Keine Übertragung der Geschäftsführer-Bestellungskompetenz
Die Kompetenz zur Bestellung der Geschäftsführer obliegt zwingend den Gesellschaftern.
An der gegenständlichen GmbH sind zwei Gesellschafter mit je 50% beteiligt. Im Gesellschaftsvertrag ist unter anderem Folgendes geregelt:
Vor Bestellung der Geschäftsführer ist eine Aufsichtsratssitzung abzuhalten, in der beschlossen wird, ob, und wenn ja, welche Personen als Geschäftsführer in der Generalversammlung vorgeschlagen werden. Die Gesellschafter verpflichten sich, Personen, die vom Aufsichtsrat mit mindestens einfacher Mehrheit der Kapitalvertreter des Aufsichtsrats als Geschäftsführer vorgeschlagen werden, zu Geschäftsführern der Gesellschaft zu bestellen.
Der Aufsichtsrat empfahl in einer Sitzung, den Kläger für weitere zwei Jahre als Geschäftsführer zu bestellen. Der zweite Gesellschafter stimmte jedoch in der darauffolgenden Generalversammlung gegen die Bestellung, weshalb kein Beschluss zustande kam. Der Kläger brachte eine Feststellungsklage ein und begehrte die Feststellung, dass er für weitere zwei Jahre zum Geschäftsführer bestellt sei. Der Mitgesellschafter sei aufgrund des gesellschaftsvertraglichen Stimmgebotes verpflichtet gewesen, für seine Bestellung zu stimmen. Gegen gesetzliche oder gesellschaftsvertragliche Stimmverbote verstoßende Stimmabgaben seien ungültig. Deshalb seien die gegen das Stimmgebot abgegebenen Stimmen der Nebenintervenienten ungültig und nicht mitzuzählen. Der Beschlussvorschlag sei daher einstimmig mit den Stimmen der Kläger angenommen worden.
Der Mitgesellschafter, welcher als Nebenintervenient beitrat, brachte vor, die Regelung des Gesellschaftsvertrags verschiebe die Kompetenz zur Bestellung des Geschäftsführers von der Generalversammlung zum Aufsichtsrat. Darin liege ein Verstoß gegen die zwingende Bestimmung des § 15 Abs 1 GmbHG. Die Regelung in der Satzung sei daher nichtig, die Nebenintervenienten seien nicht verpflichtet gewesen, dem Beschlussantrag zuzustimmen. Sie seien auch keinem Stimmverbot unterlegen. Ihre Stimmabgaben seien wirksam; der Beschluss auf Wiederbestellung des Zweitklägers als Geschäftsführer sei nicht zustande gekommen.
Sowohl die Unterinstanzen als auch der OGH folgten der Ansicht des Nebenintervenienten. Der OGH befasste sich vertiefend mit der herrschenden Lehrmeinung, dass § 15 Abs 1 Satz 3 GmbHG, wonach die Bestellung zum Geschäftsführer durch Beschluss der Gesellschafter erfolgt, so auszulegen sei, dass die Übertragung dieser Kompetenz von der Generalversammlung auf ein anderes Gesellschaftsorgan durch den Gesellschaftsvertrag unzulässig sei. Der zwingende Charakter der Bestellungskompetenz der Gesellschafter wird im Weg der historischen und teleologischen Interpretation hergeleitet.
Dies gilt auch für ein die Gesellschafter bindendes Nominierungsrecht des Aufsichtsrats. Entscheidend ist hier die der gesetzlichen Wertung des § 15 Abs 1 Satz 3 GmbHG widersprechende Ausgestaltung der Verbandsverfassung, die die zwingend den Gesellschaftern zugewiesene Entscheidungsbefugnis im Kern dem Aufsichtsrat überträgt.
Darüber hinaus hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 6 Ob 92/07h klargestellt, dass die Funktion der Gesellschafterversammlung als oberstes Organ dafür spricht, ihre Kompetenz zur Bestellung des Leitungsorgans (im Zweifel) als unabdingbar anzusehen. Dieser Wertung kommt laut OGH nach wie vor entscheidendes Gewicht zu, zumal der Gesetzgeber auf die Entscheidung 6 Ob 92/07h lediglich mit einer auf Praktikabilitätserwägungen gestützten Novelle des Genossenschaftsrechts, nicht aber mit einer Änderung des GmbHG reagierte.
Nach deutscher Rechtslage (§ 46 Nr 5 dGmbHG) kommt die Kompetenz zur Bestellung und zur Abberufung von Geschäftsführern sowie zur Entlastung derselben den Gesellschaftern zu. Die Lehre erachtet eine Übertragung der Bestellungskompetenz der Gesellschafterversammlung der GmbH auf den Aufsichtsrat durchwegs als unbedenklich. Diese Ansicht kann jedoch nicht auf die österreichische Rechtslage übertragen werden. § 45 Abs 2 dGmbHG ordnet nämlich ausdrücklich an, dass die Vorschriften der §§ 46 bis 51 dGmbHG (nur) in Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags Anwendung finden. Damit besteht – im Gegensatz zur österreichischen Rechtslage – eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage, aus der sich der dispositive Charakter der Bestellungskompetenz der Gesellschafterversammlung ergibt.
Zur deutschen Rechtslage vgl auch BGH 14.5.2019, II ZR 299/17.