Reichweite einer Architektenvollmacht
Wird ein Architekt mit der gesamten Bauausführung beauftragt, liegt darin die Betrau-ung mit einer Verwaltung. Der Architekt ist damit als bevollmächtigt anzusehen, alle Rechtsgeschäfte zu schließen, die die Ausführung des Baus erfordern und die mit der anvertrauten Verwaltung gewöhnlich verbunden sind.
Die Beklagten beauftragten einen Architekten mit Planungen zum Umbau ihres Einfamilienhauses. Der Auftrag umfasste auch die Einholung von Kostenvoranschlägen, die Auftragsvergabe an Professionisten im Namen und auf Rechnung der Beklagten sowie die Überwachung der Bauausführung.
Die Klägerin legte ein Anbot für Baumeisterarbeiten, auf dessen Grundlage der Architekt namens der Beklagten einen Auftrag erteilte. Im Zuge der Ausführung stellte sich die Notwendigkeit verschiedener Zusatzarbeiten heraus, die der Architekt – teilweise nach Rücksprache mit dem Zweitbeklagten – aufgrund ergänzender Anbote ebenfalls an die Klägerin vergab.
Nach Abschluss der Arbeiten erstellte die Klägerin eine vierte „Teilrechnung“ über 95.000 EUR, die alle Elemente einer Schlussrechnung aufwies und sämtliche beauftragten Arbeiten beinhaltete. Der Architekt prüfte diese Rechnung und kam zunächst zu dem Ergebnis, dass aufgrund der erbrachten Leistungen nur ca. 72.000 EUR gerechtfertigt seien. Bei einem weiteren Treffen zwischen dem Architekten und dem Geschäftsführer der Klägerin einigte man sich auf einen Gesamtbetrag von EUR 95.000,00, wozu die Klägerin eine Rechnung über EUR 70.000,00 legen sollte und die restlichen EUR 25.000,00 in „bar“ (ohne USt.) bezahlt werden sollten. Die Beklagten waren mit dieser Einigung nicht einverstanden und zahlten weder die Schlussrechnung noch den Barbetrag. Daraufhin legte der Kläger eine weitere Rechnung über EUR 30.000,00 vor.
Die Klägerin begehrte die Bezahlung des vom Architekten freigegebenen Restbetrags aus der Schlussrechnung und der weiteren Nachtragsrechnung. Die Beklagten bestritten die Zahlungspflicht und wandten eine Gegenforderung für erlittene Schäden ein.
Entscheidung des OGH
Wird ein Architekt mit der gesamten Bauausführung beauftragt, liegt darin die Betrauung mit einer Verwaltung (RS0019644). Der Architekt ist damit als bevollmächtigt anzusehen, alle Rechtsgeschäfte zu schließen, die die Ausführung des Baus erfordern und die mit der anvertrauten Verwaltung gewöhnlich verbunden sind. Dies umfasst auch den Abschluss von Verträgen mit Professionisten (RS0019538; 2Ob 126/09g). Durch die Verwaltungsvollmacht sind jedoch weder außerordentliche Verwaltungsmaßnahmen, noch Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung, die aber nicht gewöhnlich mit der betreffenden Verwaltungsart verbunden sind, gedeckt (RS0019614; 6 Ob 129/10d).
Ein ungewöhnliches Geschäft liegt dann vor, wenn mit Rücksicht auf die Verhältnisse ungewöhnlich große Verpflichtungen eingegangen oder besondere Bedingungen, wie sie im betreffenden Geschäftszweig nicht üblich sind, gewährt werden, der Abschluss des betreffenden Geschäfts also auch bei Anlegung eines nicht allzu strengen Maßstabs vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt her nicht vertretbar ist (RS0019707).
Selbst wenn eine Rechtshandlung daher ihrer Art nach in den Vollmachtsrahmen fällt, kann sie im Einzelfall (RS0019707) nicht durch die Vollmacht gedeckt sein (RS0061457).
Wenn die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gelangt sind, dass die Bevollmächtigung des Architekten zur Prüfung und Freigabe der Teil- und Schlussrechnungen ihn nicht auch ermächtigte, zu Lasten der Beklagten einen Vergleich über die Zahlung von 25.000 EUR „schwarz“ zu vereinbaren, dies noch dazu für Rechnungspositionen, die nach der Prüfung objektiv unberechtigt waren, ist dies keine unvertretbare Rechtsansicht. Der Umstand, dass mit dieser Vereinbarung auch einer Abgabenhinterziehung Vorschub geleistet worden wäre, bekräftigt im Einzelfall dieses Ergebnis.
Der OGH „streift“ in dieser Entscheidung zunächst die bei Architektenverträgen sich stellende Einordungsfrage: „Reine“ Planungsleistungen sind idR ein Werkvertrag, andere Leistungen sind in der Regel ein Auftrag. Die Grenze des Auftrages (=der Vollmacht) der Architekten ist dort, wo der Architekt die Grenzen des Üblichen überschreitet. D.h. Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung sind überhaupt nicht von der Vollmacht gedeckt und selbst Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung dann nicht, wenn sie typischerweise nicht mit der Vollmacht verbunden wären. Konkret: Zwar dürfte der Architekt eine Abmahnungsvereinbarung treffen, jedoch in diesem Zusammenhang keine Schwarzgeldabrede.