Keine Anzeigepflicht des Werkunternehmers wenn Grund für beträchtliche Kostenüberschreitung in Bestellersphäre liegt
Kommt es zu einer beträchtlichen Überschreitung eines unverbindlichen Kostenvoranschlages, muss der Werkunternehmer den Besteller grundsätzlich unverzüglich darüber in Kenntnis setzen (Anzeige), um Mehrkosten fordern zu können. Wenn der Grund der Mehrarbeiten jedoch in der Sphäre des Bestellers liegt, muss keine Anzeige über die Mehrkosten ergehen, um diese fordern zu können.
Kostenvoranschlag – cui bono?
Vor Baubeginn wird oftmals ein sogenannter Kostenvoranschlag eingeholt. Dieser stellt eine Berechnung des voraussichtlichen Werklohns unter detaillierter Offenlegung der Entgeltsfaktoren dar (Kletečka in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1170a Rz 2 [Stand 1.8.2020, rdb.at]). Der darin bezifferte Preis kann in verbindlicher und unverbindlicher Weise abgegeben werden:
Ist der Kostenvoranschlag verbindlich (was grundsätzlich im Zweifel nicht angenommen wird; bei Verbrauchergeschäften gemäß § 5 Abs 2 KSchG aber den Regelfall darstellt: „Vermutung der Verbindlichkeit“), so kann der Werkunternehmer maximal den darin bezifferten Betrag fordern. Mehrkosten gehen grundsätzlich zu seinen Lasten und Unterschreitungen kommen dem Besteller zugute (vgl § 1170a Abs 1 ABGB). Ausnahme von dieser Regel ist, wenn die Mehrkosten durch Umstände aus der Bestellersphäre notwendig geworden sind: Diesfalls können die Mehrkosten vom Werkunternehmer trotz verbindlichem Voranschlag verrechnet werden.
Bei Unverbindlichkeit des Kostenvoranschlages muss der Besteller sogenannte unvermeidliche und unbeträchtliche Überschreitungen hinnehmen. Wann eine beträchtliche Überschreitung vorliegt, kann nicht einheitlich und starr gesagt werden, die Rechtsprechung nimmt aber etwa eine Schwelle von 15 % an (Kletečka in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1170a Rz 13 [Stand 1.8.2020, rdb.at]). Von unvermeidlichen Kosten wird gesprochen, wenn diese zum Zeitpunkt der Beauftragung trotz Einhaltung der Sorgfalt (§ 1299 ABGB) nicht vorhersehbar waren und ohne diese Kosten die vertragsgemäße Herstellung nicht möglich ist.
Kommt es zu einer beträchtlichen Überschreitung der Kosten, hat der Unternehmer den Besteller unverzüglich davon zu unterrichten (Anzeige) und die entstehenden Mehrkosten so genau wie möglich anzugeben. Auf Basis dieser Information hat der Besteller dann die Wahl am Vertrag festzuhalten oder von diesem zurückzutreten (vgl § 1170a Abs 2 ABGB). Unterbleibt eine Anzeige, kann der Unternehmer keine Mehrkosten fordern: Der Kostenvoranschlag wird diesfalls nach herrschender Ansicht wie ein verbindlicher Voranschlag behandelt (die Meinungen gehen in diesem Punkt jedoch auseinander: Nach anderer Meinung kann der Unternehmer sehr wohl die Mehrkosten bis zu einem Höchstbetrag der Unbeträchtlichkeit fordern; siehe dazu Kletečka in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1170a Rz 23 [Stand 1.8.2020, rdb.at]).
Was passiert, wenn die beträchtliche Überschreitung der Kosten durch Umstände, die in der Sphäre des Bestellers liegen verursacht wird, zeigt vorliegende Entscheidung:
Sachverhalt
Der Kläger (Werkunternehmer) begehrte vom beklagten Werkbesteller eine ausstehende Summe des Werklohnes, der den Kostenvoranschlag beträchtlich überschritt. Die Ursache für die Überschreitung waren Mehrarbeiten, die durch Umstände in der Bestellersphäre verursacht worden waren. Der Kläger hatte den Beklagten unverzüglich nach der Erkennbarkeit dieser Umstände auf die konkret erforderlichen Mehrarbeiten hingewiesen und darauf, dass Mehrkosten entstehen werden. Die konkrete Höhe der Mehrkosten, die bereits am 3.10.2016 (weitgehend) abgeschätzt werden konnte, hatte er ihm aber erst am 28.11.2016, also knapp zwei Monate später, mitgeteilt. Dies ist insofern problematisch und verspätet, als dass diese Information Basis der Entscheidung ist, ob man am Vertrag festhalten, oder vom Vertrag zurücktreten soll. Deshalb kann wohl davon ausgegangen werden, dass der Anzeigepflicht nicht unverzüglich nachgekommen wurde, da die Höhe der Kosten erst verspätet angegeben wurde.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und berief sich auf die Verletzung der Anzeigepflicht (§ 1170a Abs 2 ABGB). Überdies erhob er eine Widerklage, mit der er vom Unternehmer Schadenersatz wegen mangelhafter Werkleistung begehrte.
Vorinstanzen
Das Erstgericht gab der Klage vollumfänglich statt und wies die Widerklage ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidungen mit der Begründung, den Kläger habe gar keine Warnpflicht getroffen, weil § 1170a Abs 2 ABGB nicht anwendbar sei, wenn die Kostenüberschreitung auf Umständen in der Bestellersphäre beruhe.
Oberster Gerichtshof
Der Beklagte behauptete unter Verweis auf RS0021954, dass das Berufungsgericht von gefestigter oberstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen ist. Demnach treffe den Werkunternehmer jedenfalls eine Pflicht zur Anzeige von Mehrkosten: Dieser Pflicht müsse grundsätzlich unverzüglich nachgekommen werden. Wenn die Mehrkosten jedoch auf Umstände in der Besteller-Sphäre zurückzuführen sind, so muss die Anzeige in angemessener Frist erfolgen. Einen gänzlichen Entfall verortete der Beklagte in den von ihm angeführten Entscheidungen des OGH – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht.
Der OGH führte hierzu aus, dass aus der vom Beklagten angeführten Rechtsprechung nicht herauslesbar ist, dass sich die Frist nur von „unverzüglich“ auf „in angemessener Frist“ verlängere (RS0021954, RS0022089, RS0028222 [T3]). Vielmehr wird vom OGH ausdrücklich festgehalten, dass überhaupt keine Anzeigepflicht bestehe und zwar unabhängig (!) davon, ob ein verbindlicher oder unverbindlicher Kostenvoranschlag abgegeben wurde, wenn die Umstände, die zur Mehrarbeit führen in der Bestellersphäre liegen (so auch 5 Ob 519/85; 9 Ob 66/99t; 7 Ob 67/00d; 9 Ob 109/06d). Auch die Literatur, die diese Ansicht zum Teil kritisiert, vertritt nicht die Meinung, dass sich die Frist zur Anzeige bloß verlängere.
Die Mehrkostenforderung erfolgt daher trotz verspäteter Anzeige der Mehrkosten zu Recht.
Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.