Bei Umlaufbeschluss geirrt – Beschlussanfechtung

Bei Umlaufbeschluss geirrt – Beschlussanfechtung

Wird in einem Umlaufbeschluss fälschlicherweise die falsche Gesellschaft genannt und fällt dieser Fehler dem Mitgesellschafter auf, so kann der Beschluss angefochten und für nichtig erklärt werden.

Sachverhalt

Die K(läger)-GmbH ist Gesellschafterin der A-GmbH und B(eklagten)-GmbH. Ausgangspunkt war die Festsetzung des Geschäftsführergehaltes des K (gleichzeitig Gesellschafter der K-GmbH): Während dieses bei der B-GmbH scheinbar unstrittig war, musste man sich bei der A-GmbH noch einigen.

Der Gesellschafter-Geschäftsführer K der K-GmbH machte hinsichtlich des Gehaltes der A-GmbH einen Vorschlag an den Gesellschafter-Geschäftsführer der C-GmbH, die ihrerseits wiederum Gesellschafterin der A- und B-GmbH ist. Dieser zeigte sich mit der Gehaltsvorstellung grundsätzlich einverstanden. Da er sich jedoch nicht binnen einer von K festgesetzten Frist schriftlich mit dem Entgelt einverstanden zeigte, beauftragte K seinen Rechtsanwalt, einen Umlaufbeschluss vorzubereiten, in dem das Geschäftsführergehalt für die Tätigkeit in der A-GmbH festgelegt werden soll.

Der Rechtsvertreter beging bei der Vorbereitung des Umlaufbeschlusses jedoch einen kapitalen Fehler: Im Beschlusstext des Umlaufbeschlusses wurde irrtümlich anstatt der A-GmbH die B-GmbH genannt, für die das Geschäftsführergehalt des K eigentlich schon klar und auch höher als das für die A-GmbH geplante Gehalt war.

Der Fehler wurde weder vom Rechtsvertreter, noch vom Geschäftsführer der K-GmbH bemerkt. Der vom Geschäftsführer der K-GmbH unterfertigte Umlaufbeschluss wurde an die C-GmbH übersendet. Der Geschäftsführer der C-GmbH bemerkte, dass nicht die A-GmbH im Beschluss genannt wurde, sondern die B-GmbH, bei der im Vorfeld nie über eine Herabsetzung des Gehaltes gesprochen wurde. Er unterfertigt als Geschäftsführer der C-GmbH den Beschluss trotzdem und goutierte dies mit folgendem Begleitschreiben:

„Schön, dass wir uns bei der B-GmbH auf eine niedrigere Entlohnung einigen konnten, wie wollen wir nun bei der A-GmbH vorgehen?“

Die Reaktion des Gesellschafter-Geschäftsführers der K-GmbH auf dieses Schreiben folgte binnen einer Stunde: Er klärte auf, dass es sich um einen Irrtum bei den Gesellschaften handle.

Die K-GmbH begehrte nun

  • die Nichtigerklärung des Beschlusses;
  • in eventu, dass der Beschluss als unwirksam aufgehoben sei;
  • in eventu die Feststellung, dass der Beschluss nicht mit Geltung für die Beklagte gefasst wurde.

Sie sei einem wesentlichen Irrtum aufgesessen, den sie erst nach Stimmabgabe beider Gesellschafter erkannt hatte und habe daraufhin sofort Widerspruch gegen die Beschlussfassung erhoben. Der Mitgesellschafter habe hingegen den Irrtum sofort erkannt und ihn ausgenützt.

Die beklagte GmbH (B-GmbH) behauptete ihrerseits wiederum, dass der Beschluss von der Klägerseite vorbereitet wurde und der Irrtum hätte nicht auffallen müssen. Vielmehr sei der Mitgesellschafter von der Richtigkeit ausgegangen.

Erstgericht

Das Erstgericht wies alle Begehren ab. Es führt aus, dass die Irrtumsanfechtung der Beschlussfassung nicht unter die §§ 41 ff GmbH (welche die Beschlussanfechtung im GmbH-Recht regeln) zu subsumieren sei. Es handle sich nicht um eine Anfechtung des Beschlusses nach § 41 GmbHG, sondern um Irrtumsanfechtung der Vertragserklärung nach § 871 ABGB.

Wird nun ein derartiger Beschluss wegen Irrtums angefochten, so bilden sämtliche Personen, auf die sich das Urteil zwangsweise erstreckt, eine einheitliche Streitpartei (§ 14 ZPO). Eine einheitliche Streitpartei bewirkt, dass das Urteil für und gegen alle Streitgenossen gleich lauten muss. Wenn bei einer solchen einheitlichen Streitpartei ein Streitgenosse nicht dem Verfahren beigezogen werde, so fehle es den übrigen Beklagten an der Passivlegitimation (= Klagbarkeit). Da die Klage nicht auch gegen C-GmbH erhoben wurde, sei sie aus diesem Grund abzuweisen.

