Eigenerrichtung eines Grenzzauns nach Entfernung: Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB?
Wer für einen anderen einen Aufwand betreibt, den dieser dem Gesetze nach selbst hätte machen müssen, hat das Recht, dafür den Ersatz zu fordern.
Klägerin und Beklagte sind Eigentümer benachbarter bebauter Liegenschaften. Die Liegenschaft der Beklagten grenzt vom jeweiligen Zugang aus gesehen mit ihrer rechten Seite an die linke Seite der Liegenschaft der Klägerin. Bis Oktober 2019 waren die Höfe der beiden Liegenschaften durch eine auf der Liegenschaft der Beklagten errichteten Mauer abgegrenzt. Im Haus der Klägerin befindet sich ein Kindergarten mit einem dazugehörigen Spielplatz, welcher im Hof eingemietet ist. Im Hof der Beklagten befindet sich ein Parkplatz.
Nachdem die Grenzmauer eingerissen wurde und die Beklagte trotz mehrmaliger Aufforderung durch die Klägerin die Mauer nicht wieder aufstellte, ließ die Klägerin einen Zaun um 2.155,64 EUR errichten. Die dafür aufgewendeten Kosten begehrt die Klägerin in ihrer Klage, weil gemäß § 858 ABGB der ausschließende Besitzer schuldig sei, eine Mauer neu aufzuführen, wenn durch die Öffnung dem Grenznachbarn ein Schaden entstanden sei oder ein solcher droht. Die Klägerin habe ein dringendes Bedürfnis an der Wiederrichtung der abgerissenen Mauer gehabt, weil ihr ein Schaden iSd § 1293 ABGB gedroht habe, da der Kinderspielplatz nicht mehr gefahrlos benutzt werden konnte.
Ihr sei ein Schaden in Höhe des Klagebetrags entstanden, da die Beklagten den Schaden durch Verletzung eines Schutzgesetztes nämlich § 858 ABGB rechtwidrig und schuldhaft verursacht habe. Weiters habe die Klägerin einen Aufwand getätigt, welchen die Beklagte Partei selbst zu tätigen verpflichtet gewesen wäre.
Die Beklagte wandte ein, es liege kein Schaden vor, weil auch ohne die Mauer eine ausreichende Abgrenzung vorhanden gewesen sei.
Das Klagebegehren wurde durch das Erstgericht abgewiesen und das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Klägerin keine Folge. Die Revision der Klägerin ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob auf § 858 ABGB ein Anspruch auf Ersatz der Errichtungskosten einer Einfriedung auf eigenem Grund gestützt werden kann, wenn der nach Satz 2 eigentlich dazu verpflichtete Eigentümer der Nachbarliegenschaft trotz Aufforderung keine errichtet hat.
Der OGH sprach aus, dass die Klägerin ihr Begehren auf Ersatz der von ihr aufgewendeten Kosten für die Neuerrichtung einer Einfriedung nicht auf Schadenersatz gründen kann. Zwar konnte sie einen drohenden Schaden nachweisen, jedoch hat sie nicht behauptet, dass es tatsächlich zum Eintritt eines derartigen Schadens gekommen ist. Die von ihr aus eigenem Entschluss aufgewendeten Kosten der Errichtung des Grenzzauns stellen daher keinen ihr iSd § 1293 ABGB zugefügten Schaden dar.
Jedoch hat gemäß § 1042 ABGB „wer für einen Andern einen Aufwand macht, den dieser nach dem Gesetze selbst hätte machen müssen, das Recht, den Ersatz zu fordern“. Das Wesen dieses Anspruchs ist es, dass jemand aus dem Rechtsgut des Eigentümers ohne Rechtsgrund einen Vorteil zieht (der Vorteil fließt dem Berechtigten aber nicht unmittelbar zu, sondern durch Abnahme einer Last, durch eine Leistung des Verkürzten, die nach dem Gesetz der Bereicherte zu leisten hatte [RS00199808]. Der Ersatzberechtigte muss die Leistung aus eigenen Mitteln für den dazu Verpflichteten erbracht haben, dem dadurch eine Last abgenommen wird. Die Bereicherung des Anderen besteht grundsätzlich darin, dass er von seiner Verpflichtung befreit wird.
Im vorliegenden Fall kann der Rückerstattungsanspruch der Klägerin nach diesen Grundsätzen auf einen sog. Verwendungsanspruch gemäß § 1042 ABGB gestützt werden. Die Beklagte wurde vom OGH daher dem Grunde nach zum Ersatz der eingeklagten Errichtungskosten verpflichtet, die Höhe des Ersatzanspruches ist vom Erstgericht (durch Einholung eines Sachverständigengutachtens) noch zu ermitteln.