Einwand der Haftungsbeschränkung

Einwand der Haftungsbeschränkung

Ö-NORMEN sehen zum Teil niedrige Haftungshöchstbeträge vor. Sind diese vereinbart, führt dies zur Reduktion des Regressanspruches nach § 67 VersVG. Wird ein Regulierungsangebot abgegeben, so ist dieses im Zweifel kein konstitutives Anerkenntnis.

Sachverhalt

Die Zweitbeklagte Werkunternehmerin erhielt von einer Gemeinde den Auftrag, den örtlichen Bauhof zu erneuern (Bruttoauftragssumme inkl USt: 115.694,84 €). Im Zuge dessen wurden sogenannte Schwarzdeckerarbeiten durchgeführt. Dies sind Isolierungsmaßnahmen, mit denen insbesondere Dächer wasserdicht gemacht werden sollten. Oftmals wird dies – wie auch in diesem Fall – mittels Flämmarbeiten durchgeführt.

Die Bauherrin vereinbarte mit der Zweitbeklagten unter anderem, dass die ÖNORM B 2110 zur Anwendung kommen soll. ÖNORMEN sind standardisierte, vorgefertigte Vertragstexte, die oftmals in der Baubranche vereinbart werden. Sie weichen zum Teil erheblich von den allgemeinen Bestimmungen (etwa des ABGB) ab. Die ÖNORM B 2110 sieht zur Haftung (auszugsweise) Folgendes vor (Hervorhebungen durch die Verfasser):

„[…] 12.3 Schadenersatz allgemein

12.3.1 Hat ein Vertragspartner in Verletzung seiner vertraglichen Pflichten dem anderen schuldhaft einen Schaden zugefügt, hat der Geschädigte Anspruch auf Schadenersatz wie folgt:

  1. bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit auf Ersatz des Schadens samt des entgangenen Gewinns (volle Genugtuung);
  2. wenn im Einzelfall nichts anderes geregelt, bei leichter Fahrlässigkeit auf Ersatz des Schadens:
  3. bei Rücktritt und bei Personenschäden ohne Begrenzung:
  4. in allen anderen Fällen mit folgenden Begrenzungen;

bei einer Auftragssumme bis zu 250.000 EUR höchstens 12.500 EUR […]“

In einem anderen Punkt vereinbarten die Vertragsteile, dass der Auftraggeber grundsätzlich für alle Schäden, die durch das Verschulden des Auftragnehmers bzw seiner Gehilfen und Subunternehmer entstehen, bis zur Abnahme durch den Auftraggeber/Vertreter oder Inbetriebnahme des Objektes haftet. Zusätzlich vereinbarten die Vertragsteile eine Reihenfolge, welche Vorschriften bei etwaigen Widersprüchen (zB Vertrag bestimmt unbeschränkte Haftung, ÖNORM B 2110 eine beschränkte [s oben]) anzuwenden sind. Diese Reihenfolge gab (grosso modo) Folgendes vor:

  • Bauvertrag vor
  • Leistungsverzeichnis vor
  • den Vorbemerkungen zur Bau- und Ausführungsbeschreibung vor
  • den besonderen Vertragsbedingungen vor
  • den allgemeinen technischen Vorschriften für Bauleistungen vor
  • den Ö-NORMEN

Am zu isolierenden Dach befanden sich zum Zeitpunkt der Arbeiten bereits Dämmplatten, die nach Isolierung des Daches angebracht werden sollten. Diese wiesen zwar alle die vorgeschriebene Brandschutzklasse, jedoch dennoch zwei unterschiedliche Qualitätsstufen vor: Eine Lieferung enthielt Platten, die zusätzlich als „schwer entflammbar“ eingestuft wurden, die zweite Lieferung jedoch nicht. Die Zweitbeklagte nahm an, dass alle Platten die höhere Qualitätsstufe aufwiesen.

Der Erstbeklagte, ein Mitarbeiter der zweitbeklagten Baufirma, führte Flämmarbeiten am Dach durch. Er legte das Flämmgerät mit eingeschalteter Flamme am Boden ab. Als er sich dem Flämmgerät wieder näherte, kam ihm eine Stichflamme aus dem Palettenstapel mit den Dämmplatten der niedrigeren Qualitätsstufe entgegen, die nahe den Arbeiten gelagert waren. Der Brand ist nicht auf das Ablegen des Flämmers zurückzuführen. Die Platten der höheren Qualitätsstufe brannten nicht, sondern schmorten nur. Insgesamt wurde durch das Brandereignis am Bauhof ein Schaden von 344.841,68 € verursacht.

