob er die Aktien an den im Hauptversammlung-Beschluss genannten Ersatzerwerber oder den gerichtlich genehmigten Erwerber veräußert oder ob er überhaupt von der Veräußerung Abstand nimmt. Ist die Anfechtung am Ende erfolgreich und führt zu einer Vernichtung des Hauptversammlungs-Beschlusses mit Wirkung ex tunc, dann dürfte ein zwischenzeitlich bereits erfolgter Verkauf an den im Hauptversammlung-Beschluss benannten Ersatzerwerber gegen die Vinkulierung verstoßen. Der Aktionär hat dann die Aktien an den falschen Erwerber veräußert, nämlich an einen Ersatzerwerber, der infolge des Ex-tunc-Wegfalls des Hauptversammlung -Beschlusses aber gar nicht legitimiert ist. In einem solchen Fall dürfte wohl nur an jenen Erwerber verkauft werden, den das Gericht nach § 62 Abs 3 Satz 1 AktG genehmigt hat.
Der OGH meint dazu, dass diese Anfechtungsgefahr genauso bei der ersten Namhaftmachung einer erwerbswilligen Person durch den verkaufswilligen Aktionär besteht, wenn nach der entsprechenden Satzungsbestimmung ein Hauptversammlungsbeschluss gefasst wird. Ein Hauptversammlungsbeschluss bei der Ersatzerwerbernominierung erhöht daher die Unsicherheit nicht, sondern verlängert sie allenfalls. Für die Gesellschaft hingegen bringt die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses keine Unsicherheit, da in der Zwischenzeit gefasste Beschlüsse unter Mitwirkung eines sich nachträglich herausstellenden „Scheinaktionärs“ nur anfechtbar und nicht nichtig sind, aber die Anfechtungsfrist bereits abgelaufen sein wird.
Für die Praxis bedeutet dies, dass die Hauptversammlung (bzw. die Aktionärsmehrheit) genau überlegen sollte, wen sie als Ersatzerwerber nominiert. Dieser Beschluss sollte möglichst unanfechtbar gestaltet sein, um dem Risiko zu entgehen, dass im Falle einer erfolgreichen Anfechtung der (wahrscheinlich noch unbeliebtere) vom Veräußerer gewählte Erwerber Aktionär wird. Eine zweite Chance gibt es aufgrund des Fristablaufes nämlich nicht, wie sich auch in diesem Fall gezeigt hat.