Gescheiterte Anfechtung eines ablehnenden Beschlusses wegen Treuwidrigkeit
Die Anfechtung eines Generalversammlungsbeschlusses wegen behaupteter Treuwidrigkeit ist grundsätzlich ultima ratio. Weiters muss der ablehnende Beschluss, um anfechtbar zu sein, im Interesse der Gesellschaft unbedingt notwendig und eine „Zustimmung“ auch für den widerstrebenden Gesellschafter zumutbar sein.
Sachverhalt
Beklagte war eine GmbH mit vier Gesellschaftern. Diese GmbH war ihrerseits Aktionärin einer AG. In einer Generalversammlung wurde beschlossen, in der nächsten Hauptversammlung der AG sich den Fragen einer anderen Aktionärin anzuschließen und diese namens der GmbH ebenso zu stellen. Zwei der vier Gesellschafter (A und B) wollten jedoch einen weiteren, viel umfangreicheren Fragenkatalog (mehr als 100 Fragen) ebenso im Wege des Fragerechtes an die AG übermitteln. Der Antrag darüber wurde jedoch abgelehnt, da Gesellschafter C und D dagegen stimmten. Der Kläger (Gesellschafter A) und der Nebenintervenient (Gesellschafter B) begehrten nun jedoch die Nichtigkeit des abweisenden Beschlusses und die Feststellung, dass der Beschluss doch zustande gekommen sei.
Berufungsgericht
Das Berufungsgericht wies die Begehren ab. Die Erteilung einer Weisung an die Geschäftsführung (in diesem Fall also namens der GmbH in der nächsten HV der AG die Fragen zu stellen) sei eine Ermessensentscheidung in Geschäftsführungsangelegenheiten. Dabei hätten sich die Gesellschafter zwar am Gesellschaftszweck zu orientieren, ihnen kommt jedoch ein weiter Beurteilungsspielraum dabei zu. Das Berufungsgericht verneinte deshalb das Vorliegen eines treuwidrigen Verhaltens der Gesellschafter C und D.
Oberster Gerichtshof
Zunächst führte der OGH aus, dass es in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass eine treuwidrige Stimmabgabe durchaus zur Anfechtbarkeit eines Generalversammlungsbeschlusses führen kann. (RS0106227 [T3]; RS0120599; 6 Ob 130/05v; 6 Ob 90/19g). Voraussetzung für die Anfechtbarkeit ist dabei, dass die Zustimmungspflicht ultima ratio, der Beschluss im Interesse der Gesellschaft unbedingt notwendig und eine „Zustimmung“ auch für den widerstrebenden Gesellschafter zumutbar ist (5 Ob 626/88; RS0026106 [T9]; RS0060175 [T6, T9]; RS0107912; insb auch: 6 Ob 105/19p).
Ob aber ein bestimmtes Verhalten im konkreten Fall treuwidrig ist, ist stets eine Einzelfallentscheidung. Dadurch wird in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO vorliegen, die Voraussetzung für eine Revision ist. Diese wäre auch zulässig, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.
Dem OGH zufolge besteht aber im konkreten Fall kein Korrekturbedarf der berufungsgerichtlichen Entscheidung: Anlässlich der Abstimmung ging es um das Interesse der Gesellschaft und die Wahrung des Gesellschaftszwecks. Der Fragenkatalog betraf nur die Unternehmensführung der AG. In der Revision führten die Kläger aus, dass ein Gesellschafter immer dann für einen Beschluss stimmen müsse, wenn eine Beschlussfassung für die anderen Gesellschafter und die Gesellschaft denkmöglich nur Vorteile bringe und für ihn keine nachteiligen Folgen nach sich ziehe. Damit verkennt die Revision aber die zuvor zitierte Rechtsprechung.
Gesellschafter müssen nicht bloß deswegen, weil ein bestimmter Antrag (über das Fragerecht) der Gesellschaft keinen Schaden zufügen würde, diesem nicht zustimmen. Insbesondere liege in der Behauptung, dass eine Begründungspflicht für die Ablehnung des Beschlusses und darauf aufbauend, dass eine Ablehnung immer treuwidrig sei, sofern sie unbegründet erfolgt, keine Darstellung, warum das Verhalten der Gesellschafter treuwidrig gewesen sein soll.
Die außerordentliche Revision wurde deshalb zurückgewiesen.
Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.