Muss ein Umlaufbeschluss schnell gefasst werden?
Ist ein Umlaufbeschluss wirksam zustande gekommen, auch wenn das Umlaufverfahren sieben Monate dauerte. Oder dauerte es doch nur einen Tag? Am Ende des Beitrages finden Sie zwei Empfehlungen mit Textvorschlägen.
Sachverhalt (vereinfacht)
Zwei Gesellschafter sind mit je 50% an einer GmbH beteiligt. Beide sind Geschäftsführer, und zwar nur gemeinsam vertretungsbefugt – eine Pattsituation in reinster Ausprägung. Es tobt seit Jahren ein unerbittlicher Gesellschafterstreit auf allen nur möglichen Ebenen. Mehrere Klagen sind gerichtsanhängig. Immer, wenn die GmbH Klägerin oder Beklagte ist, wird für sie ein Kurator beziehungsweise eine Kuratorin bestellt, weil die GmbH von ihren zwei streitenden Geschäftsführern nicht vertreten werden kann, da diese nur gemeinsam vertretungsbefugt sind und sich nie einigen können.
Im nun zu beschreibenden Fall ging es darum, dass beide Gesellschafter noch vor Ausbruch des Gesellschafterstreites von der GmbH Darlehen erhalten haben, die gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen. Es liegt in der Natur der Sache, dass seit Ausbruch des Gesellschafterstreites beide Gesellschafter als Geschäftsführer vom jeweils anderen Gesellschafter die Rückzahlung des Darlehens an die GmbH verlangen.
Immer wieder wurden Vergleichsgespräche geführt. Bei einem dieser Vergleichsgespräche wurde in Auge gefasst – aber noch nicht beschlossen – die wegen des Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr nichtigen Darlehen zu beseitigen, indem zunächst ein Gewinnausschüttungsbeschluss gefasst werden sollte. In der Folge sollte die GmbH den beschlossenen Gewinn nicht tatsächlich ausschütten, sondern mit ihren Darlehensforderungen gegen die Gewinnansprüche aufrechnen.
Daraufhin sandte ein Gesellschafter dem anderen einen Entwurf eines Umlaufbeschlusses (1. Entwurf), den er selbst noch nicht unterfertigt hatte, weil er erst die Unterschrift des anderen Gesellschafters abwarten wollte. Dieser Entwurf sah vor, dass ein Gewinn in der Höhe der zwei Darlehen (zuzüglich Zinsen) ausgeschüttet werde. Der restliche Gewinn sollte auf neue Rechnung vorgetragen werden. Der andere Gesellschafter unterfertigte diesen Umlaufbeschluss und sandte ihn noch am selben Tag zurück, setzte aber einen handschriftlichen Widerspruch darauf, weil er eine Vollausschüttung wollte. Der Widerspruch bezog sich nicht auf die Gewinnausschüttung im Ausmaß der Darlehen (zuzüglich Zinsen), sondern nur auf die mangelnde Vollausschüttung.
Der Gesellschafter, der den Umlaufbeschluss entworfen hatte, akzeptierte das nicht, unterschrieb diesen 1. Entwurf (zunächst) nicht und kommunizierte, er gehe davon aus, dass kein Gewinnausschüttungsbeschluss zustande gekommen sei. Am nächsten Tag übermittelte er nochmals seinen (identen) Entwurf des Umlaufbeschlusses (2. Entwurf) und bot dem anderen Gesellschafter an, diesen nun vorbehaltslos zu unterfertigen. Das machte dieser aber nicht.
Es gab also zwei Entwürfe, der 1. Entwurf wurde nur von einem Gesellschafter mit einem Widerspruch in Bezug auf die mangelnde Vollausschüttung unterfertigt, der 2. Entwurf wurde von keinem Gesellschafter unterfertigt.
Jener Gesellschafter, der den 1. Entwurf des Umlaufbeschlusses unterfertigt hatte, ging davon aus, dass dieser mangels Unterschrift des zweiten Gesellschafters nicht zustande kam, zumal der zweite Gesellschafter als Geschäftsführer die Rückzahlung des nichtigen Darlehens weiter forderte – sogar mit Klageandrohung. Deswegen bezahlte jener Gesellschafter, der den 1. Entwurf des Umlaufbeschlusses unterfertigt hatte, sein Darlehen mit Zinsen zurück.
