Zum sittenwidrigen Ausschluss sekundärer Gewährleistungsbehelfe
Sind wesentliche Mängel entweder von vornherein unbehebbar oder kann sie der Verkäufer trotz rechtzeitiger Verbesserungsversuche nicht beheben, so ist ein Ausschluss des Wandlungsrechts für den Käufer in AGB gröblich benachteiligend.
Die Erstbeklagte, deren Komplementäre die Zweitbeklagte und der Drittbeklagte sind, kaufte von der Nebenintervenientin einen von dieser umgebauten (neuen) Kommunaltransporter. Die Erstbeklagte hatte das Fahrzeug als Vorführfahrzeug genutzt.
Die Klägerin kaufte in Folge im Jänner 2009 von der Erstbeklagten den Kommunaltransporter als Räumfahrzeug. Im Kaufvertrag war die Anwendung von AGB vereinbart, nach denen bei Mängeln des Kaufgegenstands nur Verbesserung bzw. Austausch begehrt werden konnte. Ansprüche auf Preisminderung oder Vertragsaufhebung waren ausgeschlossen.
Aufgrund von Problemen bei der Fahrt sollten neue Stoßdämpfer eingebaut werden. Die sich die Lieferung der Ersatzstoßdämpfer verzögerte sich. Im Mai 2010 forderte die Klägerin die Erstbeklagte letztmalig auf, die Erfüllung der Gewährleistungsansprüche vorzunehmen. Mit Schreiben vom 18.5.2010 erklärte die Klägerin die Wandlung des Vertrags und besorgte sich ein Ersatzfahrzeug.
Entscheidung des OGH
Beim Erwerb eines Gebrauchtwagens gilt im Allgemeinen die Fahrbereitschaft, aber auch die Verkehrs- und Betriebssicherheit als vereinbart (8 Ob 19/12w; RS0016189).
Eine rechtsgeschäftliche Einschränkung oder ein Ausschluss der Gewährleistung kann unter bestimmten Umständen sittenwidrig sein. Ein Verzicht auf einzelne Gewährleistungsbehelfe ist grundsätzlich zulässig, wenn die Mängel auch dann noch ausreichend sanktioniert bleiben. Wurde die Verbesserung jedoch vergeblich versucht oder verweigert oder ist eine solche unmöglich geworden, ist das Beharren auf dem Wandlungs- oder Preisminderungsverzicht sittenwidrig.
Die Wandlung setzt voraus, dass der Mangel nicht geringfügig ist (6 Ob 143/07h). Schon bei Misslingen des ersten Verbesserungsversuchs kann der Sekundärbehelf (Wandlung oder Preisminderung) in Anspruch genommen werden (6 Ob 143/07h; RS0018722).
Beim klagsgegenständlichen Fahrzeug ist zu berücksichtigen, dass dieses vornehmlich im Winter im Einsatz steht, die Verkehrs- und Betriebssicherheit gerade bei schlechten Witterungsbedingungen von entscheidender Bedeutung ist und daher die Behebung des „Hüpfens“ des Fahrzeugs besonders vordringlich war. Gelang die Verbesserung nach sieben Monaten, und speziell in einer Zeit, in der das Räumfahrzeug von der Klägerin für den Straßeneinsatz besonders dringlich benötigt wird, nicht, ist die Berufung auf eine Klausel, die den Verzicht auf Wandlung zum Inhalt hat, sittenwidrig, soweit sie auch dieses Verhalten erfasst.
Die Klägerin wird nämlich dadurch gröblich benachteiligt, dass die Erstbeklagte den Mangel trotz gebotener Dringlichkeit nicht innerhalb angemessener Frist behob, wie noch zu erläutern ist, sondern sich auf den Ausschluss des Wandlungsrechts beruft. Dass die Ersatzstoßdämpfer nach Klagseinbringung bei der Erstbeklagten einlangten und im November 2011 in das Nutzfahrzeug eingebaut wurden, wodurch dieser Mangel behoben wurde, führt nicht nachträglich dazu, dass sich die Klägerin rückwirkend neuerlich mit der Verbesserung zufrieden geben müsste.
Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verbesserungsfrist kommt es auf den vom Übernehmer tatsächlich insgesamt eingeräumten Zeitraum (hier sieben Monate) an und nicht auf jede einzelne Verbesserungsfrist. Die Klägerin muss mehrfache Verbesserungs-versuche und -zusagen, die nach diesem langen Zeitraum noch immer nicht zur Herstellung eines mangelfreien Nutzfahrzeugs führten, nicht hinnehmen und ist daher zur Geltendmachung der Wandlung berechtigt. Die der Erstbeklagten zuletzt im Schreiben der Klägerin vom 3.5.2010 eingeräumte Frist von 14 Tagen zur Erfüllung der Gewährleistungsansprüche ist daher nicht zu kurz bemessen.
Der Weiterbenützung der Sache kommt im Übrigen trotz Ausübung des Wandlungsrechts allein noch nicht der Ausdruck des Verzichts auf das Wandlungsrecht zu (RS0014252).
Kommentar: Diese aus der KFZ-Branche entlehnte Entscheidung ist in ihrer wesentlichen Aussage auch auf Bausachverhalte anwendbar, weshalb sie hier in den Blog „Baurecht“ aufgenommen wurde.