Verzug mit Abschlagszahlungen
Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit Bohrarbeiten. Es wurden monatliche Abschlagzahlungen vereinbart. Die Beklagte stellte aufgrund des Verzuges der Klägerin mit der Bezahlung der Abschlagszahlung – entgegen der Weisungen der Klägerin – ihre Arbeiten ein. Der OGH befasst sich in der folgenden Entscheidung mit der Frage, ob die Beklagte im Lichte des § 1170 ABGB und des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 1052 ABGB dazu berechtigt war.
Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit Bohrarbeiten. Als Fertigstellungszeitpunkt wurde der 30.6.2018 „angestrebt“. Vereinbart war, dass die Beklagte monatlich Abschlagsrechnungen legt, die als anerkannt gelten, wenn die Klägerin nicht innerhalb von 14 Tagen Einwendungen erhebt.
Es kam zu Verzögerung der Arbeiten, die hauptsächlich auf geologisch bedingte Nachfälle zurückzuführen waren. Wegen dieser Nachfälle musste Zement in das Bohrloch eingebracht und neuerlich gebohrt werden.
Am 30.10.2018 führte die Beklagte entgegen der Anweisung der Klägerin keine zusätzliche Zementierung mehr durch, sondern räumte die Baustelle und forderte die Bezahlung mehrerer bereits gelegten Abschlagsrechnungen (iHv 289.827,83 EUR) sowie eine Sicherheitsleistung nach § 1170b ABGB.
Die Klägerin erklärte daraufhin am 27. 11. 2018 den Rücktritt vom Vertrag.
Dadurch sah sich die Klägerin genötigt ein anderes Unternehmen zu beauftragen, dass die Bohrung fertigstellt und begehrte von der Beklagten die dadurch entstandenen Mehrkosten iHv 553.031,57 EUR sA. Dem entgegnete die Beklagte, sie sei aufgrund des Zahlungsverzuges der Klägerin dazu berechtigt gewesen die Arbeiten einzustellen.
Das Erstgericht wies eine Teilbetrag iHv 22.600,26 EUR sA ab und stellte fest, dass das darüberhinausgehende Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab.
Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.
Die Klägerin war der Ansicht, dass sie aufgrund der „Vorleistungspflicht“ der Beklagten nicht zur Bezahlung der Abschlagsrechnungen verpflichtet gewesen sei, sodass die Beklagte die Arbeiten nicht einstellen hätte dürfen.
Der OGH führte dazu aus, dass der Werklohn nach § 1170 ABGB erst nach Vollendung des Werks beansprucht werden kann, sodass die damit verbundene Vorleistungspflicht des Werkunternehmers das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1052 erster Satz ABGB ausschließt (RIS-Justiz RS0019881; RS0020092). Wird allerdings die Verrechnung von Abschlagszahlungen nach Baufortschritt vereinbart, so hat sich der Werkbesteller zu einem Vorschuss auf den Werklohn verpflichtet, auch wenn die Verjährung der Werklohnforderung erst später beginnt (9 Ob 32/16w). Der OGH hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass eine solche Vorschusspflicht (Abschlagszahlung) dazu führt, dass dem Werkbesteller selbst im Fall einer mangelhaften Leistung die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags nach § 1052 ABGB verwehrt ist (10 Ob 10/10h; 4 Ob 105/12p; 9 Ob 44/16k).
Dass ein so unverbesserbares mangelhaftes Werk vorgelegen wäre, dass damit die Unbrauchbarkeit verbunden war (vgl Kietaibl in Schwimann/Neumayr ABGB5 § 1170 Rz 6) und dass dies innerhalb der 14-tägigen Einwendungsfrist geltend gemacht worden sei, wurde von der Klägerin nicht vorgebracht.
Denn sieht der Vertrag eine Vorleistungspflicht des Bestellers vor (gegenständlich Abschlagszahlung), so ist die Berufung eines gewährleistungspflichtigen Werkunternehmers darauf sittenwidrig, wenn das Werk derart unverbesserbar mangelhaft ist, dass damit dessen Unbrauchbarkeit verbunden ist (Kietaibl in Schwimann/Neumayr ABGB5 § 1170 Rz 6).
Die Beklagte durfte daher die Arbeiten einstellen, weil sich die Klägerin mit den Abschlagszahlungen in Verzug befunden hat. Der OGH bestätigte somit die diesbezüglich Rechtsansicht des Berufungsgerichts.
Nach ständiger Rechtsprechung besteht ein Rücktrittsrecht nach § 918 Abs 2 ABGB auch, wenn die Interessen eines Vertragsteils durch Nichterfüllung, Verletzung von Schutzpflichten oder deliktischen Handlungen so erheblich beeinträchtigt werden, dass ihm die Aufrechterhaltung des Vertrags aufgrund des eingetretenen Vertrauensverlusts nicht mehr zugemutet werden kann (RS0018286; RS0111147). Das Rücktrittsrecht wegen Verlust des Vertrauens bleibt erhalten, wenn sich der Vertragspartner selbst in Leistungsverzug befindet und die Aufrechterhaltung des Vertrags unzumutbar ist (RS0018286 [T6]). Aufgrund einer schweren Erschütterung des Vertrauens in die Person des Vertragspartners bedarf der Rücktritt auch keiner Nachfrist (RS0018286 [T8]; RS0111147 [T2]).
Ein derart wichtiger Grund, der einen Vertrauensverlust und eine sofortige Vertragsaufhebung rechtfertigt, konnte in der Nichtbefolgung der Anweisung der Klägerin und dem Verlassen der Baustelle nicht erblickt werden, weil die Beklagte aufgrund des Zahlungsverzuges der Klägerin dazu berechtigt war. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Klägerin die Fortsetzung des Vertrags trotz einzelner Fehlleistungen der Beklagten zumutbar war, wurde vom OGH überdies nicht beanstandet.