Bestellung eines Notgeschäftsführers auf Antrag Dritter

Bestellung eines Notgeschäftsführers auf Antrag Dritter

Einen Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers können auch Dritte (Gesellschaftsexterne) stellen. Voraussetzung für die Bestellung ist das Vorliegen eines Vertretungsmangels und Dringlichkeit.

Sachverhalt

Eine Eigentümergemeinschaft behauptete von ihrer früheren Hausverwaltungs-Gesellschaft (HV-Gesellschaft) rechtswidrig und schuldhaft geschädigt worden zu sein. Deshalb beabsichtigte die Eigentümergemeinschaft die HV-Gesellschaft zum Ersatz der verursachten Schäden in Anspruch zu nehmen. Der alleinige Geschäftsführer (und Gesellschafter) der HV-Gesellschaft hätte jedoch im Juni 2023 einen Schlaganfall erlitten. Der Eigentümergemeinschaft zufolge wäre der Geschäftsführer daher nicht in der Lage, die Gesellschaft zu vertreten. Die Eigentümergemeinschaft beantragte am 2.8.2023, vertreten durch ihre neue Hausverwaltung, die Bestellung eines Notgeschäftsführers für die HV-Gesellschaft.

Der anwaltliche Vertreter des Geschäftsführers und der HV-Gesellschaft äußerte sich telefonisch zum Antrag und behauptete, dass der Geschäftsführer durchaus in der Lage sei, die Gesellschaft zu vertreten. Daraufhin brachte die Eigentümergemeinschaft vor, dass der Geschäftsführer und die HV-Gesellschaft bis zum heutigen Tag keine Stellungnahme zur Schadenersatzforderung abgegeben hätten, weswegen es an der Fähigkeit des Geschäftsführers mangle, seine Organfunktion dauerhaft wahrzunehmen. Die Eigentümergemeinschaft übermittelte am 24.5.2023 ein Forderungsschreiben an die HV-Gesellschaft. Der Rechtsvertreter des Geschäftsführers teilte jedoch mit, dass der Geschäftsführer sich bis 7.6.2023 im Krankenstand befinde. Dies wäre jedoch der Eigentümergemeinschaft zufolge ein ausreichend langer und immer noch andauernder Vertretungsmangel. Konfrontiert mit diesem Vorbringen legte der Rechtsvertreter der HV-Gesellschaft und des Geschäftsführers am 19.9.2023 wiederum vor, dass der Geschäftsführer erst ab 4.9.2023 halbtägig arbeitsfähig war.

Das Erstgericht forderte mit Beschluss vom 11.11.2023 die HV-Gesellschaft auf, zum Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers Stellung zu beziehen. Da dies unterblieb, bestellte das Erstgericht eine Notgeschäftsführerin für die Zeit bis zur Behebung des Mangels (gemeint war damit die Dauer der Arbeitsunfähigkeit in Folge des Schlaganfalles im Juni 2023).

Gegen diese Entscheidung wendete sich der Rekurs der Gesellschaft mit dem Antrag die Entscheidung des Erstgerichtes abzuweisen.

Oberlandesgericht

Das OLG Innsbruck stellte fest, dass es grundsätzlich richtig sei, dass das Firmenbuchgericht nach § 15a Abs 1 GmbHG in dringenden Fällen auf Antrag eines Beteiligten für die Zeit bis zur Behebung eines Vertretungs-Mangels einen Notgeschäftsführer bestellen kann. Antragslegitimiert sind dabei sogenannte „Beteiligte“. Dies ist grundsätzlich jeder, der ein Interesse an der ordnungsgemäßen Organzusammensetzung geltend machen kann. Das sind jedenfalls Gesellschafter und Gesellschaftsorgane, aber auch Dritte, die einen gegen die Gesellschaft durchzusetzenden Anspruch behaupten – also Gläubiger, die einen Anspruch gegen die Gesellschaft durchsetzen wollen.

Im Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers müssen grundsätzlich die Bestellungsvoraussetzungen behauptet und bescheinigt werden. Es muss also konkret behauptet und bescheinigt werden, welcher Anspruch gegen die Gesellschaft besteht und warum dieser nicht zeitgerecht durchsetzbar oder ausübbar ist.

