Doppelverkauf – Haftung des Treuhänders?

Doppelverkauf – Haftung des Treuhänders?

Wird im Zuge eines Bauträgervertrages ein Treuhänder mit der Abwicklung des Ratenplanmodelles in Verbindung mit dem grundbücherlichen Sicherungsmodell beauftragt, so haftet der Treuhänder grundsätzlich für Fehler, die dazu führen, dass der Erwerber nicht die vereinbarte Rechtsstellung erwerben kann.

Sachverhalt

Eine Bauträgerin beabsichtigte auf einem ihrer Liegenschaften ein Bauvorhaben umzusetzen. Die Liegenschaft sollte real geteilt werden und auf den daraus resultierenden Grundstücken sollten drei Reihen- und zwei Einfamilienhäuser mit einer gemeinsamen Tiefgarage errichtet werden.

Im Jahr 2016 erwarben die Kläger von der Bauträgerin eines der Grundstücke samt dem noch von der Bauträgerin zu errichtenden Eckreihenhaus und einen Tiefgaragenplatz bzw ein Fünftel des Grundstückes, auf dem die Tiefgaragenrampe errichtet werden sollte, um 610.000 €.

Der Beklagte war der Vertragserrichter des Kaufvertrages und überdies der Treuhänder gemäß § 12 BTVG. Das Bauträgervertragsgesetz (BTVG) regelt im Wesentlichen die Übereinkunft zwischen einem Wohnungs- oder Hauskäufer mit einem Bauträger (oftmals also der Erbauer) über ein zu errichtendes oder zu erneuerndes Objekt. Dabei sieht das BTVG verschiedene Rechte und Schutzfunktionen für den Erwerber vor (Rücktritt, Sicherungen, etc). Unter anderem wird auch ein sogenanntes Ratenplanmodell vorgegeben (§ 10 BTVG). Bei diesem zahlen die Erwerber – wie im konkreten Fall – die Kaufpreissumme nicht an den Bauträger, sondern an einen Treuhänder. Dieser bezahlt je nach Baufortschritte einen gewissen Prozentanteil der Kaufpreissumme an den Bauträger aus. Diese Absicherung wird kombiniert mit einer sogenannten Ranganmerkung im Grundbuch (§ 9 BTVG: grundbücherliches Sicherungsmodell). Unter einer Ranganmerkung versteht man eine Anmerkung im Grundbuch, dass beispielsweise eine Veräußerung bzw ein Erwerb nur zugunsten einer gewissen im Rangordnungsbeschluss genannten Person erfolgen kann. Das soll absichern, dass auch wirklich nur diese Person Eigentum an einem Grundstück erwerben kann. Im konkreten Fall wurde eine Ranganmerkung zugunsten der Kläger im Grundbuch eingetragen und die einzige Ausfertigung dieses Beschlusses wurde an den Beklagten ausgefolgt.

Das Bauprojekt verzögerte sich und Mehrkosten waren absehbar. Die Bauträgerin verhandelte deshalb mit den Klägern über einen höheren Kaufpreis. Eine Einigung konnte nicht erzielt werden.

Die Ranganmerkung zugunsten der Kläger war auf ein Jahr befristet. Aufgrund der Verzögerung lief die Frist für den Rangordnungsbeschluss aus. Eine neue Ranganmerkung hätte ins Grundbuch eingetragen werden müssen. Die Bauträgerin weigerte sich jedoch scheinbar eine solche zu unterzeichnen.

In der Zwischenzeit hat die Bauträgerin das Objekt an einen (weiteren) Käufer verkauft (Doppelverkauf). Dieser war gutgläubig und konnte deshalb ultimativ Eigentum an der Liegenschaft und dem Eckreihenhaus erwerben. Da der zweite Käufer nicht bereit war, die Liegenschaft an die Kläger abzutreten, klagten diese den Treuhänder. Dieser hätte seine Pflichten aus dem BTVG bzw dem Treuhandvertrag vernachlässigt. Deshalb konnte der Doppelverkauf durchgeführt werden. Den Klägern entstand daraus ein Schaden in Höhe von knapp 220.000 € (frustrierte Vertragserrichtungskosten, Wertsteigerung der Liegenschaft, Finanzierungskosten etc; = Erfüllungsinteresse).

Der Beklagte wandte ein, er hätte den Doppelverkauf nicht verhindern können, er sei für die entstandenen Schäden nicht verantwortlich und als Treuhänder treffe ihn überdies keine Haftung für die Vertragserfüllung.

Vorinstanzen

Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Doppelverkauf sei ausschließlich auf das wissentliche und willentliche rechtswidrige Verhalten der Bauträgerin zurückzuführen. Der Beklagte habe dies nicht verhindern können.

