Gesetzesupdate: Grundbuchs-Novelle 2024
Mit 1. September trat in Österreich eine Novelle des Grundbuchs(umstellungs)gesetzes in Kraft. Diese liefert Neuerungen wie etwa die Möglichkeit eines Antrages auf Beschränkung der Einsicht in die Urkundensammlung (§ 6b GUG). Aus diesem Anlass werfen wir einen Blick auf die alte und neue Rechtslage.
Problemstellung
Das Grundbuch ist in Österreich essenziell: Zur Erlangung von Eigentum an einer Liegenschaft bedarf es der Eintragung im Grundbuch. Dies stellt den sogenannten „Modus“ dar. Um jedoch das Eigentumsrecht ins Grundbuch eintragen zu können, bedarf es einer „verbücherungsfähigen“ Urkunde (zB Kaufvertrag, Schenkungsvertrag, Einantwortungsbeschluss, Scheidungsvergleich, etc), in der festgehalten wird, dass der alte Eigentümer sein Eigentumsrecht abgibt und an den neuen Eigentümer übertragen will (sogenannter „Titel“). Dieser Titel wird sodann im Grundbuch in der Urkundensammlung hinterlegt.
Das Grundbuch sowie seine „Nebenbücher“ (insbesondere die Urkundensammlung) sind in Österreich bei Gericht oder online (hier der Link) gegen eine geringe Gebühr öffentlich einsehbar. Zweck dieser Einsehbarkeit ist es, durch Offenkundigkeit der Rechtsverhältnisse den Rechtsverkehr zu schützen: Ein gutgläubiger Erwerber soll auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuches vertrauen können. Dazu soll auch ein Blick auf die vorangegangenen Eigentümer (etwa durch Einsicht in die Kaufverträge) möglich sein, um so die Kette der Rechtserwerbe und -verluste lückenlos nachvollziehen zu können.
Als Urkunde zur Eintragung des Eigentums ins Grundbuch kann auch ein Scheidungsvergleich dienen. In diesem regeln Ehegatten die Aufteilung des ehelichen Vermögens, aber auch Unterhalt, Schulden, Obsorge und Kontaktrecht mit den Kindern. Dient eine solche Urkunde nun der Eintragung des Eigentums im Grundbuch, so kann jedermann in den Scheidungsvergleich Einsicht nehmen, weil der Vertrag in die Urkundensammlung aufgenommen wird.
Diese Einsehbarkeit in teils sensible Daten steht in einem Spannungsverhältnis zu dem aus Art 8 EMRK entfließenden Recht auf Privat- und Familienleben. Im Fall Liebscher/Österreich (EGMR, 6.4.2021, 5434/17) entschied der EGMR grosso modo, dass den Grundbuchsgerichten ein Abwägungsrecht (Verhältnismäßigkeitsprüfung) zukommen müsse, ob die Veröffentlichung sensibler Daten, welche für die Aufrechterhaltung des Interesses der Allgemeinheit an der Öffentlichkeit des Grundbuches (Richtigkeit, Genauigkeit, Überprüfbarkeit) nicht erforderlich sind, noch im Einklang mit Art 8 EMRK steht. Ein solches Abwägungsrecht oder die Möglichkeit, ausschließlich Teile einer Urkunde in der Urkundensammlung zu veröffentlichen, bestand mangels gesetzlicher Grundlage nämlich bisher nicht.
Bisherige Rechtslage und Judikatur
Konsequenz dieser Entscheidung des EGMR war, dass der OGH (OGH 30.3.2022, 8 Ob 3/22g) fortan judizierte, dass trotz fehlender gesetzlicher Grundlage das Grundbuchsgericht sich nach Einsicht in den gesamten Scheidungsfolgenvergleich mit der Veröffentlichung einer Teilausfertigung in der Urkundensammlung begnügen kann, um dem Grundrecht des Antragstellers oder der Antragstellerin auf Schutz persönlicher Daten im Sinn des Art 8 EMRK Rechnung zu tragen. Weiters hätten Vertragsverfasser damit begonnen, Geheimhaltungsinteressen möglichst schon bei der Formulierung der Eintragungsgrundlagen zu berücksichtigen.
