Mutmaßungen über Schadensursache begründen noch keine Erkundungsobliegenheit des Geschädigten
Die Verjährungsfrist beginnt regelmäßig erst dann zu laufen, wenn der Geschädigte durch Gutachten Einblick in die Zusammenhänge erlangt hat. Bloß per E-Mail geäußerte Vermutungen über eine Schadensursache sind für den Verjährungsbeginn nicht maßgeblich.
Die Klägerin beauftragte die Beklagte im Jahr 2007 mit Generalunternehmerarbeiten. Gegenstand der Arbeiten war die Ausführung eines Wärmedämmverbundsystems der Fassaden samt Verputzarbeiten. Die Beklagte beauftragte damit ein Subunternehmen.
Die Subunternehmerin klagte die Beklagte wegen eines offenen Werklohnanspruchs. Die Klägerin war in diesem Verfahren – mit Ausnahme der Teilnahme an einer zweiten Befundaufnahme durch den Bauleiter der Klägerin samt vorheriger Terminankündigung durch die Beklagte im Jahr 2011 – nicht involviert. Im Rahmen der Befundaufnahme wurde der Laibungsanschluss eines Fensters vom Sachverständigen geöffnet. Einer weiteren zerstörenden Öffnung des Fassadenteils zur Kontrolle durch den Sachverständigen stimmte die Klägerin aufgrund bleibender sichtbarer Schäden durch die Öffnung nicht zu.
In den Folgejahren kam es mehrmals zu Schäden in Form von Rissen, Holstellen und Putzablösungen an der Fassade, welche von der Klägerin gerügt und von der Subunternehmerin behoben wurden. Im Jahr 2017 gab die Klägerin ein Privatgutachten in Auftrag, nach welchem festgestellt wurde, dass der Systemputz eine zu geringe Schichtdicke aufwies. Die Klägerin begehrte erst im Jahr 2019 gerichtlich Ersatz der für die Sanierung der Mängel am Wärmedämmverbundsystem aufzuwendenden Kosten.
Schadenersatzansprüche verjähren in drei Jahren ab dem Zeitpunkt, zu dem der Eintritt des Schadens und die Person des Ersatzpflichtigen dem Geschädigten soweit bekannt wurden, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg eingebracht werden kann (RS0034524; RS0050338). Wenn auch der anspruchsbegründende Sachverhalt dem Geschädigten nicht in allen Einzelheiten bekannt sein muss, muss er doch in der Lage sein, das zur Anspruchsbegründung erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RS0034524 [T24, T25]). Wenn die Kenntnis des Kausalzusammenhangs und bei verschuldensabhängiger Haftung die Kenntnis der Umstände, die das Verschulden begründen, Fachwissen voraussetzt, beginnt die Verjährungsfrist regelmäßig erst dann zu laufen, wenn der Geschädigte durch ein Sachverständigengutachten Einblick in die Zusammenhänge erlangt hat (RS0034603 [T23]). Wenn eine Verbesserung des Wissensstands nur so möglich und dem Geschädigten das Kostenrisiko zumutbar ist, kann im Einzelfall die Einholung eines Privatgutachtens als Obliegenheit des Geschädigten angesehen werden (RS0034327 [T10]). In diesem Zusammenhang ist an einen Fachmann ein strengerer Maßstab anzulegen (4 Ob 92/19m).
Der Oberste Gerichtshof vertritt zum Werkvertragsrecht in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, dass ein Schaden erst in dem Zeitpunkt entstanden ist, in dem klargestellt wurde, dass es zur Verbesserung des Werks durch den Unternehmer nicht mehr kommen wird (RS0022078). Die Verjährung dieses Schadenersatzanspruchs beginnt demnach erst dann zu laufen, wenn dem Besteller erkennbar ist, dass eine erfolgte Verbesserung misslungen ist, oder wenn feststeht, dass der Werkunternehmer die Verbesserung endgültig verweigert (RS0022078 [T3, T5]; RS0021755 [T10]).
Ohne ausdrückliche Verbesserungszusage ist für den Verjährungsbeginn der Zeitpunkt relevant, zu dem der Werkunternehmer die Verbesserung endgültig abgelehnt hat. Vor Scheitern der Sanierung hat der Schädiger noch keinen Anlass, kostspielige Untersuchungen darüber anzustellen, ob er einen Schadenersatzanspruch mit Aussicht auf Erfolg geltend machen kann. Es würde die Erkundigungspflicht überspannen, darüber trotz zugesagter Verbesserung Untersuchungen anzustellen, sich also genauere Kenntnis über einen Schaden zu verschaffen, der sich im Vermögen des Bestellers erst nach dem erfolglosen Verbesserungsversuch auswirkt.
Die Rechtsprechung nimmt eine Wissenszurechnung durch jene Personen (Wissensvertreter) an, die – sowohl als selbständige Dritte als auch Gehilfen – vom Geschäftsherrn damit betraut wurden, Tatsachen, deren Kenntnis rechtserheblich ist, entgegenzunehmen oder anzuzeigen. Das Berufungsgericht hat in Folge richtig erkannt, dass die bei der Klägerin angestellten Baumeister, die einerseits Empfänger der E-Mail vor Befundaufnahme sowie andererseits bei der Befundaufnahme selbst anwesend waren, Wissensvertreter sind. Deren Wissen wäre der Klägerin somit unmittelbar zurechenbar.
Die 2011 geäußerten Mutmaßung der Beklagten, es läge vermutlich eine zu geringe Stärke der „Spachtelung“ vor, lässt nicht darauf schließen, dass die in Folge aufgetretenen Fassadenschäden auf grundlegende Verarbeitungsfehler der Fassade zurückzuführen seien. Die Erkundigungspflicht der Klägerin wäre überspannt, würde man ihr vorhalten, sie hätte ihre Zustimmung zur Öffnung der Fassade anlässlich der Befundaufnahme im Verfahren zwischen der Beklagten und der Subunternehmerin deshalb nicht zurückziehen dürfen.
Eine Verletzung der Erkundigungspflicht durch die Klägerin ist daher zu verneinen. Die Verjährung begann somit nicht schon in diesem Zeitpunkt zu laufen, sondern erst als klargestellt wurde, dass es zur Verbesserung des Werks durch die Beklagte nicht mehr kommen werde.