Bauschutt und Liegenschaftskauf
In der gegenständlichen Entscheidung befasst sich der OGH mit der Auslegung einer Klausel eines Liegenschaftskaufvertrags, die garantierte, dass das Kaufobjekt frei von jeglicher Kontamination ist und der Verkäufer sich verpflichte, dennoch vorhandene kontaminierte Materialien auf eigene Kosten zu entfernen. Das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts, nach dem Baurestemassen (Inertabfälle) und deren Entfernung nicht von dieser Klausel erfasst sind, war vom OGH nicht zu beanstanden.
Die Beklagte ist Gesamtrechtsnachfolgerin einer Genossenschaft, die mit Kaufvertrag vom 25.3.2019 drei Grundstücke an eine GmbH veräußerte. Auf einem der Grundstücke befand sich eine Tankstelle.
In Punkt V. dieses Kaufvertrags garantierte die Verkäuferin, dass der Kaufgegenstand, insbesondere im Bereich der auf der Liegenschaft vorhandenen Tankstelle, frei von jeglichen Kontaminationen ist, und verpflichtete sich für den Fall, dass weitere kontaminierte Materialien im Sinn von Abfällen, Sonderabfällen, gefährlichen Abfällen, Altöle oder sonstige Kontaminationen und/oder Altlasten im Sinne des Altlastensanierungsgesetzes vorhanden sind, die im Zug der Bebauung des Grundstücks zu entfernen sind, dies auf eigene Kosten durchzuführen.
Mit Kaufvertrag vom 13.11.2019 erwarb die Klägerin die Grundstücke von der GmbH (Erstkäuferin). Die GmbH trat der Klägerin ebenfalls sämtliche Ansprüche gegen die Beklagte aus dem Kaufvertrag vom 25.3.2019 ab.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung von 89.261,13 EUR gestützt auf Schadenersatz und Gewährleistung und die Feststellung, dass die Beklagte „für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte Bodenverunreinigungen dieser Grundstücke […] und die damit verbundenen, kausalen Kosten und Entsorgungskosten dieser Bodenverunreinigungen“ hafte. Es entspreche dem Vertragswillen der Parteien (Kaufvertrag vom 25.3.2019), dass die Beklagte als Verkäuferin für Abfälle im weitesten Sinn, daher auch für Bauschutt und Baureste hafte und dafür die Entsorgungspflicht übernehme.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die laut OGH keine erheblichen Rechtsfragen ansprach und daher mit Beschluss zurückzuweisen war.
Entscheidend für den gegenständlichen Fall ist die Auslegung der streitgegenständlichen Klausel. Grundsätzlich ist eine Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rsp des OGH abweicht oder eine solche Rsp fehlt oder uneinheitlich ist. Regelmäßig bergründen Auslegungsfragen wegen ihres Einzelfallcharakters keine erhebliche Rechtsfrage. In diesem Lichte sind die folgenden Ausführungen des OGH zu sehen:
Die richtige Auslegung einer Vereinbarung im Einzelfall bildet nach ständiger Rechtsprechung nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn in krasser Verkennung der Auslegungsgrundsätze ein unvertretbares, aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigierendes Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042776[T31]). Dies ist in der gegenständlichen Entscheidung nicht der Fall.
Daher begründet selbst der Umstand, dass nach den Feststellungen allenfalls auch eine andere Auslegung vertretbar gewesen wäre, noch keine im Interesse der Rechtseinheit und Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung (RS0112106; RS0042776 [T2]; RS0044298 [T39]).
Obwohl die außerordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage vom OGH mit unbegründetem Beschluss zurückgewiesen werden kann, äußerte sich der OGH trotzdem auf Sachebene zum Auslegungsergebnis, nämlich wie folgt:
Die Klägerin argumentiert, dass Punkt V. des Kaufvertrags vom 25.3.2019 auch die im Verfahren gegenständlichen Baurestemassen (Inertabfälle) erfasse. Mit seinem gegenteiligen Auslegungsergebnis soll das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und jener des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen sein.
Wird eine übereinstimmende abweichende Parteienabsicht nicht festgestellt, so ist bei der Auslegung des Vertrags von dessen Wortlaut auszugehen. Die Bedeutung eines Worts ist dabei im Gesamtzusammenhang zu betrachten (RS0017831). Die Klägerin konnte mit ihrer isolierten Betrachtung des Worts „Abfälle“ nicht nachvollziehbar darstellen, dass die Beklagte nach der Vereinbarung ohne Bezug zu einer möglichen Kontamination des Bodens die Haftung für alle Arten von Abfall übernommen hätte. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei Bauschutt bzw Baurestmassen um „Abfälle“ (dazu § 2 Abs 4 Z 6 Abfallwirtschaftsgesetz – AWG) handelt.
Feststeht, dass die Parteien des Vertrags vom 25.3.2019 eine unterschiedliche Auffassung davon hatten, was unter dem Begriff „Kontamination“ zu verstehen sei. Wenn die Klägerin daher meint, es sei ausdrücklich vereinbart worden, dass die Beklagte als Verkäuferin auch für die Entfernung von Inertabfällen (Baurestemassen) hafte, weicht sie vom festgestellten Sachverhalt ab (RS0043312 [T4]).
In der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung zu 3 Ob 200/13b hat sich der Oberste Gerichtshof mit der Auslegung des Begriffs „Kontamination“ bei ähnlicher Sachlage auseinandergesetzt (siehe dazu Blog Beitrag vom 27.02.2014). Auch in dem dort entschiedenen Fall ging es um eine Haftungsklausel in einem Kaufvertrag über ein Grundstück, auf dem sich ein Öltank befand. Im vorliegenden Fall haben die Parteien im Zuge der Vertragsverhandlungen ausdrücklich besprochen, dass sich auf einem der Grundstücke eine Tankstelle befindet, von der „naturgemäß Gefahren im Sinn einer Verunreinigung oder Kontaminierung des Bodens ausgehen können“. Warum es bei dieser Sachlage unvertretbar sein soll, dass sich das Berufungsgericht an der genannten Vorentscheidung orientierte, und ausgehend davon zum Ergebnis gelangte, dass der Begriff „Kontaminierung“ – wie in der Vorentscheidung – einschränkend zu verstehen sei und nur Verunreinigungen mit Öl sowie all jene Verunreinigungen erfassen sollte, die vergleichbare Auswirkungen haben, also die Umwelt und/oder Gesundheit von Menschen gefährden, ist nicht zu erkennen. Mit ihrer Behauptung, der hier gegenständliche Betonabfall sei umweltgefährdend, entfernte sich die Klägerin von den Tatsachenfeststellungen.
Praxistipp: Insbesondere bei größeren Liegenschaftstransaktion empfiehlt es sich eine entsprechende Due Diligence durchzuführen um allfällige Risiken zu erkennen und sich dann über entsprechende Gewährleistungs- und Garantieklauseln abzusichern. Auch für den Liegenschaftserwerb im kleineren Rahmen ist es ratsam, sich über das Kaufobjekt genau zu informieren und dieses im Vorfeld zu begutachten.
Um auch – wie im gegenständlichen Fall Baurestmassen mit zu regeln – sind mE zwei Dinge Voraussetzungen: 1. Die Parteien müssen darüber gesprochen haben. 2. Eine weitestmögliche Formulierung, was den Begriff „Abfälle“ betrifft.