Schadenersatzansprüche auf Grundlage von Länder-Bauordnungen

Schadenersatzansprüche auf Grundlage von Länder-Bauordnungen

Bauordnungen der Bundesländer enthalten sogenannte Schutzgesetze (zB Bestimmungen über Baubewilligungen), aus denen Schadenersatzansprüche abgeleitet werden können, wenn dagegen verstoßen wird. Da diese Normen in der Regel jedoch ausschließlich die Allgemeinheit vor Gefahren schützen sollen, die aus nicht sachgerechter Bauführung resultieren, kann kein Ersatz eines bloßen Vermögensschadens gefordert werden.

Sachverhalt

Kläger und Beklagter sind Eigentümer zweier benachbarter Hanggrundstücke. Im Grenzbereich dieser Grundstücke befindet sich eine seit zumindest 1955 bestehende Steinschlichtungsmauer, die eine hangsichernde Funktion haben soll. Sie beginnt auf dem Grundstück der Klägerin, ehe sie die Grenze schneidet und auf dem Grundstück des Beklagten weiter verläuft. Es steht weder fest, wer die Mauer errichtet hat, noch dass es eine Vereinbarung über das Alleineigentum an der Mauer gäbe.

Im April 2009 stürzte ein Teil der Mauer auf dem Grundstück des Beklagten ein. Die Haftpflichtversicherung der Klägerin versagte die Deckung der Kosten mit dem Argument, der Schaden habe sich auf dem Grundstück der Klägerin ereignet. Der Beklagte schlichtete die Mauer daraufhin selbständig, während Abwesenheit des Klägers, wieder auf. Der Beklagte hatte zuvor weder die Zustimmung der Klägerin eingeholt, noch bei der Baubehörde ein Bauansuchen oder eine Bauanzeige eingebracht. Die Klägerin nahm die Arbeiten nachträglich zur Kenntnis und widersprach ihnen nicht.

Nach Wiederaufstellung der Mauer schrieb der Beklagte eine E-Mail an die Klägerin. Darin schilderte er den im April eingetretenen Schaden sowie die Arbeiten, die er zur Behebung durchführte. Weiters schlug er vor, den jetzigen Zustand des Hanges zu versichern, weil nicht sicher sei, ob der Hang nicht ein weiteres Mal abrutscht und die Steinmauer beschädigt. Die Klägerin antwortete, dass sie die Sache zur Klärung ihrer Versicherung weitergeleitet habe. Ob dann tatsächlich eine Versicherung des damaligen Zustandes zustande kam, steht nicht fest.

Im Jahr 2017 trug die Baubehörde beiden Parteien gemeinsam auf, die im Jahr 2009 konsenslos „neu errichtete“ Mauer zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Da die Parteien untätig blieben, ordnete die Baubehörde mit Bescheid die Ersatzvornahme an und trug den Parteien dafür eine Vorauszahlung in Höhe von 17.597,08 € auf. Die anwaltliche Vertretung im Bauverfahren kostete die Klägerin weitere 8.177.21 €.

Die Klägerin begehrte nun vom Beklagten die Beseitigung der Mauer, die Wiederherstellung des vorigen Zustandes, das Unterlassen künftiger baulicher Maßnahmen ohne ihrer Zustimmung, den Ersatz eines Teiles der anwaltlichen Vertretung und die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Schäden aus der rechtswidrigen Errichtung (Wiederaufschlichtung) der Mauer im Jahr 2009, weil weitere Vertretungskosten sowie die Inanspruchnahme für die Abbruchkosten drohen. Im Wesentlichen argumentierte die Klägerin, dass die Arbeiten an der Mauer ohne ihre Zustimmung erfolgten und dass der Beklagte rechtswidrig und schuldhaft keine Baubewilligung einholte, weshalb ihr ein Schaden entstanden sei.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und entgegnete cum grano salis, dass die Klägerin durch ihr Schweigen und mit ihrem Schreiben an den Versicherer der Reparatur der Mauer nachträglich zugestimmt hätte. Überdies erfasse der Schutzzweck der Bestimmungen in der Tiroler Bauordnung über die Baubewilligung nicht den geltend gemachten Schaden.

