Benützungsentgelt wegen Nutzung des Luftraumes durch einen Baukran

Benützungsentgelt wegen Nutzung des Luftraumes durch einen Baukran

Das Überschwenken eines Grundstückes mit einem Kranarm stellt ohne Zustimmung eine rechtswidrige Benützung des Grundstückes (Luftraum) dar. Um Ersatzansprüche aufgrund von Verwendungsansprüchen zu vermeiden, kann nach der Bauordnung für Wien ein Bescheid (auch gegen den Willen des Eigentümers) ergehen, der eine solche Nutzung gestattet.

Sachverhalt

Die Kläger sind Eigentümer einer in Wien befindlichen Liegenschaft. Die Beklagte ist Bauunternehmerin und bebaute ein benachbartes Grundstück. Im Zuge der Bebauung war es notwendig, Kräne auf der Baustelle aufzustellen. Einer dieser Kräne überschwenkte die Liegenschaft der Kläger zum Teil mehr als 100-mal täglich für einen Zeitraum von rund sieben Monaten. Das Überschwenken erfolgte auch außerhalb der Arbeitszeiten, da der Kranarm zur Windsicherung frei beweglich war. Überdies beleuchtete die Bauunternehmerin den Kran und damit auch den Innenhof sowie die der Baustelle zugewandten Fenster des Wohnhauses der Kläger über einen Zeitraum von etwa 3,5 Monaten.

Da in dicht bebauten Gebieten (wie etwa Innenstadtlagen) bei größeren Bauvorhaben das Überschwenken von Nachbargrundstücken unvermeidlich ist, sieht die Bauordnung für Wien Abhilfe vor: Demnach müssen Eigentümer von Nachbarliegenschaften die anlässlich einer Bauführung oder Instandsetzung notwendigen, ohne Benützung des Nachbargrundes oder des darüber befindlichen Luftraumes nicht möglichen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglichen Arbeiten einschließlich der nötigen Sicherungsmaßnahmen (zB Baugruben-Sicherungen) gegen Ersatz des erlittenen Schadens auf ihrer Liegenschaft gestatten (§ 126 Abs 1 BO für Wien). Sofern ein Eigentümer diese Zustimmung nicht gibt, hat die zuständige Behörde diese de facto zu ersetzen und zu entscheiden, ob eine Verpflichtung zur Duldung der Nutzung (zB des Luftraumes) besteht und wenn ja, welchen Umfang diese hat (§ 126 Abs 3 BO für Wien). Wichtig ist jedoch anzumerken, dass die Bauführung bzw die Arbeiten, die eine solche Beeinträchtigung auslösen, erst beginnen dürfen, wenn der (zustimmungsersetzende) Bescheid rechtskräftig wird.

Im konkreten Fall hat die Bauunternehmerin die Arbeiten bereits vor Rechtskraft des Bescheides gestartet. Die Kläger fühlten sich durch die Nutzung ihres Luftraumes in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. Anzumerken ist, dass sich in Österreich das Eigentum an einer Liegenschaft auch auf den Luftraum erstreckt, sofern eine Möglichkeit der Einwirkung auf diesen besteht (Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 297 Rz 14 [Stand 1.8.2022, rdb.at]; 5 Ob 193/69).

Die Bauunternehmerin hat versucht, mit den Eigentümern der von den Überschwenkungen betroffenen Liegenschaften eine Einigung zu erzielen. Dies gelang ihr auch, außer mit den Klägern. Andere Liegenschaftseigentümer stimmten der Nutzung entweder unentgeltlich zu oder vereinbarten eine pauschale Nutzungsgebühr (1.800 € bzw 1.000 € pro Monat – wobei diese monatliche Zahlung durch die besondere Beeinträchtigung durch das Überschwenken zweier Kranarme gerechtfertigt wurde).

Die Kläger forderten von der beklagten Bauunternehmerin die Zahlung von 21.700 € als Benützungsentgelt bzw Schadenersatz (§§ 1295 ff ABGB und § 1041 ABGB). Der reduzierte Wohnwert sei wegen des Überschwenkens mit 2.800 € monatlich zu bewerten und die Ausleuchtung mit 600 € monatlich.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und entgegnete, dass das Benützungsentgelt höchstens 2.100 € betragen könne. Schadenersatzansprüche würden der Klägerin keine zustehen.

