Zurückbehaltungsrecht an früheren Baufortschrittsraten wegen Mängeln auch an allgemeinen Teilen eines Hauses

Zurückbehaltungsrecht an früheren Baufortschrittsraten wegen Mängeln auch an allgemeinen Teilen eines Hauses

Ein Erwerber von Wohnungseigentum kann auch Mängel an allgemeinen Teilen des Hauses gegenüber einem Bauträger geltend machen. Überdies steht ihm das Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 ABGB auch hinsichtlich früheren Baufortschrittsraten zu. Es kann also nicht nur die letzte Rate einbehalten werden. Ausgeschlossen ist das Zurückbehaltungsrecht jedoch dann, wenn die Ausübung des Rechtes zur Schikane wird.

Sachverhalt

Die Beklagte schloss mit dem Kläger einen sogenannten Anwartschaftsvertrag. Das ist ein Vertrag, bei dem in der Regel der Bauträger dem Erwerber nach Erfüllung bestimmter Voraussetzungen die Übergabe und den Erwerb von Eigentum an einer Wohnung zusichert. Vereinbart wurde der Erwerb eines Miteigentumsanteiles an einem Grundstück zur Begründung von Wohnungseigentum an einer zu errichtenden Wohnung. Dafür sollte ein Kaufpreis von 270.950 € entrichtet werden. Im Anwartschaftsvertrag wurde für den Kaufpreis ein Ratenplan vereinbart, der vorsah, dass nach Bezugfertigstellung bzw vereinbarter vorzeitiger Übernahme der Vertragsobjekte ein Teilbetrag von 17 % des gesamten Kaufpreises (46.061,50 €) zur Zahlung fällig wird. Der Beklagte zahlte, weil Mängel an allgemeinen Teilen des Hauses und an seiner Wohnung aufgetreten sind, davon lediglich einen Teilbetrag (32.135 €). Der Klagsbetrag haftet noch aus. Die folgende „letzte“ Rate wurde vom Beklagten nach Fertigstellung der Gesamtanlage entrichtet.

Der Kläger begehrte nun vom Beklagten die Zahlung des offenen Kaufpreises (13.926 €). Der Beklagte halte diesen Betrag rechtsmissbräuchlich und sittenwidrig zurück, insbesondere weil das Wohnobjekt fertiggestellt ist und ohne wesentliche Mängel übergeben wurde.

Der Beklagte wendete die mangelnde Fälligkeit der Klagsforderung ein, da ihm aufgrund von Mängeln ein Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 ABGB zustehe. Dieses stehe ihm auch bei Zahlung in Form eines Ratenplanes nach dem BTVG (Bauträgervertragsgesetz) zu.

Vorinstanzen

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte zwar Mängel und Mängelbehebungskosten in Höhe von 17.963,80 € fest, diese seien aber aufgrund ihrer Natur und aufgrund der Größe der Anlage (10 Wohnungen) nicht gravierend im Sinne des BTVG. Es verneinte somit das Zurückbehaltungsrecht.

Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichtes auf und wies die Klage zur Gänze ab. Der Beklagte könne auch wegen Mängeln an allgemeinen Teilen der Wohnanlage den Werklohn zurückhalten. Auch im Rahmen des BTVG stehe dem Erwerber das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1052 ABGB zu. Auch müsse nicht Entgelt von der letzten Rate zurückbehalten werden. Es sei auch zulässig, Entgelt von der vorletzten Rate zurückzubehalten, was im Einklang mit dem Zweck des Zurückbehaltungsrechtes steht. Die Revision ließ das Berufungsgericht zur Rechtsfrage zu, ob sich der Erwerber auch hinsichtlich der nach dem Ratenzahlungsplan vorletzten eigentlichen Rate auf sein Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 ABGB berufen könne, obwohl die dem entsprechenden Bauabschnitt zuzuordnenden Leistungen abgeschlossen seien.

Die Klägerin macht in ihrer Revision geltend, ein Zurückbehaltungsrecht bestehe nur an der letzten Rate, nicht aber an vorgelagerten Raten des im BTVG vorgesehenen Ratenplanmodells. Dass die Wohnung schon übergeben sei, könne daran nichts ändern. Die Klägerin habe ihre von der geforderten Teilzahlung abgedeckte Leistung erfüllt, weil keine gravierenden Mängel vorhanden gewesen seien. Die noch gerügten Mängel, deren Behebung zum Teil vom Beklagten nicht zugelassen worden sei, seien äußerst geringfügig und vom Haftrücklass 10-fach gedeckt (unter einem Haftrücklass versteht man die Vereinbarung, in der Regel einen gewissen Prozentbetrag des Kaufpreises einbehalten zu können, um so spätere Mängel beseitigen zu können, falls der Bauträger diese nicht beseitigt), sodass die Zurückbehaltung des Beklagten Schikane sei.

