Vertragsrücktritt wegen Nichtleistung der Werklohnsicherheit: Erlöschen der Gewährleistungsansprüche

Vertragsrücktritt wegen Nichtleistung der Werklohnsicherheit: Erlöschen der Gewährleistungsansprüche

Die vom Werkunternehmer gemäß § 1170b Abs 2 ABGB erklärte Auflösung des Ver-trags, weil der Besteller keine Werklohnsicherheit beigebracht hat, beseitigt dessen Erfüllungsanspruch, sodass sich dieser auf eine Pflicht zur mängelfreien Herstellung des Werks durch den Unternehmer nicht mehr berufen kann

Die Beklagte ist Eigentümerin einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Bürogebäude und beauftragte die als ARGE auftretenden klagenden Gesellschaften im Zuge der Generalsanierung des Gebäudes mit Heizungs-, Klima-, Lüftungs- und Sanitärarbeiten („HKLS-Arbeiten“), mit Elektroarbeiten sowie Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik-Arbeiten („MSRT-Arbeiten“).

Die Streitteile vereinbarten, dass von den Abschlagszahlungen ein Deckungsrücklass von 10 % und von der Schlussrechnung ein Haftungsrücklass von 5 % der Bruttoauftragssumme einbehalten und der Haftungsrücklass durch eine Bankgarantie abgelöst werden kann. Im Zuge der Erbringung der beauftragten Leistungen erteilte die Beklagte den klagenden Gesellschaften Zusatzaufträge.

Eine gelegte Teilschlussrechnung wurde von einem technischen Büro fachlich und rechnerisch geprüft freigegeben. Die Beklagte bezahlte diesen Rechnungsbetrag nicht.

Die klagenden Gesellschaften erhoben gegenüber der Beklagten ein Sicherstellungsbegehren gemäß § 1170b ABGB. Die Beklagte entsprach dem Sicherstellungsbegehren nicht.

Die klagenden Gesellschaften erklärten daraufhin gegenüber der Beklagten die Aufhebung des abgeschlossenen Vertrags einschließlich aller Nachtragsaufträge mit sofortiger Wirkung.

Entscheidung des OGH

Die Obliegenheit des Werkbestellers, auf Verlangen des Unternehmers eine Sicherstellung zu geben, wird mit dem Vertragsabschluss begründet und besteht bis zur vollständigen Bezahlung des Entgelts. Das Recht, Sicherstellung zu begehren, soll dem Werkunternehmer auch bei mangelhafter Bauleistung zustehen und diese vom Werkbesteller nicht unter Berufung auf die Mangelhaftigkeit verweigert werden können, sodass der Werkunternehmer die Vertragsaufhebung auch bei mangelhafter Leistungserbringung erklären können soll.

  • 1168 Abs 2 ABGB gibt dem Unternehmer die Möglichkeit zur Vertragsaufhebung, wenn der Besteller seine Mitwirkungspflicht verletzt. Er kann unter Setzung einer angemessenen Frist erklären, dass der Vertrag „als aufgehoben gelte“, wenn die Mitwirkung weiter unterbleibt.

Die Fälligkeit des Werklohns kann nur solange hinausgeschoben werden, als ein Verbesserungsanspruch besteht und die Verbesserung im Interesse des Bestellers liegt (RS0019929). Das Leistungsverweigerungsrecht, das die Revisionswerberin für sich in Anspruch nimmt, findet seine Rechtfertigung darin, den Unternehmer zu einer geschuldeten Verbesserung seines mangelhaften Werks zu bestimmen.

Mit der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses entfallen grundsätzlich die Erfüllungsansprüche des Bestellers auf Übergabe eines vollendeten und damit mängelfreien Werks (7 Ob 43/14w).

Die vom Werkunternehmer gemäß § 1170b Abs 2 ABGB erklärte Auflösung des Vertrags beseitigt den Erfüllungsanspruch des Bestellers, sodass sich dieser auf eine Pflicht zur mängelfreien Herstellung des Werks durch den Unternehmer nicht mehr berufen kann. Dem Unternehmer gebührt ein verminderter Entgeltanspruch, dem der Besteller mangelnde Fälligkeit, weil das Werk mangelhaft erbracht wurde oder unvollendet blieb, nicht entgegenhalten kann. Für die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags durch den Besteller, die die Beklagte allein noch zum Gegenstand ihres Rechtsmittels macht, verbleibt daher nach berechtigter Auflösung des Vertrags kein Raum.

Diese Entscheidung des OGH führt die Folgen einer (nach Nachfristsetzung) endgültig verweigerten Leistung einer Werklohnsicherheit vor Augen. Da das Recht, eine Werklohnsicherheit zu verlangen nicht abbedungen werden kann, muss der Auftraggeber eine solche Leisten, solange der Werklohn nicht vollständig bezahlt ist. Der Auftraggeber kann sein Recht auf Sicherstellung zwar nicht einklagen, aber er kann unter Nachfristsetzung vom Vertrag zurücktreten.

Wies das Werk zu diesem Zeitpunkt Mängel auf, entfallen auf dem Rücktritt auch die Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers, einschließlich des Anspruchs auf „gewährleistungsrechtlichen Schadenersatz“ (§ 933a ABGB). Dies deshalb, weil der Vertragsrücktritt ex tunc, als auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, zurückwirkt. Für den Auftragnehmer wird es also in aller Regel „billiger“, weil er anstatt Gewährleistung/Schadenersatz (z.B. Ersatzvornahmekosten) „nur“ das was er sich durch die mangelhafte Leistung (zu Eigenkosten) erspart hat. Dies wurde von Wiesinger treffend „Das trickreiche Vermeiden von Gewähreistungsarbeiten“ (bauaktuell 2017, 33) bezeichnet.

Tatsächlich ist in der Praxis eine Tendenz bei Auftragnehmer zu erkennen, sich „ungeübter“ Verträge zu erledigen, indem eine Sicherstellungsforderung in der Hoffnung erhoben wird, dass dieser vom Auftraggeber nicht entsprochen wird und dadurch ein Rücktrittsgrund gegeben ist.

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