Vorinstanzen

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Mauer befinde sich im Miteigentum der Parteien, der Beklagte habe eigenmächtig gehandelt und dabei einen Schaden verursacht. Diesen habe er zu begleichen.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil ab und wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin habe tatsächlich nachträglich konkludent den Arbeiten zugestimmt. Überdies würde der Schutzzweck der Tiroler Bauordnung die Pflicht zur Einholung einer Baubewilligung nicht erfassen, weshalb auch deswegen kein Schadenersatz zustehe.

Oberster Gerichtshof

Zunächst stellte der OGH fest, dass nicht bezweifelt wird, dass die Mauer im Miteigentum der Parteien steht und damit dem Grunde nach eine Eigentumsfreiheitsklage, mit der auch Eingriffe von Miteigentümern abgewehrt werden können, erhoben werden kann. Dazu ist jedoch sogenannte Eigenmacht des Störers erforderlich. Das bedeutet, dass mit nachträglicher (auch konkludenter) Genehmigung diese Eigenmacht wegfällt und die Eigentumsfreiheitsklage damit unzulässig wird. Der OGH befasste sich daraufhin ausführlich mit den Voraussetzungen einer konkludenten Zustimmung in einem solchen Fall. Er kam zum Schluss, dass eine solche konkludente Zustimmung vorlag.

Daraufhin befasste sich der OGH mit der Frage, ob aus den Bestimmungen der Tiroler Bauordnung schadenersatzrechtliche Ansprüche in Form eines reinen Vermögensschadens abgeleitet werden können. Ein sogenannter (reiner) bloßer Vermögensschaden liegt vor, wenn es zu einer nachteiligen Veränderung im Vermögen des Geschädigten kommt, ohne dass dies auf einer Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts (das ist etwa das Eigentum oder die körperliche Unversehrtheit) des Geschädigten beruht (Poropat, Vermögensschaden, bloßer, in RDB Keywords1 [Stand 30. 01. 2024, rdb.at]). Im österreichischen Schadenersatzrecht gilt grundsätzlich, dass solche (reinen) bloßen Vermögensschäden nicht ersetzt werden. Ausnahmen von dieser Regel bestehen dennoch: Vermögensschäden sind etwa bei einem vertraglichen Schadenersatzanspruch zu ersetzen, aber auch bei Schutzgesetzverletzungen, sofern der Schutz des bloßen Vermögens vom Schutzzweck der Norm umfasst ist. Unter dem Schutzzweck einer Norm versteht man, dass genau jener Schaden, der eingetreten ist, durch die Norm verhindert werden soll.

Genau mit jener Frage, ob einerseits die Bestimmungen der Tiroler Bauordnung Schutzgesetze darstellen und andererseits, ob auch Vermögensschäden in den Schutzzweck dieser Normen fallen, befasste sich der OGH.

Er stellte zunächst fest, dass es in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass Bauvorschriften in Landesbauordnungen, baubehördliche Aufträge, technische Richtlinien oder technische Bauvorschriften durchaus Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB sein können, wenn sie konkrete Schäden verhindern sollten (3 Ob 173/23x; vgl RS0119032; 6 Ob 216/21i). Bauordnungen der Länder schützen jedoch primär die Allgemeinheit vor nicht fachgerechter Bauausführung und den daraus resultierenden Schäden (zB umstürzende Gebäude, herabfallende Mauerteile, Feuer). Das reine Vermögen ist dagegen kein Schutzobjekt solcher Normen.

Die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass die einschlägigen Normen der Tiroler Bauordnung (§§ 21 Abs 1, 22, 24 ff Tiroler BauO 2011) nicht den Schutz des reinen Vermögens der Klägerin bezwecken, hält sich daher im Rahmen der Rechtsprechung und Ansicht des OGH.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.

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