Irrtumsanfechtung wegen Kalkulationsirrtum

Irrtumsanfechtung wegen Kalkulationsirrtum

Ein Kalkulationsirrtum stellt in der Regel einen bloßen Motivirrtum dar. Dieser kann nicht mit Irrtumsanfechtung geltend gemacht werden. Nur wenn die Kalkulation des Preises zum Gegenstand der Vertragsverhandlung oder zum Vertragsinhalt wurde, kann ein Irrtum bei der Kalkulation angefochten werden.

Sachverhalt

Die Beklagten bildeten für ein Bauvorhaben eine Arbeitsgemeinschaft. Sie luden ein Unternehmen zur Legung eines Angebotes für die Durchführung von Fassadenarbeiten „im Sub“ ein. Mit der Einladung übersendeten sie eine konstruktive Leistungsbeschreibung samt Leistungsverzeichnis. In diesem werden die durchzuführenden Leistungen im Gegensatz zu einer funktionalen Leistungsbeschreibung, wo (ohne Leistungsverzeichnis) nur grob das zu erreichende Ziel beschrieben wird, meist genau festgelegt. Ein Unternehmen übermittelte auf Basis dieser Angaben ein Angebot (wohl mit Pauschalpreis). Schon bei der Kalkulation fiel dem Unternehmen auf, dass die Angaben der Fassadenflächen möglicherweise falsch sind. Das Unternehmen erkundigte sich deshalb bei den Beklagten, ob die Angaben richtig seien. Diese bestätigten die Angaben und das Unternehmen erhielt den Auftrag. Das beauftragte Unternehmen trat seine Rechte und Ansprüche aus diesem Werkvertrag an die Klägerin ab.

Die Klägerin forderte entstandene Mehrkosten im Wege der irrtumsrechtlichen Vertragsanpassung für die Durchführung der Fassadenarbeiten. Diese Mehrkosten entstanden, da sich die Fläche der Fassade als größer herausstellte, als sie im von den Beklagten zur Einladung zur Angebotslegung übermittelten Leistungsverzeichnis angegeben wurde. Dies stellte sich scheinbar auch bereits während der Bauführung heraus, woraufhin vereinbart wurde, zuerst die Leistung auszuführen und erst dann die Entlohnungsfrage zu klären.

Die Preiskalkulation sei Teil des Vertrages geworden. Die Klägerin unterlag bei der Kalkulation einem Geschäftsirrtum, der von den Beklagten veranlasst wurde.

Vorinstanzen

Das Erstgericht gab der Klage auf Zahlung der Mehrkosten statt. Auch das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Beklagten erhoben gegen diese Entscheidung außerordentliche Revision.

Oberster Gerichtshof

Geschäftsirrtum?

Zunächst stellte der OGH fest, dass ein Irrtum über die Kalkulation grundsätzlich ein unbeachtlicher (sprich nicht durchsetzbarer) Motivirrtum sei. Durchsetzbar wird dieser, wenn die Kalkulation zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen oder Inhalt des Vertrages wurde. Dies setzt die Offenlegung der Kalkulationsgrundlage und das Einvernehmen darüber voraus, dass das Geschäft zu diesen Bedingungen auf Basis dieser Kalkulation abgeschlossen wurde („externer Kalkulationsirrtum“; 8 Ob 58/22w; RS0014904; RS0014894; RS0014927). Diese Überlegungen sind unter Umständen auch auf eine Pauschalpreisvereinbarung anzuwenden (RS0014894 [T5, T6]; RS0014927 [T1]).

Veranlassung?

