Zur Verjährung des Rückforderungsanspruchs bei unberechtigter Inanspruchnahme einer Haftrücklassgarantie
Der Werkunternehmer weiß unter Umständen nicht, ob bzw zu welchem Zeitpunkt der Begünstigte die Garantie in Anspruch nimmt. Der Garantieauftraggeber wird jedoch in der Regel im Zeitpunkt der Auszahlung des Garantiebetrags in Kenntnis sein oder kann diesen Zeitpunkt beim Garanten, mit dem er vertraglich verbunden ist, erfragen.
Die beklagte Partei schloss mit einer Bau-ARGE als Generalunternehmerin einen Generalunternehmervertrag. Zur Besicherung der Gewährleistungsansprüche der beklagten Partei wurde im Generalunternehmervertrag ein Haftrücklass in Höhe von 5 % der gesamten Auftragssumme vereinbart.
Von 23. Dezember 2010 bis 2. Februar 2012 nahm die beklagte Partei die Bank aus der Bankgarantie vom 19. April 2010 in mehreren Tranchen im Umfang von insgesamt 500.000 EUR in Anspruch. Sämtliche Zahlungen der Bank erfolgten mehr als drei Jahre vor Einbringung der gegenständlichen Klage am 1. April 2015.
Vom OGH war in Folge zu beurteilen, in welcher Frist (drei oder dreißig Jahre) die Leistungskondiktion des Garantieauftraggebers gegen den Begünstigten auf Rückzahlung von zu Unrecht in Anspruch genommenen Beträgen aus einer Bankgarantie verjährt.
Entscheidung des OGH
Nach der älteren Rechtsprechung verjährt der Anspruch auf Rückforderung des Betrages aus einer zu Unrecht abgerufenen Bankgarantie, die vom Werkunternehmer an Stelle eines Haftungsrücklasses zur Verfügung gestellt wurde, in 30 Jahren.
In der jüngeren Rechtsprechung besteht eine Tendenz, die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 ABGB über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich vertraglicher Erfüllungsansprüche hinaus auch auf (Bereicherungs-)Ansprüche zu erstrecken, die funktionell vertraglichen Erfüllungsansprüchen ähneln oder wirtschaftlich an deren Stelle treten.
Von der Ansicht, dass zwischen der Einforderung des Werklohns und der Rückforderung des zu Unrecht in Anspruch genommenen Garantiebetrags ein erheblicher Unterschied bestehe, weswegen es ausgehend vom Schutzzweck der Normen gerechtfertigt erscheine, auf den Rückforderungsanspruch die lange Verjährungszeit anzuwenden, ist der OGH bereits abgegangen (8 Ob 19/15z). Darin führt er aus, dass die Parteien nach Abruf der Garantie so gestellt seien, als hätte der Werkbesteller diesen Teil des Kaufpreises (oder Werklohns) noch nicht bezahlt und der Werkunternehmer diesen Betrag noch nicht erhalten; insofern liegt kein „erheblicher Unterschied“ der Rechtslage vor.
Der OGH ist mittlerweile in einer Vielzahl von Entscheidungen zum Ergebnis gelangt, dass die kurze Verjährungsfrist des der Leistungskondiktion zugrunde liegenden Anspruchs auf diese durchschlägt. Insbesondere gibt es für die dem § 1486 Z 1 ABGB unterfallenden Geschäfte eine reichhaltige Rechtsprechung.
Bedenken gegen die Heranziehung der kurzen Verjährungsfrist könnten insoweit bestehen, als der Bereicherungsgläubiger seine Rechtsposition weniger leicht oder gar nicht definieren kann. Der Werkunternehmer weiß nämlich unter Umständen nicht, ob bzw zu welchem Zeitpunkt der Begünstigte die Garantie (zu Unrecht) in Anspruch nimmt. Regelmäßig wird allerdings der Garantieauftraggeber im Zeitpunkt der Auszahlung des Garantiebetrags in Kenntnis sein oder er kann diesen Zeitpunkt beim Garanten, mit dem er vertraglich verbunden ist, erfragen. Somit liegt auch in der „Undefinierbarkeit“ der Rechtsposition des Werkunternehmers kein zwingendes Argument für die Anwendung der dreißigjährigen Verjährungsfrist.
Im gegenständlichen Fall sprechen daher die besseren Gründe dafür, die für die Verjährung des Werklohnanspruchs geltende dreijährige Verjährungsfrist auf die Leistungskondiktion der Bau-ARGE gegen die beklagte Werkbestellerin durchschlagen zu lassen.