Keine Haftung der Republik und der Bundesländer wegen Bodenversiegelung

Keine Haftung der Republik und der Bundesländer wegen Bodenversiegelung

Die mangelhafte Umsetzung von EU-Richtlinien durch die Republik Österreich und die Bundesländer führt nicht zur Haftung des Staates auf Schadenersatz bzw Feststellung von künftigen Gesundheitsschäden und erhöhter Steuerlast, die durch Bodenversiegelung verursacht wurden.

Sachverhalt

In Österreich werden täglich 12 Hektar (das entspricht etwa 16 Fußballfeldern) an Böden versiegelt. Darunter versteht man den dauerhaften Verlust biologischen Bodens durch Verbauung. Ein Verein hat dies zum Anlass genommen und versucht Ansprüche aus fehlender Gesetzgebung mittels Staatshaftung durchzusetzen. Dazu haben 77 Personen symbolische Forderungen in der Höhe eines Euros an den Verein abgetreten.

Geklagt wurde die Republik Österreich, das Land Oberösterreich und das Land Niederösterreich auf Schadenersatz und Feststellung drohender weiterer Gesundheitsschäden bzw erhöhte Steuerlast vor dem Verfassungsgerichtshof. Die Klage sei zulässig, da der Bund sowie die beklagten Bundesländer es verabsäumt hätten mehrere EU-Richtlinien, die hinreichend bestimmt sind und individuelle Rechte einräumen, umzusetzen. Dese Richtlinien dienten dem Schutz der Umwelt, des Klimas und der Gesundheit und mittelbar auch dem Schutz des Bodens. Im Einzelnen wurden etwa

als mangelhaft umgesetzt angeführt. Sämtliche genannten Richtlinien beinhalten Normen, die dem Einzelnen Rechte verleihen sollten. Wären die genannten Richtlinien ordnungsgemäß umgesetzt worden, so würden bestimmte umweltschädliche Projekte nicht genehmigt werden, was insbesondere im Bereich des Straßenbaues dazu führen würde, dass Lärm, Feinstaubbelastungen und andere Gesundheitsgefahren zurückgehen würden. Zwischen den nicht umgesetzten Richtlinien sowie der Bodenversiegelung und den Schäden bzw Forderungen der Kläger bestehe ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Zusammengefasst erheben die Kläger gegenüber den Beklagten den Vorwurf, dass diese es unionsrechtswidrig unterlassen hätten gesetzliche Maßnahmen zur Eindämmung des Bodenverbrauches und der Flächenversiegelung zu setzen.

Die beklagten Gebietskörperschaften bestritten dies naturgemäß und forderten die Klage als unbegründet abzuweisen oder unzulässig zurückzuweisen. Cum grano salis wurde von den Beklagten repliziert, dass die Voraussetzungen für eine Staatshaftungsklage nicht vorliegen würden. Es würden pauschale Behauptungen aufgestellt werden, aus den genannten Richtlinien seien keine Rechte von Einzelnen ableitbar und die als unionsrechtswidrig bezeichneten Normen sind nicht dem Gesetzgeber vorzuwerfen, sondern allenfalls einem hoheitlich tätig gewordenen Vollzugsorgan (Landesregierung).

Verfassungsgerichtshof

Zunächst führte der VfGH aus, dass er grundsätzlich für die Durchsetzung von vermögensrechtlichen Ansprüchen gegenüber dem Bund, den Ländern, den Gemeinden oder den Gemeindeverbänden zuständig sei, sofern weder der ordentliche Rechtsweg offensteht noch ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde ergehen muss (Art 137 B-VG). Voraussetzung für eine Staatshaftung ist aber, dass das Verhalten der Organe eines Mitgliedsstaates (in diesem Fall Österreich) zur Verletzung einer unionsrechtlichen Norm geführt hat, die dem Einzelnen Rechte verleiht und dass ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und der Verstoß bestehe. Überdies muss der Verstoß dem EuGH zufolge hinreichend qualifiziert sein (offenkundige, erhebliche Überschreitung des dem Mitgliedstaat zukommenden Ermessens bei der Umsetzung einer Richtlinie).

Der VfGH ist nicht bereits dann zuständig, wenn der Gesetzgeber gegen Unionsrecht verstoßen hat. Vielmehr muss der (rechtswidrige) Akt dem Gesetzgeber zuzurechnen sein. Vom Kläger wurden jedoch auch Akte der Vollziehung (in concreto unzureichende Verordnungen der Länder) kritisiert. Überdies hat der Kläger nicht im Detail ausgeführt welcher Schaden auf welche offenkundig mangelhaft umgesetzte Richtlinie zurückzuführen ist. Auch wurde es verabsäumt konkret darzulegen welche unionsrechtlichen Normen dem Einzelnen Rechte verleihen.

Die Klage war daher mangels Bestimmtheit des Begehrens und Darlegung der Voraussetzung für das Vorliegen von Staatshaftung (Verstoß des Gesetzgebers) zurückzuweisen: Die Staatshaftungsklage scheiterte daher aus formalen Gründen. Ob ein Staatshaftungsanspruch bestehen würde, wenn eine Klage die vom VfGH kritisierten Formalia erfüllt, blieb offen. Insbesondere lässt sich derzeit nicht absehen, welche Anforderungen der VfGH an den Kausalitätsbeweis zwischen Nichtumsetzung der Richtlinien und Schaden stellen wird.

Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.

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