Vertretungskosten im Nachprüfungsverfahren als ersetzbarer Schaden
Die Kosten für die Rechtsvertretung in einem Nachprüfungsverfahren werden dem Bieter grundsätzlich ersetzt, wenn ein hinreichend qualifizierter Vergaberechtsverstoß festgestellt wurde. Eine Klaglosstellung durch Berichtigung der Ausschreibungsunterlage während des laufenden Nachprüfungsverfahrens kann die Auftraggeberin nicht vom Ersatz der Kosten befreien.
Die Beklagte (vertreten durch die Nebenintervenientin) veröffentlichte Ausschreibungsunterlagen zum Ankauf von Hygienepapier. Die Klägerin stellte einen Nachprüfungsantrag beim Bundesverwaltungsgericht und beantragte die Nichtigerklärung der Ausschreibungsunterlagen und den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Nachdem das BVwG die einstweilige Verfügung erließ, berichtigte die Beklagte während des Verfahrens die Ausschreibungsunterlagen, wodurch die Klägerin teilweise klaglos gestellt wurde. Das BVwG wies daraufhin mit Erkenntnis den Nachprüfungsantrag aufgrund der während des Verfahrens teilweise erfolgten Klaglosstellung ab und verpflichtete die Beklagte zum Ersatz der Pauschalgebühr.
Die Klägerin begehrt nunmehr den Ersatz ihrer Vertretungskosten, da diese durch diskriminierende und rechtswidrige Ausschreibungsbedingungen verursacht wurden. Die Beklagte bestritt das Vorliegen der behaupteten Vergaberechtsverstöße.
Das Erstgericht wies die Klage zurück, da eine Schadenersatzklage nach § 373 BVergG 2018 nur dann zulässig sei, wenn die Vergabekontrollbehörde eine Rechtsverletzung festgestellt hätte. Dies war nicht der Fall.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aber die Zulässigkeit eines Revisionsrekurses mangels Rechtsprechung zu.
Der OGH folgte aus nachfolgenden Gründen der Argumentation der Klägerin und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf.
Gemäß § 341 BVergG 2018 hat der Antragsteller, der im Nachprüfungsverfahren zumindest teilweise obsiegt oder während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird, Anspruch auf Ersatz der Pauschalgebühren. Diesen Anspruch wird durch das Bundesverwaltungsgericht zugesprochen. Die Kosten für die Rechtsvertretung des Antragstellers sind davon allerdings nicht umfasst.
Ein Bieter hat aber einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Teilnahme am Vergabeverfahren gegen den Auftraggeber, wenn ein hinreichend qualifizierter Vergaberechtsverstoß nach § 369 Abs 1 BVergG 2018 festgestellt wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs umfasst dieser Schadenersatzanspruch auch die Vertretungskosten im Zusammenhang mit einem auf Nichtigerklärung einer vergaberechtswidrigen Ausschreibung gerichteten Verfahren (RS0121198). Dieser Nachprüfungsantrag soll die ausschreibende Stelle nämlich zu einer gesetzmäßigen (neuen) Ausschreibung verhalten, wodurch dem Bieter erst ermöglicht wird, an einem rechtskonformen Vergabeverfahren teilzunehmen (3 Ob 203/14w).
Eine Schadenersatzklage ist gemäß § 373 Abs 2 BVergG 2018 aber nur dann zulässig, wenn die jeweils zuständige Vergabekontrollbehörde zuvor einen hinreichend qualifizierten Vergaberechtsverstoß festgestellt hat. Diese Feststellung ist eine Prozessvoraussetzung für das Einklagen des Schadenersatzanspruchs (RS0120993).
Allerdings ist eine Schadenersatzklage auch zulässig, wenn gemäß § 373 Abs 3 BVergG 2018 das Vergabeverfahren vom Auftraggeber aufgrund eines hinreichend qualifizierten Vergaberechtsverstoßes widerrufen wurde (RS0123776), unabhängig davon, ob die Vergabekontrollbehörde eine Feststellung getroffen hat. Hintergrund für diese Ausnahme ist, dass ein Antrag auf Feststellung nach Widerruf nicht mehr möglich ist. (10 Ob 21/18p; 7 Ob 219/19k).
Im konkreten Fall hat die Beklagte das Vergabeverfahren zwar nicht widerrufen, wohl aber die Ausschreibungsunterlagen während des Nachprüfungsverfahrens berichtigt und dadurch einen (möglicherweise hinreichend qualifizierten) Vergaberechtsverstoß beseitigt. Daher hatte die Klägerin auch hier keine Möglichkeit mehr, eine Feststellung des Vergaberechtsverstoßes zu beantragen. Würde man nunmehr die Ansicht vertreten, dass die vorhergehende Feststellung erforderlich sei, hätte die Klägerin von vornherein keine Möglichkeit, ihren Schadenersatzanspruch durchzusetzen. Daher handelte es sich hierbei um eine Rechtsschutzlücke und es war erforderlich, eine Schadenersatzklage auch im Fall einer Berichtigung der Ausschreibungsunterlagen, unabhängig von einer vorherigen Feststellung eines Vergaberechtsverstoßes, in Analogie zu § 373 Abs 3 BVergG durch die Vergabekontrollbehörde zuzulassen.
Der OGH änderte die Entscheidung sohin, ließ das Verfahren weiter zu und das Zivilgericht hat im nachfolgenden Verfahren zu prüfen, ob nun ein hinreichend qualifizierte Vergaberechtsverstoß vorlag oder nicht.
Für die Praxis relevant ist die Unterscheidung, auf welchem Wege die Rückerstattung der Pauschalgebühr und der Kosten der Rechtsvertretung zu geschehen hat. Im Hinblick auf die teilweise hohen Vertretungskosten, ist es erfreulich, dass diese Rechtsschutzlücke nunmehr geschlossen und die Auftraggeberin für den Fall eines rechtwidrigen Handelns zum Ersatz verpflichtet werden kann.