Optionsvertrag und laesio enormis
Optionsverträge können wegen laesio enormis angefochten werden. In gewissen gesellschaftsrechtlichen Konstellationen kann es zu Einschränkungen kommen. Die 3-jährige Verjährungsfrist für die Anfechtung des im Optionsvertrag in Aussicht genommenen Hauptvertrags wegen laesio enormis läuft mit objektiver Möglichkeit der Geltendmachung und nicht erst mit der Ausübung der Option.
Sachverhalt
Gegenständlich handelt es sich zwar um eine Entscheidung zu einem Liegenschaftsoptionsvertrag. Diese ist jedoch auch interessant für Optionsverträge über Geschäftsanteile.
Kläger und Beklagte schlossen am 5. Februar 2009 einen Optionsvertrag über eine Liegenschaft ab. Darin war ein Kaufpreis von EUR 60.000 zzgl Wertsicherung vorgesehen. Der Kläger übte in der am 21. Juni 2018 eingebrachten (und der Beklagten am 28. Juni 2018 zugestellten) Klage sein Optionsrecht aus. Der Verkehrswert der Liegenschaft betrug im Februar 2009 EUR 130.000 und im April/Juni 2018 mit Gebäude EUR 250.000 und ohne Gebäude EUR 285.000 . Dass der Beklagten bei Abschluss des Optionsvertrags der Wert der Liegenschaft bekannt war, konnte nicht festgestellt werden.
Er begehrte als Hauptbegehren die Eigentumsübertragung gegen Zahlung eines Kaufpreis von EUR 60.000 zzgl Wertsicherung. In den Eventualbegehren änderte er den zu zahlenden Kaufpreis ab: 1. den halben Verkehrswert zum Zeitpunkt Februar 2009, somit 65.000 EUR zgl Wertsicherung; oder 2. den Verkehrswert vom Zeitpunkt Februar 2009, somit EUR 130.000 zzgl Wertsicherung; oder 3. sofern der laesio enormis-Anfechtung der Beklagten Folge gegeben wird, zum Kaufpreis entsprechend dem Verkehrswert von EUR 250.000; oder 4. sofern der laesio enormis-Anfechtung der Beklagten Folge gegeben wird und der Verkehrswert EUR 285.000 beträgt, zum Kaufpreis von EUR 285.000
Zum Optionsvertrag allgemein
Die Option ist ein Vertrag, durch den eine Partei das Recht erhält, ein inhaltlich bereits festgelegtes Schuldverhältnis durch einseitige Erklärung in Geltung zu setzen (RS0115633; RS0017078 [T2]; RS0019191 [T3]). Sie gewährt also ein Gestaltungsrecht (RS0115633). Anders als der Vorvertrag gibt sie nicht bloß ein Recht auf Abschluss eines Hauptvertrags; ihre Ausübung begründet schon unmittelbar die vertraglichen Pflichten (RS0115633; vgl RS0019140). Die Stellung des Optionsberechtigten entspricht hinsichtlich des Hauptvertrags der eines Offertempfängers; auch der Letztere hat nämlich ein rechtsbegründendes Gestaltungsrecht, weil es von seinem einseitigen Willensentschluss abhängt, ob der Vertrag zustande kommt oder nicht (RS0115633; vgl auch RS0017078 [T5]).
Die Option wird daher auch als „Angebot mit verlängerter Bindungswirkung“ bezeichnet (Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 Rz 457; Beclin in Fenyves/Kerschner/VonkilchRiedler in Schwimann/Kodek, ABGB5J. Noll, Der Optionsvertrag im Lichte der Ökonomie, AnwBl 2002, 506 [510]). Dennoch unterscheiden sich diese Rechtsinstitute, weil die Einräumung einer Option nicht – wie beim Angebot – durch einseitige Erklärung, sondern durch Vertrag erfolgt. Der Inhalt des durch Ausübung des Optionsrechts in Kraft gesetzten Vertrags wurde bereits durch Vereinbarung festgelegt, während der Inhalt des Angebots allein vom Anbietenden bestimmt wird (Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB5 Mit dem Optionsvertrag ist das Rechtsgeschäft jedenfalls bereits inhaltlich fixiert und wird erst mit der Ausübung der Option wirksam (Krejci, Optionsausübung und laesio enormis insbesondere bei gesellschaftsrechtlichen Aufgriffsrechten, in FS Koziol [2010] 215 [217]).
