Ersitzung einer Dienstbarkeit zugunsten der Allgemeinheit durch eine Gemeinde
Eine Dienstbarkeit zur Benützung eines Weges kann auch durch eine Gemeinde zugunsten der Allgemeinheit ersessen werden, wenn Ortsansässige den Weg wie öffentliches Gut verwenden. Eine Absicht der Ersitzung für die Gemeinde ist bei der Benützung nicht notwendig.
Sachverhalt
Ausgangspunkt des Streites war ein seit dem Mittelalter bestehender Weg, der abschnittsweise auch über Privatgrundstücke führt. Ein Eigentümer (Beklagter), über dessen Grund der Weg führt, montierte Schilder mit der Aufschrift „Privatgrund – Durchfahrt bis auf Widerruf nur für Berechtigte“. Der Abschnitt auf dem Grundstück des Beklagten ist überwiegend beschottert und durch Torbögen bzw Begrenzungsmauern klar ersichtlich. Zusätzlich erschwerte der Beklagte die Durchfahrt durch das Platzieren von Steinen knapp neben dem Weg.
Der Weg stellt die kürzeste Verbindung zwischen zwei Ortschaften dar und wird bereits länger als 40 Jahre von Fußgängern, Wanderern, Fahrradfahrern sowie von Mopedlenkern benützt. Auch wird er von unmittelbaren Anrainern zum Erreichen ihrer Eigen- und Pachtgründe mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen verwendet. Nur selten verwendet wird der Weg von anderen Fahrzeugen (Zustelldienste, Firmenfahrzeuge) sowie Ortsfremden. Durch Ortsansässige wird der Weg auch gerne nach Dorffesten als „Promilleweg“ verwendet.
Aus diesen Gründen klagte die Gemeinde – gestützt auf die Ersitzung zugunsten der Allgemeinheit – den Beklagten auf
- Feststellung der Dienstbarkeit des Gehens sowie Fahrens mit Fahrzeugen aller Art (auch landwirtschaftliche Fahrzeuge),
- Zustimmung der Eintragung dieser Dienstbarkeit im Grundbuch,
- Entfernung der Schilder und der die Durchfahrt behindernden Steine, sowie
- Unterlassung künftiger Behinderungen.
Der Beklagte bestritt das Vorliegen der Voraussetzungen der Ersitzung zugunsten der Allgemeinheit.
Vorinstanzen
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt. Es stellte fest, dass zugunsten der Klägerin die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit ein- und mehrspurigen Fahrzeugen, ausgenommen landwirtschaftlicher Art bestehe, da diese Benützung durch die Gemeinde nachgewiesen werden konnte. Hinsichtlich der landwirtschaftlichen Fahrzeuge gelang der Beweis nicht. Weiters sprach es aus, dass der Beklagte die Schilder, nicht jedoch die Steine (die kein Hindernis der Durchfahrt darstellten) entfernen soll.
Das Berufungsgericht schränkte die Dienstbarkeit weiter ein und begrenzte die zulässige Nutzung des Weges auf das Gehen und Befahren mit Fahrrädern. Begründet hat das Gericht diese Entscheidung mit der mangelnden Notwendigkeit der Nutzung des Weges mit Kraftfahrzeugen für die Allgemeinheit. Aus der Nutzung des Weges mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen kann die Gemeinde kein Recht ableiten, da diese nur durch einzelne Anrainer stattfand.
Oberster Gerichtshof
Zunächst stellte der OGH fest, dass denjenigen die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Ersitzungsvoraussetzungen trifft, der als Ersitzungsbesitzer zu qualifizieren ist (RS0034237 [T2]; RS0034243 [T1]). Voraussetzung für die Ersitzung einer Dienstbarkeit ist die im Wesentlichen gleichbleibende, in bestimmten Umfang zu bestimmten Zwecken ausgeübte Nutzung, wobei die Rechtsausübung erkennbar sein muss.
Für die Ersitzung von Wegerechten durch eine Gemeinde reicht es aus, dass Gemeindeangehörige bzw Touristenpublikum den Weg benützen, wobei die Benützung so zu erfolgen hat, als wäre der Weg bereits öffentliches Gut (Jedermann sieht den Weg als öffentlich an). Eine besondere Absicht der Ersitzung für die Gemeinde ist nicht erforderlich. Weitere Voraussetzung ist die Notwendigkeit des Weges.
Ausgehend von diesen Voraussetzungen hielt der OGH fest, dass es nicht zu beanstanden wäre, dass das Berufungsgericht diese Voraussetzungen für zweispurige Kraftfahrzeuge als nicht nachgewiesen angesehen hat. Die Zwecke, wofür der Weg in der Vergangenheit (bloß) fallweise durch zweispurige Fahrzeuge verwendet wurde, stehen nicht fest. Aus der Anmerkung, der Weg sei ein „Promilleweg“ kann ebenso kein Nutzen für die Allgemeinheit abgeleitet werden. Die Abweisung des Klagebegehrens auf Feststellung der Dienstbarkeit des Fahrens mit mehrspurigen Fahrzeugen aller Art zugunsten der Allgemeinheit erfolgte daher zu Recht.
Dass das Berufungsgericht aber auch einspurige motorisierte Fahrzeuge von der Dienstbarkeit ausnahm, war eine Fehlentscheidung: Der Weg wurde von Mopeds als Abkürzung in das benachbarte Dorf regelmäßig verwendet. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes ist daher dahingehend abzuändern.
Schlussendlich sprach der OGH noch zu den landwirtschaftlichen Fahrzeugen aus, dass nur Landwirte zum Erreichen ihrer eigenen Grundstücke den Weg verwendet hätten. Eine Nützlichkeit für die Allgemeinheit ist daher nicht gegeben.
Die Dienstbarkeit besteht daher nur zugunsten von Fußgängern, Fahrrädern und einspurigen Kraftfahrzeugen.
Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.