Zustimmung zur Verbauung von gemeinsamen Grundgrenzen

Zustimmung zur Verbauung von gemeinsamen Grundgrenzen

Nach § 6 Abs 7 der Tiroler Bauordnung kann eine Verbauung von mehr als 50 % der gemeinsamen Grundgrenzen nur dann erfolgen, wenn die betroffenen Nachbarn zustimmen. Diese Zustimmung muss unstrittig sein (liquid). Fehlt eine solche Zustimmung, ist ein gestelltes Bauansuchen abzuweisen. Wird die fehlende Zustimmung missachtet, so kann der Nachbar diesen Mangel im Bewilligungsverfahren geltend machen, was zur Aufhebung der Baubewilligung führt.

Sachverhalt

Ein Bauwerber beabsichtigte ein bestehendes Gebäude auf seinem Grundstück in Tirol abzureißen und dieses durch einen Neubau zu ersetzen. Der Neubau soll dabei die gemeinsame Grundgrenze zu den Nachbarn zu mehr als 50 % verbauen.

Der Bauwerber beantragte mit dem Bauansuchen vom 2.3.2023 die baubehördliche Bewilligung für den Abbruch und den Neubau. Diesem Bauansuchen schloss er eine Erklärung an, in der die (mutmaßlichen) Nachbarn A und B ihre Zustimmung zum Verbau der gemeinsamen Grundstücksgrenze gaben (Erklärung vom 3.3.2023). Nach § 6 Abs 7 der Tiroler Bauordnung (TBO 2022) muss nämlich, wenn die gemeinsame Grundstücksgrenze zu mehr als 50 % verbaut wird, eine ausdrückliche Zustimmung des betroffenen Nachbarn ergehen.

Die Baubehörde erteilte mit Bescheid die Bewilligung für das geplante Projekt. Im Wesentlichen wurde dies damit begründet, dass sich aus den im Zuge des Ermittlungsverfahrens eingeholten Stellungnahmen bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen keine Einwände gegen das geplante Bauvorhaben ergäben. Überdies hätten die Nachbarn der Verbauung zugestimmt.

Der Beschwerdeführer brachte in seiner Beschwerde vor, dass er bereits seit 17.2.2023 Eigentümer des Nachbargrundstückes sei und keine Zustimmung iSd § 6 Abs 7 TBO 2022 für die Verbauung gegeben habe. Die abgegebene Erklärung, die der Bauwerber seinem Ansuchen angehängt hat, wurde nicht von ihm, sondern von den Voreigentümern abgegeben. Da im Zeitpunkt der Einreichung des Bauansuchens im März jedoch bereits der Beschwerdeführer Alleineigentümer des Nachbargrundstückes war, ist deren Zustimmung unerheblich für das vorliegende Bauverfahren – alleine er als Alleineigentümer im Zeitpunkt des Bauansuchens im März hätte zustimmen können.

Mit seiner Bescheidbeschwerde begehrte er nun die Aufhebung des Bewilligungsbescheides, damit die Verbauung unterbleibt.

Landesverwaltungsgericht

Das zuständige Landesverwaltungsgericht führte zunächst aus, dass das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren zweifach beschränkt ist: Einerseits muss dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht zur Durchsetzung zukommen und andererseits muss der Nachbar seine Einwendungen rechtzeitig im Verfahren erheben.

Der Beschwerdeführer ist seit 21.2.2023 – also vor Einbringung des gegenständlichen Bauansuchens im März – Eigentümer des benachbarten Grundstückes, welches unmittelbar an den Bauplatz angrenzt. Er ist deshalb als Nachbar im Sinne der Tiroler Bauordnung zu qualifizieren (§ 33 Abs 3 und 4 TBO 2022). Nach § 33 Abs 3 TBO 2022 kann der Nachbar die Nichteinhaltung von taxativ aufgezählten subjektiven Rechten geltend machen, sofern diese auch seinem Schutz dienen.

Der Beschwerdeführer machte geltend, dass seine erforderliche Zustimmung zur Verbauung (§ 6 Abs 7 TBO 2022) nicht vorlag, weswegen das Bauansuchen hätte abgewiesen werden müssen (§ 34 Abs 4 lit f TBO 2022 – nun lit g). Damit ist er im Recht:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stell der Nachweis der Zustimmung des Nachbarn einen notwendigen Beleg (= notwendige Voraussetzung) für das Bauansuchen dar. Die Zustimmung muss liquid vorliegen. Das bedeutet, dass diese nicht strittig sein darf. Es muss also eine klare, unstrittige Zustimmung des Nachbarn vorliegen. Eine bereits erklärte Zustimmung kann überdies bis zur rechtskräftigen Erteilung der Baubewilligung zurückgezogen werden (vgl VwGH Ra 2015/05/0003; 2011/05/0160).

Die ursprünglichen Grundeigentümer haben unstrittig ihre Zustimmung mit 3.3.2023 erteilt. Sie waren jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Eigentümer des Grundstückes, weswegen ihre Zustimmung unbeachtlich ist. Es lag daher keine liquide Zustimmung vor, weswegen das geplante Bauvorhaben unzulässig gewesen sei (§ 6 Abs 7 TBO 2022). Das Bauvorhaben hätte daher von der Baubehörde abgewiesen werden müssen (§ 34 Abs 4 lit f TBO 2022 – nun lit g).

Der Bescheidbeschwerde war daher Folge zu geben und das Bauansuchen ist ohne weiteres Verfahren abzuweisen.

Die Entscheidung ist insofern interessant und bemerkenswert, als einer Baubewilligung eine sogenannte „dingliche Wirkung“ zukommt. Das heißt, dass die Bewilligung zwar nur der natürlichen oder juristischen Person erteilt wird, die sie beantragt. Wird die Liegenschaft, auf die sich die Baubewilligung bezieht, übertragen, geht die Bewilligung auf den Erwerber über. Die Bewilligung haftet sozusagen am Grundstück. Anders verhält es sich bei der Zustimmungserklärung. Diese wirkt nur höchstpersönlich. Wenn sich also die Eigentumsverhältnisse am Nachbarsgrundstück ändern, muss vom neuen Nachbarn die Zustimmung eingeholt und der Behörde vorgelegt werden. Die Zustimmung muss im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch aufrecht sein.

Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.

zurück