Keine Bindungswirkung der Prüffähigkeit einer Teil- und Schlussrechnung
Wird in einem Vorprozess mit Urteil rechtskräftig festgestellt, dass eine Teilrechnung nicht prüffähig ist, bedeutet dies nicht, dass das Urteil Bindungswirkung für einen Folgeprozess hat, in welchem der Auftraggeber die Prüffähigkeit der Teilrechnung unter Verweis auf ein Privatgutachten behauptet.
Die Beklagte beauftragte die Klägerin 2012 mit Baumeisterarbeiten für die Sanierung von Wohnungen und den Einbau von Ferienwohnungen. Im dazu abgeschlossenen Werkvertrag wurden teilweise von den einschlägigen Ö-Normen abweichende Bedingungen für die Rechnungslegung vereinbart. Es waren entsprechend dem Baufortschritt monatliche Teilrechnungen zu legen, die die gesamte Abrechnung bis zum jeweiligen Rechnungsstichtag enthalten sollen. Teil- oder Schlussrechnungen, die nicht den vereinbarten Bedingungen entsprachen oder aus sonstigen Gründen nicht prüfbar waren, konnten gemäß der Vereinbarung von der Beklagten zurückzustellt werden. Die Fälligkeit sollte in diesem Fall erst nach verbesserter Rückmittlung eintreten.
Über die Bezahlung der von der Klägerin gelegten 11. Teilrechnung war zwischen den Parteien ein Rechtsstreit anhängig, der rechtskräftig durch Klagsabweisung mangels Fälligkeit beendet wurde. Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass die Teilrechnung in zumindest zwei festgestellten Positionen nicht prüffähig war und daher zu Recht von der Auftraggeberin zurückgestellt wurde.
Die Klägerin begehrte in Folge nach vorzeitiger Vertragsbeendigung die Bezahlung beider Schlussrechnungen einschließlich der offenen Forderung aus der 11. Teilrechnung. Nachträglich von der Klägerin eingeholte Privatgutachten hätten ergeben, dass diese Teilrechnung sehr wohl prüfbar sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da sich die Klägerin nicht bereit erklärt habe, über ein Sachverständigengutachten im Prozess die Abrechnungsmängel zu beheben, sei der Anspruch aus den Schlussrechnungen nicht fällig.
Das Berufungsgericht hob das Urteil mit dem angefochtenen Beschluss auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Die fehlende Identität der rechtserzeugenden Sachverhalte stehe einer Bindungswirkung der Vorentscheidung entgegen. Der Gegenstand des Vorverfahrens sei die Fälligkeit der Teilrechnung zum damaligen Zeitpunkt gewesen. Diese stelle keine Vor- oder Hauptfrage für das vorliegende Verfahren dar, in dem es um die Fälligkeit der später gelegten Schlussrechnungen gehe. Die Frage, ob die Schlussrechnung – allenfalls aus denselben Gründen wie die 11. Teilrechnung – nicht prüfbar sei, müsse mangels Bindungswirkung des Urteils im Vorprozess eigenständig festgestellt werden.
Der OGH hielt fest, dass die Bindungswirkung einer rechtskräftigen Entscheidung Ausfluss der Rechtskraftwirkung ist. Sie schließt die neuerliche Verhandlung, Beweisaufnahme und Prüfung des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs bzw Rechtsverhältnisses aus, nicht aber die Verhandlung und Entscheidung über ein neues, nicht identes Begehren.
Das Ausmaß der Bindungswirkung eines rechtskräftigen Urteils wird durch den Urteilsspruch bestimmt (RS0041331; RS0041357). Für die Auslegung sind erforderlichenfalls die Entscheidungsgründe heranzuziehen (RS0043259; RS0041357). Die rechtskräftige Verneinung eines Anspruchs ist auf den vom Gericht zur Abweisung herangezogenen Sachverhalt eingeschränkt (RS0039843). Die rechtskräftige Verneinung des Anspruchs beschränkt sich grundsätzlich auf den vom Gericht zur Abweisung herangezogenen Grund, hindert aber die Geltendmachung desselben Begehrens aus anderen rechtserzeugenden Tatsachen nicht (10 Ob 33/16z).
Die Beurteilung von bloßen Vorfragen erwächst nicht in Rechtskraft (RS0042554, RS0039843; RS0041178).
Worüber im Vorprozess als Hauptfrage entschieden wurde, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen. Zur Individualisierung des Hauptgegenstands sind auch die rechtserzeugenden Tatsachen und der rechtliche Subsumtionsschluss heranzuziehen (RS0127052).
Im hier zugrunde liegenden Vorverfahren wurde von der Beklagten der Einwand der mangelnden Fälligkeit der 11. Teilrechnung erhoben. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen klagsabweisenden Urteil hat das Erstgericht bindend entschieden, dass die geltend gemachte Forderung bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz nicht fällig war. Diese Entscheidung hindert die neuerliche Geltendmachung der Forderung zu einem anderen Fälligkeitstermin nicht.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der im Vorverfahren angenommene Grund für die mangelnde Fälligkeit, nämlich formale und inhaltliche Mängel der Rechnung, für diese Beurteilung nur eine Vorfrage darstellte, deren Entscheidung im vorliegenden Verfahren die Gerichte nicht bindet, entspricht der Rechtsprechung.