Der Brand wurde vermutlich durch einen auf verschiedene Umstände zurückzuführenden Luftstau, der durch jede offene Flamme zu einer explosionsartigen Brandausweitung und Entzündung führen würde, verursacht. Das auf dem Dach gelagerte Material wurde weder abgekühlt noch bewässert. Auch wurden keine alternativen Methoden angewendet, um Schutz vor dem Flämmgerät und den dadurch entstehenden Gefahren zu bieten. Dies würden die einschlägigen Richtlinien, die bei Flämmarbeiten anzuwenden wären, jedoch vorsehen. Eine Schulung des Erstbeklagten betreffend Brandschutz wurde von der Zweitbeklagten weder vorgenommen noch angeboten.

Die Klägerin, welche der Feuerversicherer der Liegenschaftseigentümerin ist, überwies der Gemeinde 12.500 €. Der Haftpflichtversicherer der Zweitbeklagten schrieb der Klägerin (Hervorhebungen durch dir Verfasser):

Wir […] teilen nach Prüfung der Unterlagen mit, dass wir in den Schaden/Regressforderung dem Grunde nach eintreten. Nach Abschluss Ihrer Tätigkeit werden Sie den Gesamtschaden benennen und samt Unterlagen zur Verfügung stellen, um den Regress bedienen zu können. Sollten Sie eine Akontozahlung wünschen, wären wir bereit, diese auch auszubezahlen, da das Gutachten nachvollziehbar und schlüssig den Schaden abschätzt.

Ein weiteres Mail vom 9. 5. 2019 an die Klägerin lautete im Wesentlichen wie folgt:

Wir erklären hiermit, in den Schadenfall einzutreten und dass Versicherungsschutz für die […] grundsätzlich gegeben ist. Leider können wir aus dem Gutachten nicht entnehmen, welche geschädigten Teile das Werk des VN betreffen und somit nicht unter Versicherungsschutz stehen. […] Aktuell sind wir aber bereit eine Akontozahlung von 250.000 EUR zu leisten und bitten um Bekanntgabe, wohin dieser Betrag zu überweisen wäre.

Am 24. 6. 2019 schrieb der Haftpflichtversicherer der Zweitbeklagten der Klägerin wie folgt:

„[…] Wie schon zum Ausdruck gebracht, müssen wir davon ausgehen, dass unser VN den Brand verursacht und verschuldet hat, allerdings nicht grob fahrlässig (siehe Strafverfahren). Wir sind daher der Ansicht, dass bei der Regressabrechnung nicht nur das eigene (nicht versicherte) Gewerk in Abzug zu bringen ist, sondern die Haftungsbeschränkung der ÖNORM zu beachten ist, da diese ÖNORMEN Grundlage zum Auftrag waren. Gemäß dieser ÖNORM-Haftungsbeschränkung liegt daher bei einem Auftragsvolumen unter 250.000 EUR der Schadenersatz bei maximal 12.500 EUR. […] Diese 12.500 EUR überweisen wir gleichzeitig mit diesem Schreiben auf Ihr Konto […]“.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von 337.625,88 € von den Beklagten. Sie sei die Feuerversicherung der Liegenschaftseigentümerin und habe die Versicherungsleistung erbracht, weswegen der Anspruch ihrer Versicherungsnehmerin auf sie übergegangen sei (§ 67 VersVG). Im Wesentlichen brachte sie Folgendes vor:

  • Themenkreis Verschulden: Der Erstbeklagte habe den Schaden schuldhaft verursacht. Er habe grob fahrlässig die einschlägigen Bestimmungen des Brandschutzes missachtet. Die Zweitbeklagte hafte aus Vertrag für das Verhalten des Erstbeklagten. Auch habe sie es unterlassen den Erstbeklagten zu schulen.
  • Themenkreis Haftungsbeschränkung: Auf die Haftungsbeschränkung der ÖNORM B 2110 könne sich die Zweitbeklagte nicht berufen, weil sie in den Zusatzbestimmungen des Auftrages abgeändert wurde.
  • Themenkreis Anerkenntnis: Zusätzlich habe der Haftpflichtversicherer der Zweitbeklagten ein konstitutives Anerkenntnis (siehe Mitteilungen oben) abgegeben.

