Rückforderung von anteiligen Sanierungskosten nach Kauf von Dachgeschosswohnungen

Rückforderung von anteiligen Sanierungskosten nach Kauf von Dachgeschosswohnungen

Erhält ein Wohnungseigentumskäufer vor Kauf kein Gutachten iSd § 37 Abs 4 WEG 2002 und werden Erhaltungsarbeiten in allgemeinen Teilen des Hauses innerhalb der ersten zehn Jahre notwendig, so kann der Käufer den Wohnungseigentumsorganisator auf Zahlung des ihm zugeordneten Anteils an den Sanierungskosten klagen.

Sachverhalt

Der Kläger und seine Frau kauften von der Beklagten (= Wohnungseigentumsorganisatorin) im Jahr 2009 zwei Dachgeschosswohnungen, die kurz zuvor in einem Dachbodenausbau errichtet wurden.

Anlässlich des Kaufes erhielt der Kläger kein Gutachten über den Bauzustand der allgemeinen Teile des Hauses und die in absehbarer Zeit notwendigen Erhaltungsarbeiten (§ 37 Abs 4 WEG 2002). Ein solches Gutachten muss der Wohnungseigentumsorganisator verpflichtend vor oder mit der Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums an Teilen eines Hauses, dessen Baubewilligung zum Zeitpunkt der Zusage älter als 20 Jahre ist, dem Käufer übergeben, wobei das Gutachten nicht mehr als ein Jahr alt sein darf. Das Gutachten muss überdies in den Kaufvertrag über das Wohnungseigentum einbezogen werden. Damit wird der darin beschriebene Bauzustand zur bedungenen Eigenschaft (§ 922 Abs 1 ABGB) was, wie sich später zeigen wird, insbesondere für die Haftung des Verkäufers relevant sein kann. Unterlässt der Wohnungseigentumsorganisator die Übergabe eines solchen Gutachtens, bzw wird dieses nicht in den Kaufvertrag einbezogen, so stellt das Gesetz eine Vermutungsregel auf: Demnach gilt ein Erhaltungszustand des Hauses als vereinbart, der in den nächsten zehn Jahren keine größeren Erhaltungsarbeiten erfordert.

2017 zeigten sich Feuchtigkeitsschäden in den älteren Wohnungen im Haus, was laut einem Gutachten auf eine Überschreitung der Lebensdauer von Komponenten der Fußbodenaufbauten der Balkone sowie fehlerhafte Anschlüsse des Balkonaufbaues zurückzuführen ist.

Zur Sanierung dieser Schäden wurden einerseits € 130.000 aus der Rücklage (das ist ein „Fonds“ zur Deckung künftiger Aufwendungen und Erhaltungsarbeiten, der von den Wohnungseigentümern zumeist anteilig nach Nutzfläche gespeist wird) entnommen und andererseits wurden den Wohnungseigentümern Sonderzahlungen vorgeschrieben. Die Eheleute mussten somit € 4.216,79 bezahlen. Wie viel die Eheleute in die Rücklage einbezahlt hatten, ließ sich nicht mehr feststellen.

Da kein Gutachten gemäß § 37 Abs 4 WEG 2002 übergeben wurde, gelte ein Zustand als vereinbart, der bis zum 23.12.2019 keine größeren Erhaltungsarbeiten erfordere. Der Kläger forderte nun vom Wohnungseigentumsorganisator € 11.200,33. Dieser Betrag sei durch die Sanierung auf die Eheleute entfallen.

Vorinstanzen

Das Erstgericht gab der Klage nur im Umfang von € 4.216,79 statt. Grosso modo argumentierte es, dass der Schadenersatz nur für die Sonderzahlungen zustehe und dass der darüberhinausgehende Teil (gemeint war der Anteil an der Rücklage) rechnerisch nicht nachvollziehbar sei.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger Berufung. Das Berufungsgericht gab der Berufung statt, hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Es sei unstrittig, dass der geforderte Betrag auf den Kläger entfiel. Die geleisteten Sonderzahlungen würden ihm auch zustehen. Hinsichtlich des Anteils an der Rücklage in Höhe von € 6.983,54 müsse der Kläger jedoch nicht die Zahlung an sich begehren, sondern die Rückzahlung in die Rücklage. Da dies bisher im Verfahren kein Thema war, müsse dies zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung mit den Parteien erörtert werden. Überdies ließ das Berufungsgericht den Rekurs an den OGH zu, denn es fehlt oberstgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Thematik.

Oberster Gerichtshof

Der OGH hielt fest, dass es unstrittig sei, dass im Falle der Nicht-Übergabe und Einbezug eines Gutachtens iSd § 37 Abs 4 WEG 2002 in den Kaufvertrag ein Zustand als vereinbart gilt, der in den nächsten zehn Jahren keine größeren Erhaltungsarbeiten erfordere. Ratio der Bestimmung ist nämlich, den Käufer vor den nicht ausreichend berücksichtigten anstehenden Kosten für Erhaltungsarbeiten zu bewahren. Für diesen vereinbarten (fingierten) Zustand muss der Wohnungseigentumsorganisator auch einstehen: Ihn trifft die Pflicht, die allgemeinen Teile des Hauses vertragskonform zu erhalten. Diese Pflicht könnte erfüllt werden, in dem der Wohnungseigentumsorganisator die Liegenschaft auf seine Kosten saniert. Nach herrschender Meinung hat der einzelne Wohnungseigentümer hierauf aber keinen Anspruch, weil sonst die Pflicht aller Wohnungseigentümer zur anteiligen Mitfinanzierung von Erhaltungsarbeiten (§ 32 WEG 2002) obsolet wäre. Der Wohnungseigentumsorganisator hat deshalb nur anteilig jenen Betrag zu tragen, der auf den vom Schutz des § 37 Abs 5 WEG 2002 erfassten Wohnungseigentümer – also den Käufer, der kein Gutachten erhalten hat – entfällt.

Unbeachtlich ist es auch, ob die angefallenen Erhaltungsarbeiten durch allenfalls vorhandene Rücklagen gedeckt sind. Denn die Rücklage ist gemäß § 32 Abs 1 WEG 2002 von den Wohnungseigentümern wieder aufzufüllen. Dies kann den Käufer genauso überraschen und belasten wie eine Sonderzahlung (bzw Sondervorschreibung).

Die Zahlung der € 6.983,54 – also der Anteil des Klägers an der Rücklage – würde den Kläger daher in die Lage versetzen, seinen Beitrag zur Wiederauffüllung der Rücklage leisten zu können. Die Zahlung in die Rücklage könnte den aus dem Kaufvertrag geschuldeten Zustand nicht herstellen, denn trotz Zahlung würde eine „Finanzierungslücke“ (€ 130.000 – € 6.983,54 = € 123.016,46) bleiben, mit der der Kläger nicht zu rechnen hatte.

Aus diesem Grund kann ein Käufer, der kein Gutachten iSd § 37 Abs 4 WEG 2002 erhalten hat, bei allfällig anfallenden Erhaltungskosten den Wohnungseigentumsorganisator auf Zahlung des seiner Wohnung zugeordneten Anteils an den Sanierungskosten klagen. Es muss nicht die Zahlung in die Rücklage gefordert werden.

Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.

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