Das Berufungsgericht wiederum gab der Berufung der Kläger Folge und hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Oberster Gerichtshof

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtete sich der Rekurs des Beklagten.

Zunächst stellte der OGH klar, dass der Treuhänder bei Vereinbarung des Ratenplanmodells in Verbindung mit der grundbücherlichen Sicherung (§§ 9, 10 BTVG) einerseits die Information des in der Regel rechtlich unerfahrenen Erwerbers und andererseits die ordnungsgemäße Vertragsabwicklung gewährleisten soll.

Zwar wird der Treuhänder nach dem Gesetz vom Bauträger bestellt, in der Regel wird er jedoch auch vom Erwerber beauftragt. Wenn, wie hier, zufolge Bestellung durch beide Vertragsparteien eine sogenannte zweiseitige Treuhand vorliegt (der Treuhänder hat diesfalls die gegenläufigen Interessen zu wahren), dann haftet der Treuhänder neben den Pflichten aus dem BTVG auch aus dem Treuhandauftrag nach allgemeinen Grundsätzen.

Eine weitere Haftung des Treuhänders kann sich aus dessen Tätigkeit als Vertragserrichter ergeben. Rechtsanwälte und Notare (in der Regel wickeln diese „Treuhandverhältnisse“ ab) müssen die Interessen beider Vertragsparteien wahrnehmen, wenn sie für beide Vertragsparteien tätig werden. Gleiches gilt auch, wenn sie nur die Bevollmächtigten eines Teiles sind (RS0026428 [T8]; RS0023549 [T6]). Die Vertragsparteien sollen sich somit darauf verlassen können, dass der Vertragserrichter sie vor Nachteilen schützt bzw dafür sorgt, dass der Vertragszweck erreicht werden kann.

Im konkreten Fall wurde der Treuhänder laut Kaufvertrag insbesondere zur Überwachung der Sicherungspflicht nach dem BTVG bestellt. Diese Pflicht ergibt sich überdies (wie kurz oben angedeutet) auch aus dem BTVG (§ 12 Abs 3 Z 2 BTVG).

Die Haftung aus Vertrag oder wegen Verletzung eines Schutzgesetzes wird jedoch durch den Schutzzweck der verletzten Norm begrenzt: Die Norm muss also die Verhinderung des Schadens intendiert haben. Bei Vertragsverletzungen ergibt sich dies aus dem Interesse, das der Vertrag bzw die verletzte Norm schützen sollte.

Bei einer mehrseitigen Treuhandschaft zum Zweck der Abwicklung eines Liegenschaftskaufvertrages hat der Treuhänder für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglich übernommenen Aufgaben einzustehen (RS0104573). Das BTVG normiert dabei besondere Funktionen, die über die normale Treuhandabwicklung hinausgehen. Im konkreten Fall hatte der Beklagte einerseits die Pflichten aus dem Vertrag und andererseits aus dem BTVG zu erfüllen. Das von den Vertragsparteien vereinbarte Sicherungsmodell (§ 9 BTVG) in Verbindung mit dem Ratenplanmodell (§ 10 BTVG) soll das besondere Interesse am Erwerb einer bestimmten Wohnung sichern. Die grundbücherliche Sicherung soll also den Schutz des Erwerbs der vereinbarten Rechtsstellung (also Vertragserfüllung) gewährleisten. Der Erwerber soll so gestellt werden, dass er auch ohne Zutun des Bauträgers (beispielsweise bei dessen Insolvenz) die vereinbarte dingliche Rechtsstellung erlangen kann. Die Pflichten des Treuhänders dienen deshalb gerade diesen Interessen, weswegen eine Schadenersatzpflicht vom Schutzzweck gedeckt ist.

Wenn der Schaden durch die Nichterfüllung einer Leistungspflicht verursacht wurde (wie bei der Verletzung der besonderen Treuhänderpflichten), so hat der Schädiger den Zustand herzustellen, der bei gehöriger Erfüllung entstanden wäre (positives Erfüllungsinteresse; Nichterfüllungsschaden). Wenn der Schaden bloß durch unrichtige oder unterbliebene Beratung (wie zB Vertragserrichtung durch einen Rechtsanwalt oder Notar) verursacht wurde, so ist in der Regel bloß der Vertrauensschaden zu ersetzen (also der Schaden, der eingetreten ist, weil auf den ordnungsgemäßen Vertrag vertraut wurde). Dennoch ist auch in diesem Fall die Vermögensdifferenz zu ersetzen, die bei pflichtgemäßer Beratung nicht eingetreten wäre.

Ob der im konkreten Fall eingetretene Schaden ein positiver Schaden ist oder (nur) entgangener Gewinn, der grundsätzlich nur bei grobem Verschulden zu ersetzen ist, muss das Erstgericht mit der aufgetragenen Verfahrensergänzung feststellen.

Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

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