Bestellung eines besonderen Vertreters bei Klage gegen die Gesellschaft eines Geschäftsführers

Bestellung eines besonderen Vertreters bei Klage gegen die Gesellschaft eines Geschäftsführers

Die Bestellung eines besonderen Vertreters iSd § 46 Nr 8 dGmbHG ist auch zulässig, wenn nicht gegen einen Geschäftsführer vorgegangen wird, sondern gegen eine durch ihn mittelbar beherrschte Gesellschaft. Das Vorhandensein eines weiteren Geschäftsführers hindert die Bestellung nicht.

Beteiligungen und Geschäftsführung

Klägerin ist eine GmbH mit drei Gesellschafterinnen. Die C GmbH (Alleingesellschafter-Geschäftsführer: R) hält 50%, die insolvente H GmbH (Alleingesellschafter: W) hält 40% und die insolvente Hl GmbH hält 10% (siehe auch Organigramm).

Geschäftsführer der Klägerin war bis Juni 2008 W, ab Ende 2008 zudem R. Im August 2010 wurde Ri zum weiteren Geschäftsführer bestellt.

Die Beklagte ist ebenso eine GmbH. Dessen Alleingesellschafterin ist die L GmbH, die wiederum ausschließlich im Eigentum von R steht, der auch der Geschäftsführer der L GmbH ist.

Vorgeschichte

Im Jahr 1999 schloss die Klägerin mit Ha GmbH (Käuferin) einen Kaufvertrag über die Veräußerung von Anteilen an einer weiteren Gesellschaft. Zwischen den Kaufvertragsparteien kam es zum Streit: Die Klägerin, R und W GmbH (W hat den Anspruch an diese abgetreten) erhoben 2010 eine (Teil-)Schiedsklage gegen die Käuferin.

Zur Finanzierung des Prozesses schloss die Klägerin vertreten durch die Geschäftsführer R und Ri, auf Grundlage eines Gesellschafterbeschlusses (2011) mit der Beklagten einen Prozessfinanzierungsvertrag. Dieser sah vor, dass die Beklagte die Prozesskosten übernehmen soll und bei Erfolg der Klage eine 30%ige Erlösbeteiligung erhalten soll.

Spätestens 2015 kam es jedoch zwischen den Gesellschafterinnen der Klägerin (bzw dessen Insolvenzverwaltern) zum Streit über die Wirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrages.

Im Juni 2016 fassten die Gesellschafter der Klägerin einen Umlaufbeschluss, in dem der Insolvenzverwalter der Gesellschafterin H GmbH, Rechtsanwalt B, ermächtigt wurde, einen Rechtsanwalt mit der Erhebung der Klage gegen die Beklagte auf Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrages zu beauftragen.

In der Folge erhob die Klägerin, vertreten durch den besonderen Vertreter B gegen die Beklagte die Feststellungsklage. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Während des Berufungsverfahrens haben im Jahr 2019 die Gesellschafter der Klägerin einstimmig den Beschluss gefasst, dass der Insolvenzverwalter der H GmbH in dem Beschluss von 2016 als besonderer Vertreter iSd § 46 Nr 8 Fall 2 dGmbHG (analog) ermächtigt worden ist und werden sollte. Diese Bestimmung des dGmbHG weist den Gesellschaftern die Kompetenz zu, einen „besonderen Vertreter“ für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie für die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat, zu ernennen. Das soll Interessenkollisionen vermeiden. Auch in Österreich kann, wenn Klage gegen den Geschäftsführer erhoben wird, ein Notgeschäftsführer bzw Prozesskurator bestellt werden (§ 15a GmbHG).

Etwa eine Woche später stimmten H GmbH und Hl GmbH gegen die Stimmen von C GmbH für eine Neufassung bzw Ergänzung des Beschlusses von 2016. Dieser solle enthalten, dass der besondere Vertreter vorsorglich zur Klageerhebung rückwirkend ermächtigt wird, eine Ausschöpfung des Instanzenzuges stattfinden soll, eine Leistungsklage auf Rückzahlung der bereits aus dem Prozessfinanzierungsvertrag erbrachten Zahlungen und eine negative Feststellungsklage.

Die Klägerin weitete die Klage auf die bereits geleisteten Zahlungen (knapp 5,9 Mio €) und um den Antrag auf Feststellung, dass den Beklagten kein Anspruch aus dem Prozessfinanzierungsvertrag zusteht aus.

Das Berufungsgericht wies die Klage als unzulässig zurück: Dem besonderen Vertreter kommt in konkreten Fall keine gesetzliche Vertretungsbefugnis zur Klagserhebung zu. Durch die Gesellschafterbeschlüsse von 2016 und 2019 wurde der besondere Vertreter nicht wirksam bestellt, da die Beklagte keine Geschäftsführerin der Klägerin war. Eine analoge Anwendung der Bestimmungen über den besonderen Vertreter wegen Interessenkonflikte in der Person eines Geschäftsführers sei nicht angebracht – insbesondere auch weil die Vertretungsmacht des Geschäftsführers grundsätzlich nicht beschränkbar ist.