Zur Entgeltlichkeit
Die Entgeltlichkeit spielt bei der Frage der Formbedürftigkeit des Optionsvertrags und der Anfechtbarkeit wegen laesio enormis eine Rolle. Schenkungen ohne wirkliche Übergabe bedürfen
Ob eine Schenkung vorliegt oder nicht, kann nicht allein danach beurteilt werden, dass der Empfänger des Vermögenswerts mangels Erbringung einer Gegenleistung objektiv in seinem Vermögen bereichert ist, vielmehr musste auch das Einverständnis der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit der Vermögensverschiebung vorhanden sein, welches ausdrücklich oder schlüssig erklärt worden sein muss (RS0018795; RS0018818). Der Kläger brachte bereits in erster Instanz vor, dass der Optionsvertrag der Absicherung der Investition des Klägers (Umwidmung der Liegenschaft und Errichtung der Werkshalle) für den Fall der Beendigung der Lebensgemeinschaft diene. Das Erstgericht ging auf der Tatsachenebene davon aus, dass die Kosten der Errichtung der Werkshalle ausschließlich vom Kläger getragen wurden, und stellte fest, dass der Nebenintervenient zwei Alternativen zur Diskussion stellte, nämlich entweder die Ablöse für die Halle oder die Möglichkeit, dass der Kläger die Liegenschaft erwerben kann. Ausgehend von dieser Tatsachengrundlage kann von einer – für die Annahme einer Schenkung erforderlichen – Zuwendung aus Freigiebigkeit keine Rede sein.
Eine formbedürftige Schenkung liegt daher nicht vor. Die Ausübung des Optionsrechts durch den Kläger scheitert also nicht daran, dass die Einräumung des Optionsrechts nicht in der von § 1 Abs 1 lit d NotAktsG vorgesehenen Notariatsaktsform erfolgte.
Laesio enormis
Hat bei zweiseitig verbindlichen Geschäften ein Teil nicht einmal die Hälfte dessen, was er dem andern gegeben hat, von diesem am gemeinen Wert erhalten, so räumt das Gesetz dem verletzten Teile das Recht ein, die Aufhebung des Vertrags10 Ob 3/21w ErwGr 3.2 mwN).
Das Missverhältnis des Werts wird nach der ausdrücklichen Anordnung des GesetzesFrüher herrschte überdies die Auffassung, dass Optionsverträge nicht wegen laesio enormis anfechtbar seien (Krejci, FS Koziol 216). In neuerer Zeit wird die Anfechtbarkeit von Optionsverträgen wegen laesio enormis im Grundsatz bejaht, wobei jedoch gerade in der neueren Literatur hier Einschränkungen vorgenommen werden:
So wird darauf hingewiesen, dass das Rechtsinstitut der laesio enormis ein klares synallagmatisches Verhältnis vor Augen habe und daher in gesellschaftsrechtlichen Konstellationen zumeist nicht passe (WimmerReich-Rohrwig, Abtretungsanbote für GmbH-Geschäftsanteile – Steuerjudikatur und Gesellschaftsrecht, wbl 1987, 229 [235]; Karollus, NZ 1995, 193 [199]; Kalss, Die mangelnde Anwendbarkeit der laesio enormis auf einen Aufgriffspreis im Gesellschaftsvertrag eines Familienunternehmens, GesRZ 2013, 244 [246 ff]; Torggler, Gestaltungsfreiheit bei der GmbH, GesRZ 2010, 185 [191]).
Nach Wimmer sei sei dies bei Optionsverträgen im Liegenschaftsverkehr oder in gesellschaftsrechtlichen Konstellationen nicht immer der Fall (unter Hinweis auf 4 Ob 147/01y [Kauf einer Ordination samt Patientenstock] und 1 Ob 157/02y [Unternehmenskauf]). Hierbei sei stets im Einzelfall zu prüfen, ob das aleatorische Element derart stark ausgeprägt sei, dass es eine maßgebliche Rolle im Vertrag einnehme bzw sogar dessen Hauptzweck darstelle.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Wertrelationen
Der Einwand der Beklagten bezieht sich nach ihrem Vorbringen nicht auf den Optionsvertrag, sondern auf den in Aussicht gestellten Kaufvertrag, insbesondere stützt sie sich – auch noch in der Revisionsbeantwortung – nur auf ein Missverhältnis der darin vereinbarten Leistungen (60.000 EUR zuzüglich Wertsicherung einerseits und Liegenschaft andererseits).
