Verstoß gegen Syndikatsvertrag als Anfechtungsgrund

Verstoß gegen Syndikatsvertrag als Anfechtungsgrund

Syndikatsvertragliche Pflichten können zwar nicht schlechthin zu Treuepflichten umetikettiert werden, es können aber die Treuepflichten mittels einem omnilateralen Syndikatsvertrags konkretisiert werden.

Sachverhalt

Der Sachverhalt ist aus den Entscheidungen 6 Ob 1/19v und 6 Ob 155/20t bekannt. Die für diese Entscheidung wesentlichen Sachverhaltspunkte nochmals zusammengefasst:

Die Konzerne D und S kooperieren aufgrund einer Grundsatzvereinbarung, in welcher festgelegt ist, dass der Aufsichtsrat aus vier Kapitalvertretern besteht, wobei zwei von D, einer von S und einer gemeinsam bestellt wird. Die Beschickung des Aufsichtsrates ist auch im Gesellschaftsvertrag und im Syndikatsvertrag festgeschrieben.

2004 kam es zu Umstrukturierungen im S-Konzern, wodurch die neue Gesellschafterin statt P. zuerst B. und dann die Klägerin wurde. Der OGH hat bereits entschieden, dass das im Gesellschaftsvertrag der Gesellschafterin P. eingeräumte Entsendungsrecht nicht auf die Klägerin übergegangen ist (vgl. 6 Ob 155/20t).

Die Nebenintervenientin berief in einer Generalversammlung Ende 2017 den GD als Aufsichtsratsmitglied ab und beschloss die Implementierung eines Kundenbindungsprogrammes. Die Abberufung des GD wurde vom OGH als treuwidrig ausgesprochen (vgl. 6 Ob 155/20t).

Im Jahr 2018 wurde dann Univ.-Prof. M. und Dkfm. MD zu Aufsichtsratsmitgliedern durch die Stimmen den Nebenintervenientin und gegen die Stimmen der Klägerin bestellt. Dies nach Abberufung von GD. Der gerichtliche Abberufungsversuch betreffend Univ.-Prof. M. scheiterte (vgl. 6 Ob 1/19v).

Die Minderheitsgesellschafterin hat jedoch auch die Nichtigkeitserklärung der Wahl des Univ.-Prof. M. und des Dkfm. MD angestrebt. Auf dieses Verfahren wurde bereits in 6 Ob 1/19v verwiesen. Dies wurde nun gegenständlich vom OGH entschieden.

Treuwidrigkeit als Folge der nichtigen Abberufung von GD

Als erstes Argument hatte sich der OGH mit der Frage zu befassen, ob die Wahl in den Aufsichtsrat bereits deswegen treuwidrig ist, weil die Abberufung des GD als Aufsichtsrat treuwidrig war. Die Klägerin argumentiert, dass die rechtsmissbräuchliche Abberufung des GD zur Nichtigkeit der in Folge der Abberufung bestellten neuen Aufsichtsratsmitglieder führt. Der Klägerin hätte außerdem eine Entsendung ermöglicht werden müssen. Dass der Klägerin kein Entsendungsrecht zusteht, hat der OGH bereits in 6 Ob 155/20t entschieden.

Der OGH führt nun gegenständlich aus, dass die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses auch dann vorliegt, wenn dieser sachlich an einen früheren nichtigen Beschluss anschließt und die Gültigkeit desselben voraussetzt, wobei dies ausdrücklich ausgesprochen wird oder sich aus dem Zusammenhang ergibt. Dies gilt auch für das GmbH-Recht, wenn die Generalversammlung an einen früheren Beschluss anknüpfen wollte, der durch den anderen Beschluss geändert, modifiziert oder erfolgreich für nichtig erklärt wurde.

Der OGH kommt daher gegenständlich zum Schluss, dass die Bestellung eines der beiden Aufsichtsratsmitglieder für nichtig zu erklären ist, weil die Abberufung von GD für nichtig erklärt wurde. Es blieb jedoch offen, welcher der beiden Beschlüsse für nichtig zu erklären ist. Der OGH musste diese Frage nicht beantworten, weil er auch die Anfechtung des zweiten Wahlbeschlusses aus anderen Gründen als berechtigt ansah. In der Lehre wird die Ansicht vertreten, dass beide Wahlen für nichtig zu erklären wären, da es nicht im Belieben des Gerichtes stehen könne, die Entscheidung zu treffen, wer auf welche Position nachbesetzt wird (ecolex 2021/299).

Syndikatsvertrag wirksam übergegangen

Als erste Frage war strittig, ob der Syndikatsvertrag, welcher zwischen der Nebenintervenientin und der Gründungsgesellschafterin P. abgeschlossen wurde, auch auf die Klägerin übergegangen ist. Zu dieser Frage ist ein Verfahren der Klägerin auf Feststellung anhängig, welches am 29.1.2021 von der ersten Instanz nicht rechtskräftig abgewiesen wurde. Laut OGH ist diese Frage aber hier als Vorfrage als selbstständig zu beurteilen. Der OGH bejaht den Übergang des Syndikatsvertrages von der Gesellschafterin P. an die Rechtsnachfolgerin B. Es kam zu einer Spaltung und daher zu einer Gesamtrechtsnachfolge. Verträge gehen in diesem Fall auch ohne Zustimmung des Vertragspartners über. Dies gilt auch für Syndikatsverträge.

