Teil 1: Fehlende Einigung über Nebenpflichten verhindern den Vertragsabschluss nicht

Teil 1: Fehlende Einigung über Nebenpflichten verhindern den Vertragsabschluss nicht

Die Einigung der Parteien über die wesentlichen Vertragspunkte (essentialia negotii) ist für einen rechtswirksamen Vertragsabschluss ausreichend. Das Nachverhandeln über nicht wesentliche Vertragsbestandteile steht einem bindenden Vertragsabschluss nicht entgegen.

In dem gegenständlichen Urteil beschäftigte sich der OGH mit der Hauptfrage, ob ein Vertrag überhaupt zustande gekommen war. Zum umsatzsteuerlichen Aspekt ob ein Auspruch nach § 1168 ABGB oder Umsatzsteuer unterliegt beschloss der OGH, diese Frage dem EuGH vorzulegen. Eine ausführliche Besprechung des Beschlusses über das eingeleitete Vorabentscheidungsverfahren findet sich hier.

Zum Sachverhalt

Die beklagte Partei ist Bauherrin eines Projektes zur Errichtung von Privatresidenzen und einem Hotel. Die Beklagte beauftragte eine ARGE aus drei Ziviltechnikern mit der Planung und Überwachung des Bauvorhabens. Weiters erstellte die ARGE die Ausschreibungsunterlagen für Trockenbauleistungen.

Am 28.03.2018 legte die Klägerin ein Angebot. Am nächsten Tag fanden Verhandlungsgespräche am Sitz der Beklagten statt. Beide Parteien und auch Vertreter der ARGE nahmen daran teil. Im Rahmen der Verhandlungen konnte nicht abschließend geklärt werden, ob die ÖNORM B2110 oder die AGB der Beklagten zur Anwendung kommen soll. Hinsichtlich des ausgeschriebenen und angebotenen Leistungsumfangs erzielten die Parteien aber eine Einigung.

Nach der Verhandlungsrunde kontaktierte ein Vertreter der ARGE die Klägerin und gab bekannt, dass sich die Beklagte für die Klägerin entschieden hätte und sie umgehend mit den Bauarbeiten beginnen solle.

Im Zuge eines kurz danach stattgefundenen Baueinleitungsgespräches im Büro der ARGE forderte ein Geschäftsführer der Klägerin vorab eine explizite schriftliche Beauftragung durch die Beklagte.

Daraufhin schickte ein Vertreter der ARGE der Klägerin eine E-Mail, worin ihr im Namen der Beklagten der Zuschlag erteilt wurde.

Nach Erhalt der E-Mail begann die Klägerin mit der Ressourcenplanung, nahm an Baubesprechungen teil und reservierte für die Herstellung von speziellen Schiebetüren einen Produktionsslot beim Lieferanten. Der Baubeginn war für Mitte April 2018 geplant.

Ein Monat nach dem Verhandlungsgespräch erstellte die ARGE im Auftrag der Beklagten einen Werkvertragsentwurf und übermittelte diesen an die Klägerin. Dieser Werkvertragsentwurf sollte zwar dem bisherigen Konsens entsprechen, wich allerdings in einigen Punkten davon ab. Deshalb unterfertigte die Klägerin den Entwurf nicht.

Dennoch begann die Klägerin, nach Absprache mit der Bauleitung, mit den Trockenbauarbeiten und transportierte Material auf die Baustelle. Weiters schloss sie einen Vertrag für die Nutzung von Baustrom und Bauwasser ab.

Die ARGE überarbeitete währenddessen den Werkvertragsentwurf und übernahm im Wesentlichen die Wünsche der Klägerin. Über die offenen Punkte telefonierten die Geschäftsführer miteinander und konnten eine Einigung erzielen.

Die Ehefrau eines Geschäftsführers der Beklagten informierte die ARGE über die Einigung mit der Klägerin. Daraufhin erstellte die ARGE einen weiteren Vertragsentwurf. Dieser wurde jedoch nie an die Klägerin weitergeleitet. Der Geschäftsführer der Beklagten wusste jedoch nicht, dass die Klägerin den Vertragsentwurf nie erhalten hatte.

Da seitens der Klägerin der Entwurf (mangels Kenntnis) nicht unterfertigt wurde, verlor die Beklagte die Geduld und begann Vertragsverhandlungen mit einem anderen Unternehmer zu führen. Diese waren auch erfolgreich. Danach teilte er der Klägerin mit, dass ihre Leistungen nicht mehr in Anspruch genommen werden.

Die Klägerin begehrte nunmehr ihr volles Entgelt und legte die Schlussrechnung, wobei sie sich jene Kosten anrechnete, die sie sich durch die fehlende Ausführung erspart hatte. Die Beklagte bestritt das Zustandekommen des Vertrages und zahlte auch das geforderte Entgelt nicht.

Erst- und Berufungsgericht

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und argumentierte, dass die Parteien im Zuge der Verhandlungsgespräche eine Einigung über die einzelnen Positionen erzielt hatten. Das Fehlen einer endgültigen Vereinbarung über nicht wesentliche Vertragsbestandteile stehe einem bindenden Vertragsabschluss nicht entgegen. Der Rücktritt der Beklagten sei ohne rechtliche Grundlage erfolgt. Die Klägerin habe daher Anspruch auf Werklohn abzüglich der ersparten Aufwendungen gemäß § 1168 Abs. 1 ABGB.

Das Berufungsgericht bestätigte im Grunde nach die Entscheidung des Erstgerichts, wies aber ein Mehrbegehren ab.

Hierzu führte der Oberste Gerichtshof aus:

Der OGH bestätigte die Ansicht des Erst- und Berufungsgerichts. Die Revision der Beklagten konnte nicht überzeugend darlegen, warum kein Werkvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen sein soll. Spätere Verhandlungen schlossen das grundsätzliche Zustandekommen des Vertrags nicht aus. Wenn aus Zeitdruck heraus eine vorläufige Vereinbarung getroffen wird, damit die Bauarbeiten rasch beginnen können, besteht durchaus die Möglichkeit, nachträglich Details nachzuverhandeln. Diese Verhandlungen führen zu einer Änderung bzw Ergänzung des bereits geschlossenen Vertrages. Die Wirksamkeit des bereits abgeschlossenen Vertrages wird davon aber nicht berührt.

Für die Praxis empfiehlt sich, stets genau darauf zu achten, welche Erklärungen gegenüber seinem möglichen Vertragspartner abgegeben werden. Nach Abschluss des Vertrages wird es schwierig sein, allfällige – für den Auftragnehmer nachteilige – Klauseln zu vereinbaren.

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