Geringfügige Änderung der Abflussverhältnisse auf das Nachbargrundstück
Ein auf § 364 Abs 2 ABGB gestützter Unterlassungsanspruch ist dann nicht berechtigt, wenn sich eine willkürliche Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse, durch die es zu einer unmittelbaren Zuleitung auf das Nachbargrundstück kommt, auf dieses nur gering-fügig auswirkt und dies kein vernünftiger Mensch als nennenswerter Nachteil ansähe.
Auf einer Wiese der Kläger befindet sich an der Grenze zum Grund der Beklagten ein Entwässerungsgraben, in den eine rund 40.000 m² große landwirtschaftliche Grundfläche der Kläger entwässert. Auf der Wiese der Kläger kommt es wegen der geringen Sickerfähigkeit des Bodens bei intensiven Niederschlägen immer wieder zu einem breiten oberflächlichen Wasserabfluss. Das Grundstück (bzw die nunmehr geteilten Grundstücke) der Beklagten fallen in Richtung des Grundstücks der Klägerin ab.
Die Beklagte errichtete eine mit Kies hinterfüllte Mauer aus Betonformsteinen an der Grenze zum Grundstück der Kläger. Außerdem errichtete die Beklagte auch zwei Retentionsbecken, in die neben Wasser von den Dachflächen einer Wohnhausanlage auch Oberflächenwasser von der unverbaut gebliebenen Fläche eingeleitet wird. Über ein bestehendes Betonrohr wird das Wasser aus diesen Becken in den Entwässerungsgraben der Kläger geleitet.
In den Entwässerungsgraben wird auch Niederschlagswasser aus einer Drainageleitung eingeleitet, die von einem Gully eines Dritten über das Grundstück der Beklagten führt.
Die Kläger begehrten in Folge die Unterlassung jeglicher Wasserableitung auf ihr Grundstück. Das Erstgericht gab dem Begehren statt, da die Beklagten kein Recht auf Einleitung erworben oder ersessen haben. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Die Einleitung von Wasser stelle eine unmittelbare Zuleitung dar. Einen Rechtstitel habe die Beklagte nicht. Dies sah der OGH komplett anders:
Zum Wasserzufluss aus den Retentionsbecken
Gemäß § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von seinem Grund ausgehenden Einwirkungen insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Eine unmittelbare Zuleitung ist nach dieser Bestimmung ohne besonderen Rechtstitel „unter allen Umständen“ unzulässig (RS0010528; RS0010683).
Auswirkungen der natürlichen Beschaffenheit des Nachbargrundes sind hinzunehmen (RS0010635). Nicht hinzunehmen sind jedoch Änderungen der natürlichen Gegebenheiten („Veranstaltungen“), wodurch Immissionen auf den Nachbargrund bewirkt werden (RS0010635) wie dies beispielsweise bei einer Veränderung der natürlichen (Wasser-)Abflussverhältnisse durch ein Bauwerk (RS0010635; RS0115461; RS0117337) oder einer Zuleitung von Wasser durch Rohre oder Rinnen (2 Ob 11/05i; 4 Ob 57/20s) der Fall ist.
Ein Unterlassungsanspruch ist nach der Rechtsprechung des OGH jedoch nicht berechtigt, wenn sich eine willkürliche Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse, durch die es zu einer unmittelbaren Zuleitung auf das Nachbargrundstück kommt, auf dieses nur geringfügig auswirkt und dies kein vernünftiger Mensch als nennenswerten Nachteil ansähe (RS0121625; RS0107625). Unmittelbare Einwirkungen mit nur geringfügigen Auswirkungen auf das betroffene Grundstück können demnach nicht mit Unterlassungsklage abgewehrt werden (10 Ob 45/14m).
Der Boden wies bereits ursprünglich eine geringe Versickerungsrate auf, weshalb das Wasser überwiegend oberflächlich in den Entwässerungsgraben der Kläger ablief. Mit der von der Beklagten errichteten Mauer kann im Bereich der Mauer abfließendes Oberflächenwasser versickern. Die Erfassung des Großteils des Niederschlagswassers in den Retentionsbecken führt dazu, dass der Abfluss in den Entwässerungsgraben der Kläger gedrosselt wurde. Da über den Graben insgesamt eine Wiesenfläche der Kläger von rund 40.000 m² entwässert wird, kommt dem Umstand, dass diesem auch das Niederschlagswasser des rund 1.000 m² großen Grundstücks der Beklagten zufließt, keine nennenswerte Auswirkung auf das Grundstück (den Entwässerungsgraben) der Kläger zu. Auch dass das Niederschlagswasser durch das bestehende Betonrohr abgeleitet wird, bewirkt im Ergebnis nur eine geringfügige Änderung der vorher bestehenden, weitgehend natürlichen Abflusssituation.
Dem Unterlassungsbegehren betreffend den Abfluss von auf den Grundstücken der Beklagten anfallendem Wasser, kommt somit keine Berechtigung zu.
Zum Zufluss aus der „Drainageleitung“
Ein Unterlassungsanspruch kann sich auch gegen denjenigen richten, der die Störung mittelbar veranlasst hat. Im gegenständlichen Fall erfolgt die Zuleitung von Wasser auf den Grund der Kläger vom herrschenden Grundstück eines Dritten über das dienende Grundstück der Beklagten. Die Beklagte hat den darüber verlaufenden Kanal (das Drainagerohr) zu dulden. Der für die Passivlegitimation der Beklagten erforderliche Sachzusammenhang zwischen der Immission und der Sachherrschaft über den diese verursachenden Kanal ist daher zu verneinen.
Da sich der Abfluss von Wasser von den Grundstücken der Beklagten auf das Grundstück der Kläger nur geringfügig auswirkt, wird im Übrigen auch das ortsübliche Ausmaß nicht überschritten.