Gefährliche Erfindung und wie man eine GesbR liquidiert

Gefährliche Erfindung und wie man eine GesbR liquidiert

Kommt es zur Liquidation einer GesbR, so können Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis nur nach Maßgabe des Liquidationszweckes isoliert geltend gemacht werden, sonst fließen sie als unselbständige Rechnungsposten in eine kontokorrentähnliche Gesamtabrechnung ein. Das bedeutet, dass eine Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Gesellschaftsverhältnis nur zulässig ist, wenn und soweit dies für die Liquidation erforderlich ist.

Ausgangslage

Die Klägerin ist ein Handelsunternehmen in Form einer GmbH. Ihr Geschäftsführer ging eine Kooperation mit dem Beklagten, einem Erfinder, ein. Dieser hat einen Flaschenverschluss erfunden, welcher auch als Gebrauchsmuster und Unions-(wort-)marke eingetragen sowie zum Patent angemeldet wurde. Gebrauchsmuster, Wortmarken sowie Patente stellen Immaterialgüterrechte dar, die auch übertragen werden können.

Die Kooperation erfolgte zum Zweck der gemeinsamen Entwicklung, Produktion und zum Vertrieb der Flaschenverschlüsse. Nach Auftreten von Unstimmigkeiten zwischen den Streitteilen beendete der beklagte Erfinder mit Schreiben die Kooperation. Bereits zuvor ersetzte er die Kontaktdaten der Klägerin auf der Website der Flaschenverschlüsse durch seine eigenen und deaktivierte das E-Mail-Konto der Klägerin ohne deren Zustimmung.

Die Klägerin behauptete, dass die bisherige Zusammenarbeit als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu qualifizieren sei (GesbR), in der die Immaterialgüterrechte eingebracht worden seien, und begehrte nun

  1. die Feststellung des Bestehens einer GesbR zwischen den Streitteilen;
  2. in eventu die Feststellung, die GesbR sei infolge der Kündigung durch den Beklagten aufgelöst;
  3. die Feststellung, der Beklagte dürfe die zur Eintragung angemeldeten Immaterialgüterrechte nur mit Zustimmung der Klägerin verwerten;
  4. den Beklagten zu Änderungen an der Website und
  5. zur Reaktivierung des E-Mail-Kontos zu verpflichten.

Der beklagte Erfinder wandte ein, dass die Kooperation lediglich zwischen ihm und dem Geschäftsführer der Klägerin bestanden habe – also nicht in Form einer GesbR – und insofern der Klägerin die Aktivlegitimation fehle. Auch wenn eine GesbR bestanden hätte, hätte der Beklagte mit seinem Schreiben an die Klägerin diese ordentlich gekündigt.

Erstgericht

Das Erstgericht wies das erste Klagebegehren auf Feststellung des Bestehens einer GesbR ab und gab allen übrigen statt. Zwischen den Streitteilen sei eine GesbR zustande gekommen, die jedoch wirksam durch den Beklagten gekündigt worden sei. Trotz Kündigung bestünden die gesellschaftsvertraglichen Rechte und Pflichten der Gesellschafter zueinander insoweit fort, als dies für die Liquidation der GesbR erforderlich sei. Die Streitteile hätten somit keinen Anspruch auf Rückgabe der von ihnen in die GesbR eingebrachten Sachen (in diesem Fall die Immaterialgüterrechte im Zusammenhang mit dem Flaschenverschluss), weil diese in die Liquidationsmasse fielen und somit nur einvernehmlich verwertet werden könnten.

Die Änderung der Kontaktdaten sowie die Deaktivierung des E-Mail-Kontos verstoße gegen die Treuepflicht, weil die Verwertung der Immaterialgüterrechte bzw des Produktes somit ausschließlich von der Beklagten abhängig sei.

Berufungsgericht

Das Berufungsgericht gab der vom beklagten Erfinder erhobenen Berufung statt, wies die Begehren zur Verwertung der Immaterialgüterrechte, zur Änderung der Angaben auf der Website und zur Reaktivierung des E-Mail-Kontos mit Teilurteil ab und hob die Entscheidung zur Feststellung der Auflösung der GesbR mit Beschluss auf. Die Klägerin habe ihre Begehren zur Verwertung, Angabe auf der Website und Reaktivierung des E-Mail-Kontos auf das aufrechte Bestehen einer GesbR gestützt und sei nicht darauf eingegangen, dass die Beklagte auch im Stadium der Liquidation zu diesen Handlungen oder Unterlassungen verpflichtet wäre, weshalb diese Begehren abzuweisen seien. Ob überhaupt eine GesbR bestanden habe, könne auf Basis des Sachverhaltes nicht beurteilt werden. Das Urteil sei daher in diesem Umfang aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Verfahren beim OGH

Gegen diese Entscheidung richtete sich der Rekurs und die Revision der Klägerin mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen, oder hilfsweise die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufzuheben. Ein Rekurs ist ein Rechtsmittel, mit welchem die unterliegende Partei gegen Beschlüsse des Gerichtes vorgehen kann. Die Revision wiederum ist das Rechtsmittel, das gegen Urteile der zweiten Instanz eingelegt werden kann.

