Haftung Dritter für Einlagenrückgewähr wegen Sittenwidrigkeit
Als sittenwidrig muss ein Dritte massiv schädigendes Verhalten einer Geschäftsführerin angesehen werden, die gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßende Zahlungen einer anderen Gesellschaft annimmt und dabei zumindest billigend in Kauf nimmt, dass dieser Gesellschaft dadurch ein endgültiger Vermögensnachteil entsteht, und damit maßgeblich zum Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr beiträgt.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH & Co KG. Ihre einzige Komplementärin ist die T-GmbH, deren Alleingesellschafterin die nun insolvente E-GmbH ist. E-GmbH ist auch die einzige Kommanditistin der Klägerin. Alleingesellschafter und Geschäftsführer der E-GmbH war im relevanten Zeitraum der Zweitbeklagte, der auch Geschäftsführer der T-GmbH war.
Die Tochter des Zweitbeklagten, die Drittbeklagte, ist Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der P-GmbH.
Die P-GmbH gewährte der E-GmbH, welche zu diesem Zeitpunkt bereits überschuldet war, ein Darlehen. Die Mittel für das Darlehen kamen von der Mutter der Drittbeklagten, die dafür einen Bankkredit aufnahm. Da die E-GmbH das Darlehen nicht begleichen konnte, überwies die Klägerin an die P-GmbH den Darlehensbetrag retour, welche wiederum den Betrag an die Mutter der Drittbeklagten übergab, damit diese ihre Verbindlichkeiten bei der Bank begleichen kann.
Drei Jahre nach dieser Rückzahlung wurde über das Vermögen der E-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Klägerin begehrt nun die Rückzahlung des an die P-GmbH überwiesenen Betrages von der erstbeklagten P-GmbH, dem Zweitbeklagten und der Drittbeklagten.
Haftung der Erst- und des Zweitbeklagten
Nicht überraschend ist, dass die Zahlung der Klägerin an die P-GmbH, um eine Schuld der E-GmbH zu begleichen, gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstößt. Die Haftung des Zweitbeklagten als ehemaliger Geschäftsführer ist evident. Zwar bedarf ein eigener Schadenersatzanspruch der Kommanditgesellschaft gegen den sorgfaltswidrig handelnden Geschäftsführer ihrer Komplementärgesellschaft des Hinzutretens besonderer Umstände. Diese liegen aber bereits in der Tätigkeit der Komplementär-GmbH ausschließlich zur Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben für die Kommanditgesellschaft oder in der Personenidentität von Kommanditisten, GmbH-Gesellschaftern und Geschäftsführern (vgl. 6 Ob 171/15p).
Die Leistungsempfängerin P-GmbH haftet als Dritte, da sie von Anfang an in eine suspekte, zumindest aber fragwürdige Konstruktion involviert war. Zugleich hat die Drittbeklagte, deren Wissensstand der Erstbeklagten zuzurechnen ist, auch Kenntnis von den Beteiligungsverhältnissen sowie den personellen Verflechtungen gehabt und hat zu jederzeit über die finanzielle Situation der E-GmbH Bescheid gewusst. Wenngleich die bisherige Judikatur zur Haftung von Dritten primär Kreditinstitute vor Augen hatte, die in der Regel besser über ihre Kreditnehmer informiert sind, ist im Anlassfall aufgrund der familiären Verflechtungen kein anderer Maßstab anzulegen.
Haftung der Drittbeklagten
Besonders interessant war die Frage, ob die Drittbeklagte ebenfalls haftet. Die Drittbeklagte war weder (mittelbare oder unmittelbare) Gesellschafterin noch Geschäftsführerin der Klägerin, weshalb sie auch nicht unmittelbar Adressatin des § 82 GmbHG war. Zwar schlagen die Kapitalerhaltungsregelungen gegenüber Dritten insofern durch, als diese dazu führen können, dass die Regeln des Vollmachtsmissbrauchs eingreifen. Eine Rückzahlungspflicht nach § 83 GmbHG oder nach allgemeinem Bereicherungsrecht besteht jedoch nur für den jeweiligen Empfänger einer Leistung. Auch Leistungskondiktionen stehen nach ständiger Rechtsprechung nur dem Leistenden gegen den Empfänger zu. Für eine Haftung von Organen des Leistungsempfängers ist aus § 83 GmbHG oder den bereicherungsrechtlichen Regelungen des ABGB nichts abzuleiten.
Nach § 1295 Abs 2 ABGB ist jedoch auch schadenersatzpflichtig, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden zufügt. Dabei genügt bedingter Vorsatz. Anhaltspunkte zur Konkretisierung dieser Generalklausel bieten die von der Lehre herausgearbeiteten Fallgruppen wie Missbrauch einer formalen Rechtsstellung, unfaire Benachteiligung anderer, arglistiges Verhalten, Machtmissbrauch oder Verstoß gegen elementare ethische Grundsätze. Im vorliegenden Fall wusste die Drittbeklagte, dass sie als Geschäftsführerin der Erstbeklagten ein Darlehen an die E-GmbH, sohin eine Gesellschaft im Eigentum ihres Vaters, gewährte, die zumindest rechnerisch überschuldet war. Schon der zeitliche Ablauf, wonach die Zuzählung des Darlehens noch vor Firmenbucheintragung der Erstbeklagten erfolgte, zeigt auch die Dringlichkeit der diesbezüglichen Darlehensgewährung. Gleichwohl nahm die Drittbeklagte als Geschäftsführerin der Erstbeklagten in der Folge die „Rückzahlung“ dieses Darlehens von einer anderen Gesellschaft, nämlich einer Tochtergesellschaft der E-GmbH, der nunmehrigen Klägerin, entgegen. Zudem waren der Drittbeklagten Herkunft und Zweck der einlangenden Zahlung positiv bekannt. Gleichwohl leitete sie die eingelangte Zahlung unverzüglich an ihre Mutter weiter, um dieser die Rückzahlung des von ihr persönlich aufgenommenen Kredits zu ermöglichen.
Mit dieser Vorgangsweise war aber zwangsläufig die Folge verbunden, dass die Klägerin faktisch keinen Rückersatz von der ursprünglichen Darlehensnehmerin erlangen konnte, war diese doch überschuldet. Bei dieser Sachlage erscheint die Mitwirkung der Drittbeklagten an der verbotenen Einlagenrückgewähr jedenfalls als sittenwidrig im Sinne des § 1295 Abs 2 ABGB, zumal (schutzwürdige) eigene Interessen der Drittbeklagten an der geübten Vorgangsweise nicht ersichtlich sind.