Auslegung Gesellschaftsvertrag KG
Kommt es zu einem Gesellschafterwechsel, kann auf den subjektiven Parteiwillen der Gründungsgesellschafter nur mehr zurückgegriffen werden, wenn dieser den neu eintretenden Mitgliedern bekannt war und sie diesem subjektiven Parteiwillen zumindest konkludent zugestimmt haben.
Sachverhalt
Der Kläger ist mit einem Anteil von 90 % unbeschränkt haftender Gesellschafter, die Beklagte mit einem Anteil von 10 % Kommanditistin der zG* KG (im Folgenden „Gesellschaft“). Die Gesellschaft betreibt ein Hotel in L*. Die Gesellschaft war von Anfang an darauf ausgerichtet, ein Familienunternehmen zu sein und zu betreiben und den Bestand desselben zu sichern.
1979 trat die Beklagte als Kommanditistin in die Gesellschaft ein. Der Kläger schenkte der Beklagten die Beteiligung. Der Kläger und die Beklagte waren damals verheiratet und hatten schon zwei Kinder. Der Betrieb wurde stetig ausgebaut. Beide Kinder arbeiten im Betrieb bis es zum Zerwürfnis kam.
Nach den ursprünglichen Plänen der Streitteile sollten die gemeinsamen Kinder später einmal den gemeinsamen Betrieb übernehmen, wie es in Familienbetrieben regelmäßig üblich ist. Dabei gab es Anfang der 2000er Jahre auch Bemühungen, diese Nachfolge mittels Anpassung des Gesellschaftsvertrags der Gesellschaft festzulegen. Zu einer konkreten und unmissverständlichen Regelung zwischen den Streitteilen als Gesellschafter kam es dabei allerdings nicht.
2005 wurde die Ehe der Streitteile mit dem Ausspruch des alleinigen Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung der Ehe geschieden. Seit 2011 ist der Kläger erneut verheiratet, 2008 wurde seine Tochter A* von seiner nunmehrigen Ehegattin geboren.
Der Kläger will sich in seiner Dispositionsbefugnis über seinen Komplementäranteil nicht auf die gemeinsamen Kinder mit der Beklagten beschränken und möchte sich seine Freiheit betreffend die Bestellung eines Nachfolgers nicht einschränken lassen. Mit der Änderung des Gesellschaftsvertrags möchte er dafür sorgen, dass auch für seine nunmehrige Ehegattin und deren gemeinsame Tochter nach seinem Ableben gesorgt ist und der Betrieb nicht verkauft wird. Der Kläger ist der Meinung, dass seine Kinder aus erster Ehe nicht in der Lage sind, den Familienbetrieb zu führen. Demgegenüber erachtet er seine derzeitige Ehefrau für fähig, weil diese seit 15 Jahren im Betrieb tätig ist.
Der Kläger begehrte – soweit im jetzigen zweiten Rechtsgang noch gegenständlich –,
A. es werde zwischen den Parteien festgestellt, dass die [Gesellschaft] mit den Erben oder Vermächtnisnehmern der Gesellschafter fortgesetzt wird,
A.1. wobei diese Erben oder Vermächtnisnehmer Ehegatten der derzeitigen Gesellschafter oder Nachkommen des derzeitigen Gesellschafters oder des [Vaters] sein müssen;
A.2. in eventu: wobei diese Erben oder Vermächtnisnehmer Nachkommen eines derzeitigen Gesellschafters oder des [Vaters] sein müssen;
A.3. in eventu: wobei diese Erben oder Vermächtnisnehmer Nachkommen eines derzeitigen Gesellschafters sein müssen;
A.4. in eventu: wobei diese Erben oder Vermächtnisnehmer die gemeinsamen Kinder der Gesellschafter und auf Seiten des Klägers zusätzlich [die zweite Ehefrau des Klägers und die Tochter des Klägers aus zweiter Ehe] sein dürfen und müssen.
B. Als weitere vier Eventualbegehren begehrte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung in die Änderung des Gesellschaftsvertrags der Gesellschaft mit demselben Inhalt wie die so eben dargestellten Feststellungsbegehren.
Feststellungsbegehren
Gemäß § 131 Z 4 iVm § 161 Abs 2 UGB (§ 907 Abs 8 UGB) wird die Kommanditgesellschaft durch den Tod des unbeschränkt haftenden Gesellschafters aufgelöst, sofern sich – wie hier – aus dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergibt. Nach § 177 UGB hat hingegen der Tod des Kommanditisten die Auflösung der Gesellschaft nicht zur Folge.
Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang sämtliche Klagebegehren und den von der Beklagten gestellten Zwischenantrag auf Feststellung (diesen rechtskräftig) ab. Die vom Kläger angestrebte Möglichkeit eines willkürlichen Ausschlusses der gemeinsamen Kinder mit der Beklagten aus einer Nachfolge im Familienunternehmen widerspreche der Verkehrssitte und dem Grundsatz von Treu und Glauben.
Das Berufungsgericht wies die (oben) unter A.1. und A.2. dargestellten Begehren (rechtskräftig) ab, gab dem Eventualbegehren laut A.3. statt. Es führte aus, die Gründungsgesellschafter hätten eine Fortsetzungsklausel vereinbart, wenn sie die mit dem Tod des Klägers für die Gesellschaft verbundene Rechtsfolge, nämlich deren Auflösung, gewusst hätten. Daher müsse der Wunsch der Beklagten, es zu den gesetzlichen Folgen der Auflösung der Gesellschaft mit dem Tod des Klägers kommen zu lassen, scheitern. Vielmehr sei die planwidrige Vertragslücke durch Vertragsauslegung dahin zu ergänzen, dass die Gesellschaft nach dem Tod des Klägers fortgesetzt werde. Da das Interesse des Vaters primär gewesen sei, dass das Unternehmen von der Familie weitergeführt werde, sei anzunehmen, dass die Gründungsgesellschafter die Nachkommen des Klägers in gerader Linie als Nachfolger im Familienunternehmen angesehen hätten und nicht die Beklagte. Somit bestehe kein Zweifel, dass nicht nur der Kläger, sondern auch dessen Vater bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags eine Nachfolgeklausel vereinbart hätten, von der alle Nachkommen des Klägers umfasst wären, also auch solche Nachkommen, die nicht aus der Ehe des Klägers mit der Beklagten stammten.
Laut OGH ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen mangels einer Fortsetzungs- und Eintrittsklausel im Gesellschaftsvertrag für den Fall des Todes des Komplementärgesellschafters nicht (unmittelbar) die dispositive Regelung des § 131 Z 4 UGB für anwendbar hielten, sondern eine ergänzende Vertragsauslegung nach dem hypothetischen Parteiwillen der Gründungsgesellschafter vornahmen. 3 Ob 2135/96h [KG]; 4 Ob 229/07s [GesbR]; 2 Ob 209/10i; RS0109668); auch mangels einer ausdrücklichen Regelung ist daher zwischen den Gründungsmitgliedern der übereinstimmende Parteiwille maßgeblich.
& Co KG];Der Oberste Gerichtshof hat aber mehrfach auf die im Schrifttum verbreitete Ansicht hingewiesen (4 Ob 229/07s; 2 Ob 209/10i) und sich dieser auch angeschlossen (siehe 6 Ob 226/13y; 6 Ob 145/19w = RS0109668 [T6]; 6 Ob 96/20s; 6 Ob 90/21k), wonach die Auslegung gemäß § 914 ABGB nicht bei einem Wechsel im Mitgliederbestand der Gesellschaft gilt, weil dem neu hinzutretenden Gesellschafter in der Regel nur die Erklärungstatbestände, auf denen die Gesellschaft beruht, als Vertrauensgrundlage zur Verfügung stehen; diesfalls wird der objektiven Auslegung der Vorrang eingeräumt. In der jüngeren Literatur wird einhellig für die Maßgeblichkeit eines subjektiven, von der objektiven Auslegung des Gesellschaftsvertrags abweichenden Parteiwillens die Kenntnis des hinzutretenden Gesellschafters von diesem subjektiven Parteiwillen gefordert; die Mehrzahl der Autoren (Schauer, Zib, Artmann und wohl auch Enzinger) verlangt überdies auch die (zumindest konkludente) Zustimmung des hinzutretenden Gesellschafters.
Der erkennende Senat schließt sich den Meinungen an, die Kenntnis und Zustimmung des hinzutretenden Gesellschafters vom abweichenden Parteiwillen der Altgesellschafter fordern: Zwischen den Gründungsmitgliedern einer Personengesellschaft ist der übereinstimmende Parteiwille selbst dann maßgebend, wenn er in den ausdrücklichen Erklärungen keinen Niederschlag gefunden hat. Kommt es zu einem Gesellschafterwechsel, kann auf den subjektiven Parteiwillen der Gründungsgesellschafter nur mehr zurückgegriffen werden, wenn dieser den neu eintretenden Mitgliedern bekannt war und sie diesem subjektiven Parteiwillen zumindest konkludent zugestimmt haben.