Daher ist der Wert einer gekauften Sache nach ständiger Rechtsprechung abgestellt auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses festzustellen (Bei Optionen ist zwischen dem Optionsvertrag selbst und dem durch Ausübung der Option zustandegekommenen Rechtsgeschäft zu unterscheiden (F. Bydlinski in FS Georgiades 62). Ist für die Option daher um die Äquivalenzverhältnisse im durch die Ausübung der Option zustande gekommenen Hauptvertrag (F. Bydlinski in FS Georgiades 63).
Der OGH hatte daher die Frage zu klären, ob im letzteren Fall, wenn für die Option kein besonderes Entgelt bedungen wurde, für die Prüfung der Wertrelationen auf den Zeitpunkt der Einräumung der Option oder auf denjenigen der Ausübung der Option abzustellen ist. Er entschied sich für den Einräumungszeitpunkt.
Krejci in FS Koziol 227). Es geht um die Möglichkeit, eine vorweg vereinbarte Inäquivalenz der Leistungswerte zu bekämpfen. Wenn es das Institut der laesio enormis zulässt, dass sich jemand von Anfang an unbedingt zur Übernahme des Risikos späterer Wertentwicklungen verpflichtet, ist nicht zu sehen, warum eine derartige Risikoübernahme nicht auch möglich sein soll, wenn das Risiko nur bedingt schlagend wird: Ist schon die unbedingte Risikotragung zulässig, muss es die bedingte erst recht sein. Beim optierten Vertrag geht es nicht um eine neu zu beurteilende Wertrelation, sondern um das Schlagendwerden eines im Optionsvertrag bereits übernommenen Risikos späterer Wertentwicklung (Krejci in FS Koziol 229).
laesio enormis geht es nicht um die Abwehr eines zukünftigen Übels, sondern um eines, das von Anfang an besteht (Das Wertentwicklungsrisiko ist bei Optionen geradezu geschäftstypisch. Das Abstellen auf den Zeitpunkt der OptionsausübungKrejci in FS Koziol 227).
Wegfall der Geschäftsgrundlage
Nach Auffassung zahlreicher Autoren, die bei der Anfechtung einer Option wegen laesio enormis auf den Einräumungszeitpunkt abstellen, ist eine Anfechtung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage möglich, wenn durch Folgeentwicklungen eine massive Störung in den ursprünglichen
.RS0017498). Wesentlicher Vertragszweck kann hiebei auch die Höhe der zu erbringenden Gegenleistung sein (RS0017498).
geworden ist (nachfolgenden Wertentwicklung ausreichendes Gewicht zukommt, um als Wegfall der Geschäftsgrundlage qualifiziert werden zu können. WinnerWinner, Wert und Preis 185; Krejci, FS Koziol 215 [225 ff]; Wimmer, ecolex 2020, 120; aA Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4
Eine – nach diesen Grundsätzen allenfalls mögliche – Anfechtung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist im vorliegenden Fall jedenfalls nicht gegeben, weil eine entsprechend massive und unvorhersehbare Wertveränderung hier nicht vorliegt.
Verjährung
Das Recht, einen entgeltlichen Vertrag wegen Verkürzung
. Der verstärkte Senat hat folgende Rechtssätze erlassen:Für die Prüfung des Wertverhältnisses
den Zeitpunkt der Bindung des Verkürzten an seine Erklärung abzustellen, mit der er dem Optionsberechtigten das Optionsrecht einräumt; bei Zusammenfallen von Angebot und Annahme ist daher der Zeitpunkt der Einräumung des Optionsrechts maßgeblich.Die Verjährungsfrist für die Anfechtung des im Optionsvertrag in Aussicht genommenen Hauptvertrags wegen laesio enormis läuft mit objektiver Möglichkeit der Geltendmachung; die Ungewissheit, ob und wann der Optionsberechtigte von seinem Optionsrecht Gebrauch macht, hat auf Beginn und Lauf der Verjährungsfrist keinen Einfluss. Nach Ablauf der Frist kann auch keine Einrede mehr erhoben werden.
Da der Einwand der laesio enormis hier unstrittig mehr als drei Jahre nach Einräumung des Optionsrechts erhoben wurde, ist er verjährt.