(Keine) Entschädigung nach Umwidmung eines bebauten Grundstückes
Kommt es durch die Umwidmung eines Grundstückes zu einer Nutzungsbeschränkung, sehen einige Landesgesetze (in concreto das NÖ ROG 2014) eine Entschädigung vor. Diese hat aber nicht in allen Fällen zu ergehen. Verfassungsrechtlich geboten ist eine Entschädigung nur bei Erbringung eines Sonderopfers oder aufgrund einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Essenziell ist es, auf die in den Landesgesetzen normierten Fristen zu achten.
Sachverhalt und Verfahren
Eine Stadtgemeinde (Antragsgegnerin) änderte mittels Verordnung den Flächenwidmungsplan. Betroffen war davon unter anderem das Grundstück der Antragstellerin. Auf diesem befindet sich eine bereits gebaute und bewohnte Villa mit vier Wohneinheiten und Parkplätzen.
Die Antragstellerin sah in der Umwidmung eine Vereitelung der Nutzung des Grundstückes. Gemäß § 36 Abs 1 NÖ ROG 2014 steht einem Eigentümer, dessen Grundstück einer Umwidmung unterliegt, eine Entschädigung zu, sofern dessen Nutzung „ausgeschlossen“ wird. Die Antragstellerin begehrte mit ihrem Antrag eine Entschädigung.
Die Stadtgemeinde entgegnete, dass die Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht zu einer Vereitelung der Nutzung geführt hätte, denn die bereits gebaute Villa kann wie bisher genutzt (bewohnt) werden. Ein Ausschluss der Nutzung iSd § 36 Abs 1 NÖ ROG 2014 liege nämlich nur vor, sofern die Nutzung unmöglich gemacht oder vereitelt wurde (8 Ob 85/20p). Dieser Ansicht schloss sich das Rekursgericht an.
Die Antragstellerin versuchte jedoch auch auf anderem Weg doch noch eine Entschädigung zu erlangen und brachte einen sogenannten Parteiantrag auf Normenkontrolle beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein. Ein solcher Parteiantrag kann gestellt werden, wenn in einem erstinstanzlichen (ordentlichen) Gerichtsverfahren ein Gesetz oder eine Verordnung angewendet wurde oder hätte angewendet werden müssen (Präjudizialität), die nach dem Empfinden der Antragstellerin gegen die Verfassung oder gegen einfache Gesetze verstößt. Der VfGH prüft sodann im Rahmen des Antrages die Gesetzmäßigkeit bzw Verfassungsmäßigkeit und hebt gegebenenfalls die angefochtene Norm auf. Diese aufgehobene Norm ist dann jedenfalls nicht auf den Fall anzuwenden, der das Normprüfungsverfahren ausgelöst hat („Ergreiferprämie“).
Die Antragstellerin begehrte in ihrem Parteiantrag auf Normenkontrolle (VfGH G 281/2022) die Aufhebung der Bestimmung (bzw einzelner Wortteile) des § 36 NÖ ROG 2014, die (unter anderem) die Entschädigung bei Umwidmung regelt. Behauptet wurde dabei, dass die Bestimmung einerseits nicht für jede gravierende Einschränkung der Nutzung eine Entschädigung vorsehe und andererseits die Bestimmung nur für den Fall des entgeltlichen Erwerbs eines Baugrundstückes gelte. Der VfGH lehnte jedoch den Antrag ab. Eine Ablehnung kann erfolgen, wenn die Senatsmitglieder keine Aussicht auf Erfolg der Beschwerde sehen.
Begründet wurde dies einerseits mit der Möglichkeit der verfassungskonformen Interpretation: Zwar spricht die angefochtene Bestimmung augenscheinlich nicht ausdrücklich davon, dass auch bei unentgeltlichem Erwerb eines Baugrundstückes eine Entschädigung bei Nutzungseinschränkungen zustehe, eine systematische und historische Interpretation ergibt jedoch, dass die Bestimmung sowohl entgeltliche als auch unentgeltliche Erwerbsvorgänge umfasst.