Vorinstanzen

Das Erstgericht sprach der Klägerin unter Abweisung des Mehrbegehrens 2.100 € zu. Ein Verwendungsanspruch (dieser dient im österreichischen Recht dem Ausgleich eines unbefugt verschafften Vorteils) sei zum Ausgleich der Bereicherung (Nutzung des Luftraumes) angemessen. Schadenersatzansprüche würden jedoch mangels materiellem Schaden (der geltend gemachte „geminderte Wohnwert“ stellt bloß einen immateriellen Schaden dar) nicht zustehen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und stellte abermals fest, dass die Nutzung aufgrund der Nicht-Einhaltung des Prozederes der BO für Wien (s dazu oben) rechtswidrig war, woraus ein Verwendungsanspruch resultiert. Überdies ließ das Berufungsgericht die Revision an den OGH zu, da es noch keine Rechtsprechung zu den Ansprüchen des Eigentümers nach § 1041 ABGB bei rechtsgrundloser Verwendung des Luftraumes über einer privaten Liegenschaft gibt.

Oberster Gerichtshof

Mit der Revision begehrten die Kläger scheinbar die Ausdehnung des zugesprochenen Verwendungsanspruches, da dieser laut ihnen von den Vorinstanzen „viel zu gering bemessen“ war.

Der OGH führte zunächst aus, dass es richtig sei, dass aus dem Verstoß gegen die BO für Wien eine rechtswidrige Nutzung des Grundstückes (Luftraumes) der Kläger resultierte und daraus ein Verwendungsanspruch abgeleitet werden kann.

Richtig ist auch, dass sich der Verwendungsanspruch bei einem unredlichen Nutzer der Liegenschaft am höchsten zu erzielenden Nutzungsentgelt bemisst (§ 417 ABGB; RS0020150 [T6]). Die Kläger brachten in ihre Klage jedoch nicht vor, dass der Klagsbetrag das höchste erzielbare Benützungsentgelt sei bzw woraus sich dieses ergibt. Aus diesen Gründen erörterte der OGH die Frage der Entgeltbemessung aufgrund unredlicher Benutzung nicht weiter.

Darüber hinaus stellte der OGH fest, dass nach ständiger Rechtsprechung der Bereicherte (die Bauunternehmerin), der wissentlich eine fremde Sache (das Grundstück) verwendet dem Verkürzten (den Klägern) ein angemessenes Nutzungsentgelt zu zahlen hat (§ 1041 ABGB; RS0019850). Die Höhe wird je nach Einzelfall bemessen. Da die Kläger ausschließlich pauschal behaupteten, dass der zugesprochene Betrag zu gering sei, mangelt es an einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) und der OGH beanstandete auch in diesem Fall die Entscheidung der Vorinstanzen nicht.

Zur Frage, ob den Klägern ein Schadenersatzanspruch aufgrund geminderten Wohnwertes zusteht führte der OGH aus, dass die Ansicht der Vorinstanzen richtig sei, dass kein Ersatz zustehe. Ein Ersatz von immateriellen Schäden (welche die Beeinträchtigung des Wohnwertes darstellen) ist nach ständiger Rechtsprechung nur bei entsprechender gesetzlicher Grundlage zu ersetzen (RS0022544 [T1]). Mangels gesetzlicher Grundlage ist der geminderte Wohnwert (Wohn- und Lebensqualität) daher nicht zu ersetzen (1 Ob 604/92; 1 Ob 16/95; 1 Ob 148/06f; 6 Ob 231/12g; vgl 10 Ob 39/21i).

Die Revision war daher mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen.

Praxistipps

  • Bauunternehmer sollten vor Beginn von Arbeiten, die den Luftraum eines Nachbargrundstückes beeinträchtigen könnten, versuchen, eine Einigung mit den betroffenen Eigentümern zu erzielen.
  • Wird eine solche Einigung nicht erzielt, so kann nach der BO für Wien (andere Bundesländer sehen ähnliche Regelungen vor) ein „Ersatz der Zustimmung“ durch die zuständige Behörde mittels Bescheid ergehen. Die Arbeiten dürfen diesfalls erst nach Rechtskraft des Bescheides beginnen!
  • Wird der Luftraum der eigenen Liegenschaft unbefugterweise für Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück verwendet, so steht dem (verkürzten) Eigentümer ein Verwendungsanspruch zu. Dieser umfasst jedenfalls ein angemessenes Benützungsentgelt.

Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.

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