Zustimmung des Aufsichtsrates der Konzernmutter

Zustimmung des Aufsichtsrates der Konzernmutter

Liegt ein konzernrelevantes zustimmungspflichtiges Geschäft auf Ebene eines Konzerngliedes vor, ist dieses (auch) vom Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft zu genehmigen.

Die Klägerin ist als Holding AG mit 36,39% an der Tochtergesellschaft W-AG beteiligt. Die W-AG hat wiederum eine 100% Tochtergesellschaft (Enkelgesellschaft). Der Beklagte war Vorstandsmitglied der Klägerin sowie der Tochter-AG. Sowohl die Geschäftsordnung des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Holding AG (Klägerin) sowie auch die Geschäftsordnung der Tochter-AG sahen vor, dass der jeweilige Aufsichtsrat der Übernahme von Patronatserklärungen auch für verbundene Unternehmen zustimmen muss.

Der Beklagte unterzeichnete als Vorstandsmitglied der Tochter-AG für die Enkelgesellschaft im Zusammenhang mit einem Projekt in Russland einen Letter of Comfort (Patronatserklärung). Der Beklagte holte davor weder die Genehmigung des Aufsichtsrates der Klägerin noch die Genehmigung des Aufsichtsrates der Tochter-AG ein.

Bei dem Projekt in Russland gab es einige Schadenfällen, was dazu führte, dass der Auftraggeber des Projektes die Fortschrittszahlung einstellte. Es wurde daraufhin über das Vermögen der Enkelgesellschaft sowie über das Vermögen der Tochter-AG ein Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Klägerin als Holding AG begehrt im gegenständlichen Verfahren Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten. Dieser hätte als Vorstand der Holding AG die Zustimmung des Aufsichtsrates als Klägerin vor Abgabe der harten Patronatserklärung (Letter of Comfort) einholen müssen. Hätte er dies getan, hätte sie der Aufsichtsrat der Klägerin jedoch nicht genehmigt, weshalb in weiterer Folge die Bank keine Garantie ausgestellt und somit die Tochter-AG auch nicht den Zuschlag für das Projekt in Russland erhalten hätte. Folglich wäre sodann die Tochter-AG auch nicht in die Insolvenz geschlittert.

Die Unterinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Sie führten aus, dass der Beklagte als Vorstandsmitglied der Klägerin keine Geschäftsleitungsbefugnis zB durch bindende Weisungen bei der Tochter-AG hatte und daher auch keine Geschäftsführungspflichten verletzt haben kann. Darüber hinaus ist aus der Entscheidung ersichtlich, dass die Unterinstanzen anscheinend den Letter of Comfort nicht als harte Patronatserklärung ansahen.

OGH-Entscheidung

Der OGH sah die vom Berufungsgericht zugelassene Revision als zulässig und auch als berechtigt an und hob die Entscheidung der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurück.

Der OGH sah in dem Letter of Comfort eine harte Patronatserklärung, für dessen Einholung in der Geschäftsordnung des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Klägerin die Zustimmung des Aufsichtsrates vorgesehen war.

Laut OGH war der Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrates der Konzernobergesellschaft auch in Bezug auf die Tochter-AG nicht nur zulässig, sondern im Sinne einer effektiven Überwachung der Konzernleitung auch geboten.

Das Eingehen von Haftungen verwirklicht eine Risikomultiplikation innerhalb des Konzerns und ist daher konzernrelevant. Der Beklagte hat als Vorstandsmitglied der Klägerin die Verpflichtung gehabt, die Zustimmung des Aufsichtsrates der Klägerin einzuholen und hat diese Verpflichtung missachtet. Er gab als Vorstand der Tochter-AG ohne Zustimmung des Aufsichtsrates der Konzernobergesellschafter (Klägerin) die Patronatserklärung ab und verletzte dadurch seine Pflicht zur Konzernleitung. Eine solche Missachtung ist haftungsbegründend, wenn der Klägerin daraus ein Schaden entstanden ist. Hätte der Beklagte als Vorstand der Klägerin die Zustimmung des Aufsichtsrates eingeholt und wäre diese verweigert worden, wäre er verpflichtet gewesen, alles zu unternehmen, um die Patronatserklärung zu verhindern. Er hätte daher auf den Vorstand der Tochter-AG, also auf sich selbst, entsprechenden Einfluss nehmen müssen.

Einflussnehmen im Konzern

Der OGH stellte fest, dass der Vorstand der Konzernobergesellschaft entsprechend auf den Vorstand der Tochter-AG hätte einwirken müssen. Grundsätzlich ist der Vorstand und der Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft nicht befugt, in die Leitung der untergeordneten Konzerngesellschaften direkt einzugreifen oder verbindliche Weisungen zu erteilen. Konzernrechtliche Weisungen, welche in der Praxis jedoch häufig vorkommen, sind aber nicht generell nichtig, solange das Unternehmensinteresse der beherrschten Gesellschaft gewahrt wird.

Konzernleitung

Der Aufsichtsrat der Obergesellschaft überwacht grundsätzlich nur den eigenen Vorstand. Den Vorstand der Konzernobergesellschaft trifft aber eine gewisse Konzernleitungspflicht. Bei der Frage, wie genau diese Konzernleitung auszusehen hat, besteht allerdings ein gewisses Ermessen im Sinne der Business Judgement Rule.

Der Aufsichtsrat hat grundsätzlich die Pflicht, die Geschäftsführung zu überwachen. Diese Pflicht erweitert sich im Konzern auf die Überwachung der Konzernleitungstätigkeit des Vorstandes, also auch auf die Tätigkeit des Vorstandes bezogen auf verbundene Unternehmen.

Konzernrelevanz

Der Begriff Konzernrelevanz ist bereits aus der Regel 35 des österreichischen Corporate Government Kodex zu entnehmen. Darin wird die Verpflichtung des Aufsichtsrates festgehalten, die zustimmungspflichtigen Geschäfte zu konkretisieren. Darin wird ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass auch konzernrelevante Geschäfte von Tochtergesellschaften miteinzubeziehen sind.

Konzernrelevanz liegt laut OGH und der entsprechenden Literatur dann vor, wenn für die Muttergesellschaft wirtschaftliche Aktivitäten oder Vermögensbindungen vorliegen. Der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg schlägt dadurch auf die wirtschaftliche Lage der Konzernobergesellschaft durch. Der Aufsichtsrat hat sich nur mit solchen Themen zu befassen, die auch tatsächlich konzernrelevant sind. Das sind Themen, die sich auf die Obergesellschaft bedeutend auswirken. Der Aufsichtsrat hat daher nur angemessen Gebrauch von seiner Konzernüberwachungsaufgabe zu machen.

Hinzutreten der Zustimmung

Die Zustimmung durch den Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft ersetzt nicht die Zustimmung durch den eigenen Aufsichtsrat der Tochtergesellschaft. Sie tritt hingegen nur hinzu. Den jeweiligen Vorstand trifft die Vorlagepflicht an den eigenen Aufsichtsrat. Es besteht keine Verpflichtung der Tochtergesellschaft, die Zustimmung des Aufsichtsrates der Muttergesellschaft einzuholen.

Fazit

Die Frage, welche Geschäfte nun wirklich von wesentlicher Auswirkung auf den Konzern sind, wird in der Praxis zu erheblicher Unsicherheit führen. Die OGH-Entscheidung zeigt aber vor allem, dass Österreich dringend ein Konzernrecht benötigt. Die Entscheidung wird unter anderem von Kalss stark kritisiert (vgl. NZG 15/2021, 647).

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