Neben dem Vertretungsmangel sei die Feststellungsklage im Übrigen unzulässig, da kein Feststellungsinteresse besteht. Die Beklagte hatte die Klägerin zuletzt im Jahr 2014 aus dem Prozessfinanzierungsvertrag in Anspruch genommen. Die Revision wurde zugelassen.

Bundesgerichtshof

Wirksame Bestellung des besonderen Vertreters?

Zunächst führte der BGH aus, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nach § 46 Nr. 8 dGmbHG zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die mit einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers begründet werden, ein besonderer Vertreter bestellt werden, auch wenn nicht direkt gegen den Geschäftsführer geklagt wird, sondern gegen eine von ihm mittelbar beherrschte Gesellschaft (in unserer Konstellation: Geschäftsführer R war mittelbar über die L GmbH an der Beklagten beteiligt):

Normzweck des § 46 Nr. 8 dGmbHG ist es, eine unvoreingenommene, nachdrückliche Prozessführung der Gesellschaft in Rechtsstreitigkeiten sicherzustellen, in denen die Geschäftsführer insgesamt oder teilweise als Vertretungsorgane nicht in Betracht kommen, weil sie aufgrund eigener Betroffenheit befangen sein könnten. Dass dies einerseits jedenfalls gilt, wenn ein Geschäftsführer direkt in Anspruch genommen wird, ist klar. Andererseits kann jedoch nichts anderes gelten, wenn gegen eine Gesellschaft geklagt wird, die mittelbar oder unmittelbar von einem Geschäftsführer beherrscht wird. Immerhin geht es auch in solchen Fällen um dessen persönliche und wirtschaftliche Interessen (auch) im Hinblick auf seine mittelbare Beteiligung und Beherrschung. Die Fälle der Geltendmachung gegen den Geschäftsführer selbst oder gegen eine von ihm beherrschte Gesellschaft sind somit gleichzusetzen.

Fraglich ist, ob eine Bestellung eines besonderen Vertreters auch zulässig ist, wenn nicht gegen alle Geschäftsführer (oder deren beherrschte Gesellschaften) vorgegangen wird – immerhin könnte(n) der oder die anderen Geschäftsführer die Gesellschaft im Prozess gegen den beschuldigten Geschäftsführer vertreten. Hierzu stellte der BGH fest, dass nach herrschender Rechtsprechung die Gesellschafterversammlung auch dann einen besonderen Vertreter bestellen kann, wenn nicht gegen alle Geschäftsführer oder deren beherrschte Gesellschaften vorgegangen wird und somit theoretisch gesehen eine Vertretung durch weitere Geschäftsführer möglich wäre. Ratio dahinter ist, dass dieser Geschäftsführer ebenso unter Umständen nicht vollkommen unvoreingenommen ist.

Deckung der geltend gemachten Ansprüche von der Vertretungsmacht?

Die Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrages, dessen Nichtigkeit unter anderem mit dem Missbrauch der Vertretungsmacht durch R beim Abschluss des Vertrages begründet wird, fällt unter die Ersatzansprüche iSd § 46 Nr. 8 dGmbHG. Auch damit einhergehenden vertragliche oder außervertragliche Ersatzansprüche sind von § 46 Nr. 8 dGmbHG erfasst.

Mangelndes Feststellungsinteresse?

Zum Feststellungsinteresse führte der BGH im Wesentlichen aus, dass dieses gegeben ist.

Zustandekommen des Beschlusses von 2019 zur Ermächtigung des besonderen Vertreters

Im Jahr 2019 fassten H GmbH und Hl GmbH gegen die Stimmen von C GmbH den Beschluss zur Erweiterung der Klagebefugnis. C GmbH unterlag bei dieser Abstimmung einem Stimmverbot nach § 47 Abs 4 dGmbHG: Ist ein GmbH-Gesellschafter Alleingesellschafter einer Drittgesellschaft, so unterliegt dieser nach Rechtsprechung des BGH einem Stimmverbot, wenn ein Beschluss über die Prozessführung gegen diese Drittgesellschaft gefasst wird. Gleiches gilt, wenn der GmbH-Gesellschafter zwar nicht direkter Gesellschafter der Drittgesellschaft ist, sondern über eine Gesellschaft, dessen einziger Gesellschafter der GmbH-Gesellschafter ist.

In diesen Fällen ist das Stimmverbot deswegen gerechtfertigt, weil die wirtschaftliche Verbindung zur Drittgesellschaft so stark ist, dass sie mit einer unmittelbaren Beteiligung gleichzusetzen ist, was eine unbefangene Stimmabgabe de facto ausschließt.

Im konkreten Fall war C GmbH befangen, da dessen alleiniger Gesellschafter R zu 100% an L GmbH beteiligt war, die wiederum zu 100% an der beklagten Gesellschaft beteiligt ist.

Die übrigen Gesellschafter (H GmbH und Hl GmbH) haben dem Beschluss wirksam zugestimmt, weswegen die Klagsführung durch den besonderen Vertreter auch aus diesem Grund zulässig ist.

Eine von der Beklagten ins Rennen gebrachte Treuwidrigkeit des Beschlusses erblickte der BGH im Übrigen ebenso nicht.

Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.

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