Weiters bejaht der OGH auch den Übergang des Syndikatsvertrages von B. auf die Klägerin. Die Gesellschaftsanteile gingen hier durch einen Sacheinlage-, Übertragungs- und Abtretungsvertrag auf die Klägerin über. Es lag daher keine Gesamtrechtsnachfolge vor. Der Übergang des Syndikatsvertrages kann daher nur durch Vertragsübernahme erfolgen, wofür die Zustimmung des Vertragspartners erforderlich ist. Diese Zustimmung kann jedoch auch im Vorhinein erteilt werden oder konkludent. Gegenständlich liegt keine Vinkulierung des Geschäftsanteils vor. Im Syndikatsvertrag ist geregelt, dass über die Übertragung eines Geschäftsanteils rechtzeitig zu informieren sei und die Verpflichtung besteht, den Syndikatsvertrag auch an Rechtsnachfolger zu überbinden. Daraus lässt sich laut OGH die Absicht der Parteien erkennen, dass die Parteien den Übergang des Syndikatsvertrages auf Rechtsnachfolge anstrebten. Aus den Feststellungen ist außerdem ersichtlich, dass die Nebenintervenientin zwar nicht ausdrücklich zugestimmt habe, aber kein Problem mit dem Übergang des Geschäftsanteils auf die Klägerin hatte und sogar eindeutig zu erkennen gab, dass sie daraus keine Änderung an den Rechten des Gesellschafters ableitete. Sie akzeptierte beispielsweise bis zum Streit auch die Entsendung durch die Klägerin. Die Klägerin ist laut OGH daher durch Vertragsübernahme Partei des Syndikatsvertrages geworden.

Treuwidrigkeit wegen Verletzung des Syndikatsvertrages

Zu guter Letzt hatte sich der OGH mit der Frage zu befassen, ob die Verletzung des Syndikatsvertrages eine Beschlussanfechtung rechtfertigt. Der Syndikatsvertrag bindet grundsätzlich nur die Gesellschafter und nicht die GmbH. Eine Beschlussanfechtung wegen Verletzung eines Syndikatsvertrages scheidet daher grundsätzlich aus. Jedoch kann der Syndikatsvertrag auf die Ebene der Gesellschaft in gewisser Weise durchgreifen, insbesondere bei besonderer Ausprägung der Treuepflicht bei stark personalistischer Ausrichtung einer GmbH. Dies wird in der Lehre teilweise kritisiert, teilweise aber auch bejaht. Vom BGH wird dieser Durchgriff auch bejaht. Der OGH sieht keinen Grund, die vertragswidrig überstimmten Gesellschafter auf den umständlichen Weg einer Klage gegen die Mitgesellschafter zu verweisen, um durch deren Verurteilung zu einer gegenteiligen Stimmabgabe den Beschluss aus der Welt zu schaffen.

Laut OGH besteht außerdem Einigkeit darüber, dass der Verstoß gegen einen Stimmbindungsvertrages in Sonderfällen die Anfechtbarkeit begründen kann, wenn die Stimmbindung die auch ohne den Syndikatsvertrag bestehende Treuepflicht konkretisiert. Syndikatsvertragliche Pflichten können zwar nicht schlechthin zu Treuepflichten umetikettiert werden, es können aber die Treuepflichten mittels eines omnilateralen Syndikatsvertrages konkretisiert werden. Gegenständlich konkretisiert der Syndikatsvertrag die Treuepflicht zwischen den Gesellschaftern, sofern das in der Grundsatzvereinbarung festgehaltene Verständnis der Zusammenarbeit umsetzt. Die Klägerin soll nach diesem Verständnis eine wesentlich weitergehende Einflussmöglichkeit zugewiesen werden, als ihre Beteiligungsquote vorsieht. Da die Wahl der beiden Aufsichtsmitglieder ohne vorhergehende Einigkeit über die zu wählenden Personen erfolgte, verstieß sie gegen den Syndikatsvertrag. Außerdem hat die Nebenintervenientin mit ihrer Mehrheit alle vier Aufsichtsratsmitglieder einseitig durchgesetzt. Dies verstößt gegen die Grundsatzvereinbarung und den Syndikatsvertrag. Im Vertragsverstoß liegt daher auch ein Verstoß gegen die Treuepflicht der Nebenintervenientin, weshalb die Beschlüsse für nichtig erklärt wurden.

Der Einwand der Nebenintervenientin, dass der Syndikatsvertrag gekündigt sei, lief ins Leere. Der Kündigungstermin für die ordentliche Kündigung liegt erst im Jahr 2022. Das Vorbringen zur außerordentlichen Kündigung war nicht ausreichend konkretisiert, um die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ableiten zu können.

Aus der rückwirkenden Nichtigerklärung der Beschlüsse ergibt sich außerdem, dass sämtliche seither gefassten Aufsichtsratsbeschlüsse nichtig sind – einerseits, da das zu Unrecht abberufene Aufsichtsratsmitglied nicht geladen wurde, und andererseits da aufgrund der Nichtigkeit des zweiten Wahlbeschlusses auch das Präsenzquorum des Aufsichtsrates nicht erreicht wurde (ecolex 2021/299).

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