Berater können für Einlagenrückgewähr ihrer Klienten haften!
Diesmal keine Entscheidung zum Gesellschafterstreit. Dennoch ist sie besonders interessant – vor allem für Berater wie Anwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Notare. Sie handelt von den Aufklärungspflichten und der Haftung der Berater im Zusammenhang mit dem Verbot der Einlagenrückgewähr.
Sachverhalt
Ing. K. ist Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der WP-GmbH. Er ist auch Gesellschafter und Geschäftsführer anderer GmbHs.
WP-GmbH, vertreten durch Ing. K., überwies auf ein Fremdgeldkonto des Anwaltes der WP-GmbH erhebliche Geldbeträge, damit dieser Insolvenzanträge gegen die anderen GmbHs abwehrt, indem er für diese ihre Schulden begleicht, und zwar mit dem Geld der WP-GmbH. [Dies könnte gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen, vor allem, wenn es für die WP-GmbH keine betriebliche Rechtfertigung gibt, Schulden der anderen GmbHs zu begleichen. Das war aber nicht Gegenstand dieser OGH-Entscheidung.]
In der Folge wurden auch Ing. K. und WP-GmbH notleidend, gegen beide wurden Insolvenzverfahren beantragt. Noch vor Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen der WP-GmbH wies Ing. K. den Anwalt immer wieder an, mit dem auf seinem Fremdgeldkonto erliegenden Geld der WP-GmbH auch persönliche Verbindlichkeiten des Ing. K. gegenüber dem Finanzamt sowie gegenüber der Sozialversicherung zu begleichen und bestimmte Beträge auf das Privatkonto des Ing. K. zu überweisen. Mit diesen Überweisungen konnte der Insolvenzantrag gegen Ing. K. abgewehrt werden. Gegenüber dem Anwalt begründete Ing. K. diese Zahlungen an sich selbst damit, keinen Geschäftsführerbezug erhalten und Aufwendungen für WP-GmbH getätigt zu haben, die ihm zu ersetzen seien. Der Anwalt kam den Aufträgen nach, weil Ing. K. Alleingeschäftsführer sowie Alleingesellschafter der WP-GmbH war und, weil ihm die Zahlungen aufgrund der zu erwartenden Einnahmen der WP-GmbH nachvollziehbar und vertretbar erschienen.
Nachdem über das Vermögen der WP-GmbH ein Konkursverfahren eröffnet und ein Masseverwalter bestellt wurde, klagte dieser den Anwalt wegen seines Beitrags zu den gravierenden Kapitalerhaltungsverstößen sowie wegen der Verletzung seiner anwaltlichen Treue- und Interessenwahrungspflicht. Der Anwalt hätte über die Unzulässigkeit der Überweisungen belehren müssen, die gesetzwidrigen Weisungen des Ing. K. nicht befolgen dürfen und wäre verpflichtet gewesen, das Vermögen der WP-GmbH zu schützen. Er hafte daher für den durch seine Pflichtverletzung entstandenen Schaden.
Der beklagte Anwalt entgegnete, ihn habe keine Belehrungspflicht über das Verbot der Einlagenrückgewähr getroffen, weil er nicht mit der Abklärung gesellschaftsrechtlicher und kapitalerhaltungsrechtlicher Fragen beauftragt gewesen sei, sondern mit anderen Aufgaben. Außerdem hätte Ing. K. sich das Geld selbst überwiesen, wenn der Anwalt sich geweigert hätte, die Weisungen zu befolgen, und deswegen das Geld an die WP-GmbH zurücküberwiesen hätte.
Der Masseverwalter klagte aufgerundet 460.000 Euro ein. Die erste Instanz wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Dagegen erhob der Masseverwalter Berufung im Ausmaß eines Teilbetrages von ungefähr 79.000 Euro, sodass das erstinstanzliche Urteil im Ausmaß von runden 382.000 Euro rechtskräftig wurde. Die zweite Instanz gab der Berufung keine Folge und ließ die Revision an den OGH nicht zu, sodass der Masseverwalter eine außerordentliche Revision erheben musste. Der OGH ließ diese Revision zu, hielt sie für berechtigt und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgereicht.
