Ist bei einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung Eile geboten?
In Deutschland muss man schnell sein, wenn man eine einstweilige Verfügung erwirken will. Gilt das auch für Österreich?
Sachverhalt
Der Sachverhalt hätte sich in Österreich so nicht abgespielt, denn es ging um eine Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteiles und eine Einziehung kennt das österreichische Recht nicht. Aber einstweilige Verfügungen gibt es im österreichischen Gesellschaftsrecht sehr wohl, weswegen die nun kommentierte Entscheidung des OLG München durchaus auch für Österreich von Interesse sein könnte.
Der Geschäftsanteil eines Gesellschafters einer deutschen GmbH wurde eingezogen. Das kommt einem Ausschluss aus der Gesellschaft gleich.
Die deutsche GmbH hat wegen der Einziehung eine neue Gesellschafterliste beim zuständigen Handelsregister eingereicht, auf welcher der „ausgeschlossene“ Gesellschafter nicht mehr aufschien. Das führt dazu, dass ALLE Gesellschafterrechte des Gesellschafters untergingen, dessen Geschäftsanteil eingezogen wurde.
Der von der Einziehung betroffene Gesellschafter hat sich dagegen gewehrt, unter anderem hat er eine einstweilige Verfügung beantragt, wonach beim Handelsregister eine neue Gesellschafterliste eingereicht werden sollte, auf der er wieder aufscheint, wodurch seine Gesellschafterrechte gewahrt wären.
Allerdings hat er seinen – rechtzeitigen – Antrag auf Erlassung einer solchen einstweiligen Verfügung zunächst gegen eine falsche Partei gestellt und diesen Antrag daher zurückgezogen. Dann ließ er sich über sechs Monate Zeit, um einen weiteren Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu stellen. Diesmal gegen die richtige Partei, aber zu spät!
Deutsche Rechtslage
Sowohl erste Instanz als auch das OLG München als zweite Instanz ließen erkennen, dass es Gründe für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegeben haben könnte, diese jedoch jedenfalls „entfallen“ sind, weil der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu spät gestellt wurde. Zwar lässt sich nicht allgemein bestimmen, wie lange mit einem solchen Antrag zugewartet werden darf, aber mit sechs Monaten ist „die Grenze zulässigen Zuwartens bei weitem überschritten“.
Österreichische Rechtslage
Im österreichischen Recht (§ 381 EO) ist im Gegensatz zum deutschen Recht für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung keine Dringlichkeit gefordert (RS0054556). Allerdings wird die Dringlichkeit eine gewisse Rolle bei der gemäß § 381 EO geforderten konkreten Gefährdung beziehungsweise bei dem von der Rechtsprechung (RS0037297) geforderten Rechtschutzbedürfnis spielen (RS0005175 und 4 Ob 357/84). Im Übrigen wird in der Praxis eine Dringlichkeit dienlich sein, wenn man eine einstweilige Verfügung ohne Anhörung des Gegners der gefährdeten Partei erwirken will (Pribas in ecolex 2021/723, Seite 1103).
Es empfiehlt sich daher, auch in Österreich bei Anträgen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung eilfertig zu sein. Was wir jetzt aus Deutschland wissen, 6 Monate zu warten, ist jedenfalls zu lange.
Vergleichsverhandlungen
Die gebotene Eilfertigkeit ist natürlich kontraproduktiv, wenn vorprozessuale Vergleichsgespräche geführt werden. Aber dieses Dilemma kennen wir von den Anfechtungsklagen, die innerhalb eines Monates eingebracht werden müssen (§ 41 GmbHG sowie § 197 AktG). Wir machen das dann so, dass wir den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vorsorglich einbringen (oder eben eine Anfechtungsklage), das jedoch der Gegenseite offenlegen, ihr erklären, dass eine solche Vorgehensweise aus Fristgründen erforderlich ist, und gleichzeitig zusagen, bei erfolgreichen Vergleichsgesprächen den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurückzuziehen (oder die Anfechtungsklage). Manchmal beschleunigt der Druck eines beginnenden Gerichtsverfahrens die Vergleichsbereitschaft sogar😜!