Zum Rekurs: Diesen stufte der OGH als unzulässig ein, da gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes ein Rekurs nur zulässig ist, wenn das Berufungsgericht diesen ausdrücklich zulässt (Zulassungsausspruch; § 519 Abs 1 Z 2 ZPO), was in diesem Fall das Berufungsgericht nicht gemacht hat.

Zur Revision: Diese ließ der OGH zu, weil sie zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und auch im Sinn des Aufhebungsantrages berechtigt ist. Die Beendigung einer GesbR erfolgt in zwei Schritten. Wenn Umstände vorliegen, die zu einer Beendigung führen (zB Kündigung der GesbR durch einen Gesellschafter), ist die GesbR noch nicht beendet, sondern besteht im Stadium der Abwicklung (Liquidation) fort. Es muss also strikt zwischen der Auflösung der GesbR (§§ 1208 bis 1216 ABGB) und der Liquidation (§§ 1216a bis 1216e ABGB) unterschieden werden. In der Phase der Liquidation wird zunächst das Gesellschaftsvermögen verwertet und anschließend der Überschuss (Liquidationserlös) aufgeteilt.

Ebenfalls zur Liquidation gehört die Einziehung der Forderungen der Gesellschaft, die auch Forderungen gegenüber Gesellschaftern einschließt. Solche Forderungen können beispielsweise die Herausgabe von Vermögensgegenständen der Gesellschaft sein. In der Liquidation können Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis (= Sozialansprüche) nur nach Maßgabe des Liquidationszweckes isoliert geltend gemacht werden, sonst fließen sie als unselbständige Rechnungsposten in eine kontokorrentähnliche Gesamtabrechnung ein. Unter Sozialansprüchen versteht man Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis, welche die Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter oder umgekehrt haben. Typischerweise sind dies das Recht auf Beteiligung am Gewinn oder Liquidationserlös, aber auch Stimm- und Kontrollrechte des Gesellschafters.

Das bedeutet zusammengefasst, dass eine Geltendmachung von Sozialansprüchen nur zulässig ist, wenn und soweit dies für die Liquidation erforderlich ist. Anderenfalls sind sie in der Schlussabrechnung als Rechnungsposten zu berücksichtigen, womit sie nur im Wege der Gesamtabrechnung geltend gemacht werden können.

Die Beweislast dafür, dass die Forderung für den Abwicklungszweck nicht erforderlich wäre, trägt der Gesellschafter, der die Forderung ablehnen will, in unserem Fall der beklagte Erfinder.

Der innere Ausgleich zwischen den Gesellschaftern zählt nicht mehr zur Liquidation, weil er im Prozessweg oder einvernehmlich erfolgt. Der OGH stufte die Begehren der Klägerin nicht als zum inneren Ausgleich gehörend ein, weil es dabei noch nicht um die Verteilung des Liquidationserlöses geht. Deswegen ist die Geltendmachung der behaupteten Sozialansprüche zulässig.

Der OGH widersprach auch der Ansicht des Berufungsgerichtes, dass das Klagebegehren sich nur auf das aufrechte GesbR-Verhältnis beziehe. Die Klägerin geht in ihrem Eventualbegehren ausdrücklich von der Kündigung der GesbR aus, weswegen die weiteren Begehren sonst „sinnwidrig“ wären, wenn sie nicht auch an die Liquidation gedacht hätte. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes ist daher korrekturbedürftig.

Die Abweisung der Klagebegehren zur Verwertung, Änderung der Website und Reaktivierung des E-Mail-Kontos erfolgte daher zu Unrecht. Der OGH kann jedoch nicht beurteilen, ob die Begehren inhaltlich berechtigt sind, da nicht abschließend geklärt ist, ob überhaupt eine GesbR zwischen den Streitteilen bestand.

Der OGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.

Dieser Fall zeigt, dass auch Gerichte sich uneinig sein können und ein „Hin und Her“ bis zum OGH keine Seltenheit ist. Ein Rechtsmittel ist daher auch immer eine gewisse Wundertüte – was die Arbeit für AnwältInnen nicht leicht, dafür aber zugegebenermaßen stets spannend macht. 😊

Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.

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