Aufklärungspflicht
Der OGH hält einleitend fest, dass ein Anwalt gegenüber seinen Klienten Warn-, Aufklärungs-, Informations- und Verhütungspflichten habe. Diese Pflichten bestehen auch gegenüber Klienten, die bereits von anderen Rechtsberatung eingeholt haben, oder selbst über Rechtskenntnisse verfügen. Dies folge aus seiner Verpflichtung zur Interessenwahrung, die es erfordert, seine Klienten vom Abschluss nichtiger Rechtsgeschäfte abzuhalten (6 Ob 89/20m). Diese Interessenwahrungspflicht bestehe bei allen zwischen Klienten und Anwälten geschlossenen Auftragsverhältnissen. Das Argument des beklagten Anwaltes, er sei nicht mit der Abklärung gesellschaftsrechtlicher und kapitalerhaltungsrechtlicher Fragen beauftragt gewesen, ging daher ins Leere.
Der OGH setzt fort, dass die verfahrensgegenständlichen Zahlungen ihrem äußeren Anschein nach diametral dem Verbot der Einlagenrückgewähr widersprechen. Der Anwalt wäre aufgrund der Verpflichtung zur Interessenwahrung verpflichtet gewesen, WP-GmbH (beziehungsweise ihren Geschäftsführer, Ing. K.) darauf hinzuweisen, dass es sich offenkundig um unzulässige Auszahlungen handeln würde. Der Anwalt hätte konkret darauf und auf die für die Schuldnerin damit verbundenen Gefahren hinweisen müssen.
Erkundungspflicht
Nicht nur das! Der OGH verlangt vom Anwalt auch, Angaben des Klienten zu hinterfragen (zu prüfen), wenn dessen Erklärungen unkonkret sind, oder unplausibel klingen (RS0105536).
Im konkreten Fall begründet Ing. K. die Zahlungen an sich selbst damit, keinen Geschäftsführerbezug erhalten und Aufwendungen für WP-GmbH getätigt zu haben. Damit will er (beziehungsweise der beklagte Anwalt im Gerichtsverfahren) argumentieren, dass diesen Zahlungen Leistungen gegenüberstanden, nämlich seine Geschäftsführung sowie seine Bevorschussung von Aufwendungen der WP-GmbH. Tatsächlich ist es so, dass Zahlungen an Gesellschafter zulässig sein können, wenn es sich um Leistungen auf Grundlage fremdüblicher Gegengeschäfte handelt (6 Ob 161/17w). Der OGH meint aber, dass der Anwalt die Begründung des Ing. K. konkret erörtern hätte müssen, weil sich ein möglicher Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr aufdrängte (6 Ob 199/17h; 6 Ob 195/18x). Nach Ansicht des OGHs hätte der beklagte Anwalt sich konkret vergewissern müssen, ob der Verzicht des Ing. K. auf ein Geschäftsführergehalt beziehungsweise seine Bevorschussung von Aufwendungen
- stimmen,
- Forderungen gegen die WP-GmbH aus fremdüblichen Geschäften begründen und
- eigenkapitalersetzende Leistungen an WP-GmbH waren und somit der Rückzahlungssperre des § 14 EKEG unterlagen.
Mit dieser Ansicht ist der 6. Senat des OGHs wesentlich strenger, als es der 17. Senat noch am 24.11.2020 zu 17 Ob 14/20p war, denn dieser vertrat die Ansicht, dass die Anforderungen an einen Anwalt nicht überspannt werden dürften, er die Richtigkeit der ihm erteilten Informationen nicht in Zweifel ziehen müsse, so lange er dafür keinen erheblichen Anhaltspunkt hat, und den Anwalt keine Verpflichtung treffe, eigene Ermittlungen anzustellen, ob die Informationen des Klienten wahr sind.
Zurück an den Start
Der OGH verwies diesen Fall zurück an die erste Instanz, weil er auf Sachverhaltsebene noch nicht geklärt sah,
- ob Ing. K. auf die Zahlungen an sich selbst bestanden hätte, wenn er vom Anwalt aufgeklärt worden wäre,
- ob Ing. K. die gleichen Zahlungen an sich vorgenommen hätte, wenn der Anwalt das Geld der WP-GmbH zurücküberwiesen hätte, und
- welche Informationen der Anwalt erhalten hätte, wenn er die Angaben des Ing. K. hinterfragt hätte.
Dies war dem OGH wichtig, denn es würde keine Kausalität vorliegen, wenn Ing. K. auch bei einer Aufklärung auf die Zahlungen bestanden oder diese an sich selbst vorgenommen hätte, wenn der Anwalt das Geld der WP-GmbH zurücküberwiesen hätte.
Im Übrigen geht der OGH davon aus, dass der Anwalt die Durchführung der von Ing. K. angeordneten Zahlungen hätten ablehnen müssen, wenn dieser dem Anwalt keine belastbaren Antworten geben hätte können.