Der andere Gesellschafter tat dies nicht. Jedoch unterfertigte er über einen Monat später den 1. Entwurf des Umlaufbeschlusses trotz des darauf angebrachten Widerspruches doch, informierte aber niemanden darüber. Sieben Monate später, als für die GmbH ein Kurator bestellt wurde, um für die GmbH das noch ausständige Darlehen (wegen Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr) einzuklagen, schickte der Gesellschafter, der den 1. Entwurf des Umlaufbeschlusses ursprünglich nicht unterfertigt hatte, den nun unterschriebenen Umlaufbeschluss an den Kurator sowie an seinen Mitgesellschafter. Der Mitgesellschafter brachte gegen den Umlaufbeschluss gemäß 228 ZPO Klage auf Feststellung ein, dass dieser unwirksam sei. Als Eventualbegehren beantragte er, dass der Umlaufbeschluss gemäß § 41 GmbHG für nichtig erklärt werde.
Erste Instanz (HG Wien)
Das Erstgericht qualifizierte den 1. Entwurf des Umlaufbeschlusses als Angebot, welches wegen des Widerspruches nicht angenommen worden sei. Es habe Dissens geherrscht.
Allerdings meinte das Erstgericht, dass das Zurückschicken dieses 1. Entwurf des Umlaufbeschlusses mit dem handschriftlichen Widerspruch ein weiteres Angebot gewesen sei (Gegenangebot). Dieses Gegenangebot sei mit einmonatiger Verzögerung unterschrieben und mit siebenmonatiger Verzögerung dem anderen Gesellschafter zugestellt worden. Das war für das Erstgericht zu lange, denn es gesteht dem Adressaten eines Angebotes nur eine mehrtägige Überlegungsfrist zu. Sieben Monate seien zu lange, weswegen jener Gesellschafter, der das Gegenangebot legte, daran nicht mehr gebunden gewesen sei.
Das Erstgericht stellte daher fest, dass der Umlaufbeschluss unwirksam sei.
Bei dieser Argumentation des Erstgerichtes sieht man einmal mehr, wie wichtig das Zivilrecht auch für Gesellschaftsrechtler*Innen ist.
Zweite Instanz (OLG Wien)
Das Zweitgericht war noch strenger! Es meinte, das Gegenangebot sei abgelehnt worden, weil der Widerspruch nicht akzeptiert wurde. Schon alleine damit sei das Umlaufverfahren ohne Beschlussfassung ergebnislos beendet gewesen. Das Zweitgericht ergänzte: Der Umstand, dass das Gegenangebot ein Monat später angenommen und sieben Monate später dem Mitgesellschafter geschickt wurde, sei rechtlich ohne Bedeutung.
Schließlich hielt das Zweitgericht fest, dass der 2. Entwurf des Umlaufbeschlusses von niemanden unterfertigt wurde, sodass auch damit kein Beschluss zustande gekommen sei.
Somit hat das Zweitgericht die erstgerichtliche Entscheidung im Ergebnis bestätigt und keine ordentliche Revision zugelassen. Es wurde auch keine außerordentliche Revision erhoben, die Entscheidung des OLG Wien zu 5 R 15/22w ist daher rechtskräftig.
Empfehlungen
Um solche Gerichtsverfahren zu vermeiden, lohnt es sich, in Gesellschaftsverträgen zu regeln, dass für Umlaufverfahren nur eine bestimmte Frist zur Verfügung steht. Zum Beispiel könnte man Folgendes vereinbaren:
„Bei schriftlichen Gesellschafterbeschlüssen steht dem Gesellschafter für seine Entscheidung eine Frist von […] Tagen ab Zustellung des Umlaufbeschlussentwurfes zu. Sollte innerhalb dieser Frist ein Umlaufbeschluss nicht unterschrieben an die Geschäftsführung geschickt und den Mitgesellschaftern eine Kopie davon gesendet werden, gilt er als nicht zustande gekommen.“
Ohne einer solchen Regelung im Gesellschaftsvertrag könnte in den Text eines jeden Umlaufbeschlusses aufgenommen werden, dass er binnen einer Frist zu unterschreiben ist, wenn er wirksam zustande kommen soll. Textempfehlung:
„Dieser Umlaufbeschluss kommt nur wirksam zustande, wenn er bis zum […] unterschrieben an die Geschäftsführung geschickt und den Mitgesellschaftern eine Kopie davon gesendet wird.“