Die Beklagten entgegneten:

  • Themenkreis Verschulden: Die Platten seien schicksalshaft in Brand geraten. Ein Verschulden der Mitarbeiter der Zweitbeklagten ist nicht zu erkennen.
  • Themenkreis Haftungsbeschränkung: Die Haftungsbeschränkung der ÖNORM sei wirksam vereinbart worden. Die zusätzlichen Ausführungen im Vertrag zur Haftung würden nicht zu einer Änderung oder Derogierung dieser Beschränkung führen.
  • Themenkreis Anerkenntnis: Aus der vorprozessualen Korrespondenz lasse sich kein konstitutives Anerkenntnis ableiten.

Vorinstanzen

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Im Wesentlichen bestätigte es die Ausführungen der Beklagten. Das Berufungsgericht gab der Klägerin teilweise Folge. Es bestätigte die Klagsabweisung hinsichtlich der Erstbeklagten und änderte es hinsichtlich der Zweitbeklagten in eine gänzliche Klagsstattgabe ab: Die vereinbarte ÖNORM komme aufgrund der vertraglich vereinbarten Reihenfolge nicht zur Anwendung, die Zweitbeklagte hafte daher auch bei leichter Fahrlässigkeit für den gesamten Schaden. Die Zweitbeklagte habe ihre Schutz- und Sorgfaltspflichten nicht eingehalten und durch das Unterlassen von Schutzmaßnahmen vertragswidrig gehandelt.

OGH-Entscheidung

Zunächst führte der OGH aus, dass aufgrund der Aussagen der Parteien und der Vorinstanzen nicht klar ist, welcher Verschuldensgrad die Zweitbeklagte trifft. Es ist daher unumgänglich, das Urteil aufzuheben und zur Ergänzung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Zum Themenkreis der Haftungsbeschränkung führte der OGH aus, dass bei der behaupteten Kollision von ÖNORM und Vereinbarung im Vertrag zu prüfen ist, ob es sich bei der ÖNORM-Bestimmung nicht um eine bloße Konkretisierung der (vereinbarten) Haftungsbestimmung handle. Ausgehend davon, dass vertraglich nur vereinbart wurde, dass bis zur Abnahme (et al; siehe oben) der Auftragnehmer für Schäden zu haften habe, ist davon auszugehen, dass es sich bei der ÖNORM-Bestimmung nur um eine Konkretisierung der Haftungsvereinbarung handle, weswegen keine Konkurrenz vorliege und die Bestimmungen der ÖNORM anzuwenden sind. Bei leichter Fahrlässigkeit ist somit die Haftungsbeschränkung einzuhalten.

Zum konstitutiven Anerkenntnis führte der OGH aus, dass dieses vorliege, wenn der Gläubiger seinen Anspruch ernstlich behauptet und der Schuldner die Zweifel am Bestehen des behaupteten Rechtes beseitigt, in dem er das Recht zugibt. Es muss daher die Absicht des Anerkennenden vorliegen, dass dieser eine neue Verpflichtung, unabhängig vom bestehenden Schuldgrund, schaffen will. Ein deklaratorisches Anerkenntnis ist hingegen kein Leistungsversprechen, sondern eine widerlegbare Wissenserklärung. Welches Anerkenntnis vorliegt, muss mittels Auslegung festgestellt werden. Im Zweifel gilt jedoch ein Regulierungsangebot eines Versicherers nicht als eigenes (konstitutives) Anerkenntnis (RS0032959). Im konkreten Fall entschied der OGH, dass aus dem Schriftverkehr nur hervorgeht, dass die Haftpflichtversicherung den Versicherungsschutz nur im Umfang der Haftung der Zweitbeklagten gegenüber der Bauherrin übernehmen will. Ein konstitutives Anerkenntnis liegt somit nicht vor.

Der Revision wurde aus diesen Gründen Folge gegeben und die Urteile der Vorinstanzen werden hinsichtlich der Zweitbeklagten aufgehoben und die Rechtssache wurde zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.

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