Oberster Gerichtshof

Der OGH hat in einer früheren Entscheidung (1 Ob 121/14x) ausgesprochen, dass auch im Bereich des BTVG bei Anwendung eines Ratenplanmodells (§ 10 BTVG) der Erwerber bei ins Gewicht fallenden Mängeln ein Zurückbehaltungsrecht jedenfalls an der letzten Rate hat.

Die Klägerin argumentiert, dass diese Entscheidung nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar sei, da die Beklagte die vorletzte Rate zurückbehalte und es an einem Synallagma der Leistung fehle (unter einem Synallagma versteht man die Gegenseitigkeit von Leistungen wie beispielsweise „ich leiste, damit du leistest“ – auch „do ut des“ genannt).

Unter Verweis auf das Ziel des BTVG – nämlich das Vorauszahlungsrisiko des Erwerbers durch Sicherungspflichten des Bauträgers zu eliminieren und so den Konsumentenschutz zu stärken – und auf das Schrifttum, welches ebenso ein Zurückbehaltungsrecht (auch an Raten, die nicht die letzten sind) bejaht, bestätigte der OGH die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten grundsätzlich bestehe. Auch hielt der OGH fest, dass Zahlungen entsprechend einem Ratenplan zwar an das Zug-um-Zug-Prinzip angelehnt seien, aber dennoch die einzelnen Leistungen nicht in einem funktionellen Synallagma zu den Raten stehen.

Dass die Mängelbeseitigung bereits im Haftungsrücklass Deckung finden würde, sei zwar richtig, dieser werde aber primär für die Deckung von zunächst verborgenen Mängeln geschaffen. Wird also ein Haftungsrücklass vereinbart, so bedeute dies nicht einen automatischen Verzicht auf das darüberhinausgehende Leistungsverweigerungsrecht.

Ausgeschlossen ist die Rechtmäßigkeit der Zurückbehaltung jedoch dann, wenn die Ausübung des Rechts zur Schikane ausartet. Diese liegt insbesondere dann vor, wenn unlautere Motive die lauteren Motive eindeutig überwiegen – sprich zwischen den vom Handelnden verfolgten Interessen und den beeinträchtigten Interessen des Anderen ein krasses Missverhältnis besteht. Bei der Beurteilung, ob Schikane vorliegt, wird insbesondere auf das Verhältnis zwischen offenen Werklohn/Kaufpreis und Verbesserungsaufwand (nicht auf dessen Verhältnis zum gesamten Werklohn) geblickt. Im vorliegenden Fall behält der Beklagte 13.926 € zurück. Die Mängelbehebungskosten belaufen sich gesamt auf 17.963,80 €, wobei 2.442 € auf das Wohnungseigentumsobjekt des Beklagten entfallen. Der zurückbehaltene Betrag liegt unter jenem der Mängelbehebungskosten, weshalb Schikane ausgeschlossen ist.

Überdies kann die Fälligkeit des Werklohnes nur solange hinausgeschoben werden, als ein Verbesserungsanspruch besteht und die Verbesserung im Interesse des Bestellers liegt. Verhindert der Besteller die Fertigstellung des Werkes, oder lässt er dieses von einem Dritten komplettieren, so steht kein Leistungsverweigerungsrecht zu. Auch bei fehlender Kooperation zur Bewerkstelligung der Mängelbehebung durch den Verpflichteten entfällt das Zurückbehaltungsrecht (1 Ob 93/11z).

Zwar hat der Beklagte einen Verbesserungsversuch verweigert. Dies geschah jedoch wegen eines bereits gescheiterten Verbesserungsversuches (bloßes Überspachteln und Übermalen von Rissen), weshalb die Verweigerung eines gleichartigen Versuches gerechtfertigt war und das Zurückbehaltungsrecht nicht ausschließe.

Schließlich befasste sich der OGH noch damit, ob ein Erwerber eines Wohnungseigentumsobjektes aus seinem individuellen Vertrag mit dem Bauträger auch alleine Mängel an allgemeinen Teilen des Hauses geltend machen kann. Dies bejahte der OGH unter Verweis auf die aus dem Wohnungseigentumsrecht stammenden Rechtsprechung, nach der einzelne Wohnungseigentümer Gewährleistungsansprüche an gemeinschaftlichen Anlagen geltend machen können, ohne dass diesbezüglich die übrigen Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilen oder selbst als Kläger auftreten müssen (5 Ob 40/18w; 2 Ob 34/21w; RS0082907).

Zusammenfassend hat der Beklagte das Zurückbehaltungsrecht zu Recht ausgeübt und der Revision des Klägers ist nicht Folge zu geben.

Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.

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