Berufungsgericht

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin angestrengten Berufung statt und änderte das Urteil dahingehend ab, als dass es den Umlaufbeschluss für nichtig erklärte. Dazu führte es aus:

Zunächst muss zwischen Mängeln bei der Stimmabgabe und Mängeln des Beschlusses unterschieden werden. Das Berufungsgericht stellte jedoch fest, dass Mängel der Stimmabgabe auch Mängel des Beschlusses nach sich ziehen können.

Stimmabgaben unterliegen grundsätzlich den Regeln über Willenserklärungen und können somit nichtig oder anfechtbar sein. Dass Stimmabgaben, die auf einem Willensmangel beruhen, anfechtbar sind, ist allgemein anerkannt. Wie die Anfechtung eines Irrtums bei der Stimmabgabe zu erfolgen hat – sprich gegen wen sie zu richten ist – wurde höchstgerichtlich jedoch noch nicht entschieden.

Durch das Berufungsgericht wurde klargestellt, dass der Beschluss trotz Irrtums gültig für die B-GmbH zustande gekommen ist. Hier unterscheidet sich das Gesellschaftsrecht insofern von den zweiseitigen Rechtsgeschäften, als bei diesen eine Erklärung im Sinne des tatsächlichen Verständnisses des Erklärenden gilt, wenn der Erklärungsempfänger den Irrtum des Erklärenden erkennt und dennoch das Angebot annimmt (RS0014808; RS0014050).

Fraglich ist nun, bei wem die Voraussetzungen zur Irrtumsanfechtung vorliegen mussten. Zum Teil wird in der Lehre vertreten, dass diese Voraussetzung nicht bei der Gesellschaft, vorliegen müsse, sondern dass es ausreiche, wenn der Irrtum durch einen Abstimmungsteilnehmer veranlasst oder diesem aus den Umständen auffallen musste.

Dem Sachverhalt zufolge irrte der Geschäftsführer der Klägerin bei der Stimmabgabe, weil er annahm, einen Umlaufbeschluss der A-GmbH unterzeichnet zu haben, und dem Geschäftsführer der C-GmbH fiel der Irrtum auf. Somit ist die erste Voraussetzung des § 871 ABGB bei der Mitgesellschafterin erfüllt, was nach Ansicht des Berufungsgerichtes ausreicht.

Als zweite Voraussetzung der Irrtumsanfechtung zu nennen ist die Relevanz: Nur wenn der Willensmangel bei der Stimmabgabe für die Beschlussfassung relevant war, kann ein Irrtum geltend gemacht werden. Dies ist hier unstrittig der Fall, weil beide Gesellschafter zu je 50 % beteiligt sind und ohne Zustimmung der Klägerin eine Beschlussfassung nicht zustande gekommen wäre.

Sind diese Voraussetzungen gegeben, so muss der Beschluss selbst und nicht die Stimmabgabe angefochten werden.

Der Geschäftsführer der Klägerin war bei der Stimmabgabe im Irrtum, was den anderen Beteiligten auch zweifellos aufgefallen ist. Deshalb kann dem Geschäftsführer der Klägerin auch keine mangelnde Sorgfalt (etwa, weil er den Beschluss nicht gänzlich gelesen hat) entgegengehalten werden. Überdies wollte sich der Mitgesellschafter den Irrtum zu Nutzen machen und ist schon deshalb nicht schutzwürdig.

Aus diesen Gründen erachtete das Berufungsgericht daher § 41 GmbHG als anwendbar, weil der Beschluss als nicht zustande gekommen anzusehen ist. Die Klage hat sich daher gegen die Gesellschaft zu richten (§ 42 Abs 1 GmbHG).

Bei Umlaufbeschlüssen ist jeder Gesellschafter klagsberechtigt, der seine Stimme gegen den Beschluss abgegeben hat oder bei der Abstimmung übergangen worden ist. Eine Ausnahme vom Widerspruchserfordernis wird bei nicht erkennbaren Beschlussmängeln und bei Willensmängeln gemacht. Die Klägerin hat zwar für den Beschluss gestimmt, doch beruht die Zustimmung auf einem Willensmangel. Deshalb bejahte das Berufungsgericht die Anfechtbarkeit und änderte das Ersturteil klagsstattgebend ab.

Die ordentliche Revision wurde zwar zugelassen, aber nicht erhoben, weshalb die Entscheidung rechtskräftig ist.

Blogbeitrag gemeinsam erstellt mit Paul Moik.

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