Essenziell für die Bestellung eines Notgeschäftsführers ist es daher, dass einerseits ein Vertretungsmangel vorliegt und andererseits eine Dringlichkeit an der Beseitigung dieses Zustandes besteht. Beide Voraussetzungen müssen nach herrschender Auffassung kumulativ vorliegen.

Ein Vertretungsmangel liegt vor, wenn der Gesellschaft weder durch ihre Geschäftsführer noch in gemischter Gesamtvertretung mit Prokuristen vertreten werden kann oder einzelne Geschäftsführer aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen generell oder im Einzelfall konkret nicht handeln können und auch kein Aufsichtsrat besteht, der die Agenden des Geschäftsführers übernehmen könnte (zB § 30l Abs 1 und 2 GmbHG). Die herrschende Auffassung unterscheidet dabei in einerseits formelles Fehlen der Vertretung und andererseits faktisches Fehlen der Vertretung:

Formelles Fehlen der Vertretung liegt insbesondere bei dauerhaftem Verlust der Geschäftsfähigkeit und bei Bestellung eines Erwachsenenvertreters vor. Letzteres wurde von der Eigentümergemeinschaft nicht behauptet und auch nicht bescheinigt. Die Geschäftsunfähigkeit wurde zumindest schlüssig behauptet, konnte aber nicht bescheinigt werden, insbesondere, weil ab 4.9.2023 wieder halbtägige Arbeitsfähigkeit des Geschäftsführers gegeben war.

Faktisches Fehlen der Vertretung wiederum liegt dann vor, wenn der Geschäftsführer die Amtsfähigkeit nicht bloß in einem einzigen Fall ablehnt, sondern vollständig verweigert. Dies ist essenziell, da sonst die Notgeschäftsführerbestellung dazu missbraucht werden könnte, einzelne Rechtshandlungen der Gesellschaft unter Umgehung der Gesellschaftsstruktur durch (gar auf Antrag Dritter) gerichtsbestellte Notgeschäftsführer zu erzwingen. Die Prüfung von Geschäftsführerentscheidungen obliegt nämlich nicht dem Firmenbuchgericht im Umweg des § 15a GmbHG, sondern der Gesellschafterversammlung durch Weisungen oder Abberufung des Geschäftsführers.

Die Eigentümergemeinschaft bescheinigt zwar ihre Beteiligtenstellung (sprich ihre Legitimation zur Beantragung eines Notgeschäftsführers) dadurch, dass sie eine Schadenersatzforderung gegen die HV-Gesellschaft geltend machen will, aber noch nicht die Antrags- und Bewilligungsvoraussetzungen des Vertretungsmangels (und der Dringlichkeit). Denn würde der Geschäftsführer einzelne Vertretungshandlungen ablehnen, so müsste die Eigentümergemeinschaft Klage gegen die HV-Gesellschaft erheben. Eine vollständige Verweigerung der Amtstätigkeit im Sinne des faktischen Fehlens der Vertretung wird damit jedoch weder behauptet noch bescheinigt.

Auch fehlt es an der notwendigen Dringlichkeit. Diese ist nämlich dann zu verneinen, wenn ein Prozesskurator bestellt wurde, ein solcher bestellt werden könnte oder bereits ein Rechtsanwalt beauftragt ist. Da im vorliegenden Fall bereits ein Rechtsanwalt eingeschritten ist, besteht keine Dringlichkeit. Eine drohende Anspruchsverjährung kann ebenso eine Dringlichkeit begründen. Diese wurde aber von der Eigentümergemeinschaft weder behauptet noch bescheinigt.

Die Entscheidung des Erstgerichtes war daher hin zur Antragsabweisung abzuändern.

Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick

  • Auch Dritte (gesellschaftsfremde) können bei Gericht die Bestellung eines Notgeschäftsführers beantragen. Dazu müssen sie ihre „Beteiligtenstellung“ behaupten und bescheinigen.
  • Voraussetzung für die Bestellung eines Notgeschäftsführers ist (1.) das Vorliegen eines Vertretungsmangels (entweder formelles oder faktisches Fehlen der Vertretung) und (2.) Dringlichkeit.
  • Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen und im Antrag behauptet und bescheinigt werden.

Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.

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