Das Argument, die angefochtene Bestimmung sähe nicht für jede gravierende Nutzungseinschränkung eine Entschädigung vor, weshalb Verfassungswidrigkeit vorliege, konterte der VfGH mit dem Verweis auf die ständige Judikatur. Demnach ist der Gesetzgeber grundsätzlich nicht verpflichtet, für jede Eigentumsbeschränkung eine Entschädigung vorzusehen. Eine Entschädigung steht grundsätzlich nur zu, sofern dies zur Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit notwendig ist oder wenn ein sogenanntes Sonderopfer von der beschränkten Person erbracht wird. Unter der Sonderopfertheorie versteht man die Judikatur des VfGH, dass es verfassungsrechtlich geboten sei, eine Person zu entschädigen, sofern sie durch die Eigentumsbeschränkung (oder -entziehung) gegenüber der Allgemeinheit bzw anderen Grundeigentümern ein besonders großer Nachteil trifft („sachlich nicht gerechtfertigtes Sonderopfer“ welches somit gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen würde). Ein solches liege aber dem VfGH zufolge aufgrund des Bebauungsplanes nicht vor. Die Bestimmung verstößt aus diesen Gründen weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen die Eigentumsfreiheit.
Der OGH führte hierzu aus, dass er grundsätzlich nicht an ablehnende Entscheidungen des VfGH gebunden sei, er aber die gleiche Ansicht hinsichtlich des Sonderopfers vertrete. Die außerordentliche Revision war deshalb zurückzuweisen und der Antragstellerin stand keine Entschädigung zu.
Praxistipp
Für die Praxis wichtig ist es zunächst die einschlägigen Landesgesetze zu prüfen, unter welchen Umständen eine Entschädigung zusteht. Sodann ist es essenziell, auf die in den Entschädigungsbestimmungen normierten Fristen zu achten – werden diese verpasst, kommt es unter Umständen zu einem Anspruchsverlust! Im konkreten Fall sieht § 36 Abs 5 NÖ ROG 2014 vor, dass der Antrag auf Entschädigung innerhalb von 5 Jahren nach Inkrafttreten der Änderung des Bebauungsplanes gestellt werden kann. Andere Bundesländer und deren Landesgesetze sehen auch (viel!) kürzere Fristen vor. Im Überblick gibt es in den einzelnen Bundesländern folgende Fristen (*):
- Burgenland: 1 Jahr ab Kundmachung des Flächenwidmungs-/Bebauungsplanes (§ 53 Abs 1 Bgld. RPG 2019)
- Kärnten: 1 Jahr ab Wirksamkeit der Rückwidmung (§ 37 Abs 6 K-ROG 2021)
- Niederösterreich: 5 Jahre ab Inkrafttreten der Änderung des Bebauungsplans (§ 36 Abs 5 NÖ ROG 2014)
- Oberösterreich: 1 Jahr ab Inkrafttreten des Flächenwidmungs-/Bebauungsplanes (§ 38 Abs 3 Oö. ROG 1994)
- Salzburg: 3 Jahre ab Wirksamkeit der Umwidmung (§ 49 Abs 4 S-ROG 2009)
- Steiermark: 1 Jahr ab Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes (§ 44 Abs 5 StROG 2010)
- Tirol: 1 Jahr ab Änderung des Flächenwidmungsplanes (§ 76 Abs 6 TROG 2022)
- Vorarlberg: 1 Jahr ab Änderung des Flächenwidmungsplanes (§ 27 Abs 3 V-RPG)
- Wien: Umfangreiche Regelungen zur Entschädigung bei Enteignungen und Umwidmungen finden sich etwa in den §§ 57 ff BO für Wien. Eine ausdrückliche Regelung einer Frist besteht soweit ersichtlich nicht.
Interessant für die Praxis kann auch sein, dass unter gewissen Umständen sogar die Verordnung, die eine Umwidmung normiert (sprich die den Flächenwidmungsplan ändernde VO) gleichheitswidrig (und somit gesetz- bzw verfassungswidrig) sein kann. Dies ist der Rechtsprechung zufolge insbesondere dann der Fall, wenn eine Umwidmung nur zur „Sanierung“ eines konsenswidrig erbauten Gebäudes oder nur zur Begünstigung eines Grundstückeigentümers ergeht.
(*) Hinweis: Kein Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit – die angeführten Regelungen können sich jederzeit ändern!
Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.