Dennoch setzt Österreich die Entscheidung des EGMR nun mit einer expliziten gesetzlichen Regelung um:
Neue Rechtslage
Im neu geschaffenen § 6b GUG wird nun ein Antragsrecht auf Einsichtsbeschränkung normiert. Mit einem solchen Antrag kann jede Person, deren Daten des Privat- oder Familienlebens in (irgend-)einer digital abrufbaren Urkunde ersichtlich sind (also auch Dritte; „Aktivlegitimation“) gebührenbefreit begehren, dass diese Daten in der öffentlich einsehbaren Urkunde unkenntlich gemacht werden. Dazu muss der Antragsteller ein berechtigtes Interesse darlegen. Das Gericht (zuständig ist das Gericht in dessen Sprengel die Liegenschaft liegt) hat sodann eine Abwägung zwischen dem Recht auf Privat- und Familienleben (Art 8 EMRK) und dem Interesse an der Richtigkeit, Genauigkeit und Überprüfbarkeit des Grundbuches vorzunehmen. Wenn das Geheimhaltungsinteresse überwiegt, ist dem Antrag stattzugeben.
Als Beispiele für solche sensiblen Daten können angeführt werden: Ausführungen über Unterhalt, Obsorge, Kontaktrechte sowie vergleichbare Daten, die in keinem „direkten“ Zusammenhang mit der Grundbuchseintragung stehen. Nicht unkenntlich gemacht werden können aber insb der Kaufpreis, die Parteien des Titelgeschäftes, Angaben zu Vorkaufs- und Wiederkaufsfällen etc (vgl die Ausführungen in Fucik, Keine Grundbuchseinsicht in sensible Daten, ÖJZ 2024/109 sowie die Gesetzesmaterialien).
Folge der Stattgebung ist, dass in der öffentlichen Urkundensammlung nur mehr ein um die sensiblen Daten „bereinigtes“ Dokument (dieses muss der Antragsteller dem Antrag beilegen) einsehbar ist. Die originale Urkunde ist somit „gesperrt“ – eine Einsichtnahme ist nur möglich, wenn ein rechtliches Interesse besteht. Das bereinigte Dokument muss überdies mit einem Hinweis versehen werden, dass ein Einsichtsbeschränkungsverfahren stattgefunden hat.
Einsichtsbeschränkungsverfahren unterliegen keiner Befristung. Es können somit sowohl bereits (seit langer Zeit) hinterlegte Urkunden als auch zukünftig zu hinterlegende Urkunden Gegenstand des Verfahrens sein. Allerdings können ausschließlich digital abrufbare Urkunden Gegenstand eines solchen Verfahrens sein. Ältere – nur physisch vorhandene Urkunden können somit nicht „geschwärzt“ werden.
Neben dem Antrag auf Einsichtsbeschränkung hat der Gesetzgeber festgelegt, dass in bestimmten Fällen bereits amtswegig „gesonderte Ausfertigungen“ – ohne den zur Eintragung nicht erforderlichen persönlichen Daten – ausgefertigt werden müssen, die dann als Eintragungsgrundlage dienen (§ 6c GUG; § 93 Abs 4 und § 178 Abs 4 AußStrG). Dies hat insbesondere bei Scheidungsfolgenvereinbarungen, Auflösungsvereinbarungen (§ 55a EheG, § 15 Abs 2 EPG), Aufteilungsbeschlüssen (§§ 81 ff EheG, §§ 24 ff EPG) und Einantwortungsbeschlüssen zu erfolgen. Damit wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass in Fällen, in denen mit einer gewissen Anzahl an Anträgen gerechnet werden muss, von vornherein keine Antragstellung im Einzelfall notwendig ist.
Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.