Eine Kenntnis und (allenfalls konkludente) Zustimmung der Beklagten zu einer Nachfolgeregelung wie in dem vom Berufungsgericht stattgegebenen Feststellungsbegehren (A.3.) oder dem Eventualfeststellungsbegehren (A.4.) liegt aber nach den Feststellungen nicht vor. Mit dem ausschließlichen Rückgriff auf den Parteiwillen der Gründungsgesellschafter zur ergänzenden Vertragsauslegung hat das Berufungsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung und die daraus zu ziehenden Folgerungen beim vorliegenden Gesellschafterwechsel nicht berücksichtigt. Da hier eine Zustimmung der Beklagten zu keiner einzigen begehrten Nachfolgeregelung vorliegt, erweisen sich sämtliche Feststellungsbegehren als unberechtigt.
Eventualbegehren auf Einwilligung in die Änderung des Gesellschaftsvertrags
In der oberstgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei Personengesellschaften unter Umständen die gegenseitige Treuepflicht der Gesellschafter die Zustimmung zu einer Änderung des Gesellschaftsvertrags gebieten kann (6 Ob 695/87; 8 Ob 577/83; RS0059617). Eine derartige Verpflichtung wird bejaht, sofern dies die wohlverstandenen Interessen der Gesellschaft erfordern (6 Ob 695/87; RS0059617). Eine nähere Konturierung dieses Kriteriums oder Kasuistik dazu ist der Rechtsprechung jedoch nicht zu entnehmen.
Nach der Lehre kommen Zustimmungspflichten zu Änderungen des Gesellschaftsvertrags nur dann in Betracht, wenn es um existentielle Fragen der weiteren gemeinsamen Zweckverfolgung geht, die vorgesehene Maßnahme im Gesellschaftsinteresse zwingend geboten und dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwerten Belange zumutbar sei oder wenn die Gesellschaftsvertragsänderung im dringenden und überwiegenden Interesse einzelner Gesellschafter gelegen sei und damit keine oder bloß unerhebliche Nachteile für die übrigen Gesellschafter verbunden seien. Weiters sei das Gewicht der beabsichtigten Änderung für die weitere Verwirklichung des Verbandszwecks gegen die Beeinträchtigung der Interessen des Gesellschafters abzuwägen.
Nach diesen in Rechtsprechung und Lehre vertretenen, im Wesentlichen übereinstimmenden Kriterien kann hier eine Zustimmungspflicht der Beklagten zu sämtlichen vom Kläger begehrten Fortsetzungs- und Nachfolgeklauseln, die dem Kläger kraft seiner Testierfreiheit ein Wahlrecht unter den in den Klauseln genannten Personen einräumen würden, nicht aus der gesellschaftsrechtlichen Treue- bzw Interessenwahrungspflicht abgeleitet werden. Aus der primär maßgeblichen Sicht der Gesellschaft ist nämlich ein besonderer Vorteil einer „offenen“ gegenüber einer auf die gemeinsamen Kinder beschränkten Nachfolgeklausel (der die Beklagte zustimmt) nicht ersichtlich. Denn die gemeinsamen Kinder der Streitteile sind einschlägig ausgebildet und auch bereit, das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen fortzuführen. Ein erfolgreicher weiterer Betrieb durch die gemeinsamen Kinder der Streitteile scheint daher aus derzeitiger Sicht nicht weniger wahrscheinlich als durch die nunmehrige Ehefrau des Klägers und/oder (später) deren Tochter (deren Eignung und Bereitschaft überdies nicht feststeht und wohl aufgrund ihres Alters noch gar nicht ausreichend beurteilt werden kann).
Ob eine Zustimmungspflicht der Beklagten dahin besteht, in eine Fortsetzungs- und Nachfolgeklausel (nur) mit den gemeinsamen Kindern der Streitteile einzuwilligen, muss nicht geprüft werden, zumal die Bereitschaft der Beklagten dazu ohnehin feststeht. Eine Verurteilung der Beklagten dazu kommt jedoch nicht in Betracht, weil der Kläger dies nicht begehrt hat.