Weitere Voraussetzung für die Möglichkeit der Anfechtung eines Geschäftsirrtumes ist, dass eine der drei Alternativvoraussetzungen des § 871 ABGB vorliegt (veranlasst, auffallen hätte müssen, rechtzeitig aufgeklärt). Diesfalls wurde der Irrtum durch die Beklagten veranlasst. Unter Veranlassung versteht man, dass ein Verhalten (wenn auch schuldlos) adäquat ursächlich für den Irrtum war. Der OGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass trotz Veranlassung eine Irrtumsanfechtung ausgeschlossen sein kann, wenn Umstände, die ein Verschulden des Irrenden begründen, die Annahme ausschließen, dass der Irrtum durch den anderen veranlasst wurde (RS0016205; vgl auch RS0016213 [T1]). Dabei wird insbesondere an Fälle gedacht, in denen ganz offensichtlich unrichtige Angaben eines Vertragspartners, deren Überprüfung dem anderen Teil offen stand und leicht möglich war, nicht als zur Täuschung geeignete Irreführungshandlungen angesehen wurden. Nimmt der Erklärungsempfänger solche Angaben als wahr hin, wird sein Irrtum als nicht durch den anderen Teil veranlasst angesehen (RS0016205 [T1]; 8 Ob 25/10z). Die Klägerin habe nach der ausdrücklichen klarstellenden Bestätigung der (falschen) Flächenangabe jedoch davon ausgehen dürfen, dass sie diese Mengen ohne weiteres Nachrechnen auch ihrem Letztangebot zugrunde legen könne. Deshalb scheidet eine solche Verneinung der Veranlassung aus.

Sowohl die Frage, ob die Kalkulation Teil des Vertrages wurde, als auch die Frage, ob der Irrtum vom anderen Vertragsteil veranlasst wurde, stellen Einzelfallentscheidungen dar, weshalb die Bedeutung dieser Frage in der Regel nicht über den Einzelfall hinausgeht. Dies ist aber Voraussetzung für eine Revision (§ 502 Abs 1 ZPO).

Anpassung oder Aufhebung?

Kommt man zum Zwischenergebnis, dass 1. ein Geschäftsirrtum und 2. eine der drei Alternativvoraussetzungen des § 871 ABGB (diesfalls die Veranlassung) vorliegt, so stellt sich nun die Frage, ob der Vertrag gänzlich aufgehoben werden kann oder ob nur eine Vertragsanpassung (in diesem Fall höheres Entgelt) vorgenommen werden kann. Für Ersteres ist ein sogenannter beachtlicher/wesentlicher Irrtum notwendig. Liegt ein solcher vor, so kann der Irrende wählen, ob er den Irrtum wie einen unwesentlichen behandeln möchte und statt Aufhebung des Vertrages ein angemessenes Entgelt fordern möchte (§ 872 ABGB). Die Anpassung setzt jedoch voraus, dass die Vertragsteile im Zeitpunkt des Vertragsschlusses den hypothetischen Parteiwillen hatten, den Vertrag zu den Bedingungen abzuschließen, wie sie der Irrende nunmehr fordert. Nur wenn positiv feststeht, dass der Vertragspartner nicht zu den geänderten Bedingungen abgeschlossen hätte, ist die Vertragsänderung abzulehnen. Der hypothetische Parteiwille zur Vertragsanpassung sei in diesem Fall aber aus der Vereinbarung ableitbar, zunächst die Leistung auszuführen und erst im Anschluss die Entlohnungsfrage zu klären. Eine von der Beklagten gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Diese würde nur vorliegen, wenn das Berufungsgericht diese Beweisfrage nicht behandelt hätte.

Ausschluss der Irrtumsanfechtung?

Die Beklagten behaupteten überdies, dass die Anfechtung des Vertrages wegen Irrtumes ausgeschlossen wurde. Außerhalb des Anwendungsbereiches des KSchG (sprich ohne Beteiligung eines Verbrauchers) kann auf die Anfechtung eines Irrtums durchaus im Vorhinein verzichtet werden. Dies ist aber nur möglich, sofern der Irrtum nicht grob fahrlässig veranlasst wurde. Ein solcher Verzicht muss sich jedoch unzweifelhaft aus der Erklärung ergeben (RS0014205 [T1]). Da eine solche Erklärung nicht vorlag, ist die Irrtumsanfechtung des Vertrages zulässig.

Mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) war die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

Blog-Beitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.

zurück