Verstoßzeitpunkt RS-Baustein „Grundstückseigentum und Miete“

Verstoßzeitpunkt RS-Baustein „Grundstückseigentum und Miete“

Der Keim des Rechtskonflikts und damit der Verstoß als Eintritt des Versicherungsfalls liegt in der Nutzung der von der Nachbarin in ihrem Schreiben angeführten Teilfläche des Grundstücks und nicht erst im Schreiben der Nachbarin, in welchem sie die Nutzung vorwirft. Durch die Beanstandung aktualisiert sich nur der bereits in der Nutzung dieses Grundstücksteils gründende Rechtskonflikt.

Sachverhalt

Auf einem Grundstück stehen das Wohnhaus der Kläger und ein Wirtschaftsgebäude. Zwei weitere Grundstücke schließen südlich und östlich an. Das Grundstück der Nachbarin der Kläger grenzt östlich an die letztgenannten Grundstücke an.

Am 14. 3. 2018 schloss der Erstkläger bei der Beklagten einen Versicherungsvertrag, der den Rechtsschutzbaustein „Grundstückseigentum und Miete“ beinhaltet. Die Zweitklägerin ist mitversichert.

Die Nachbarin der Kläger schickte dem Erstkläger im März 2022 ein Schreiben, in dem sie ihm vorwarf, der umzäunte Garten, den er im nördlichen Teil einer seiner Grundstücksparzellen zwischen 2009 und 2011 errichtet habe, rage mehr als 500 m² in ihre Parzelle hinein. Er habe außerdem im nördlichen Teil der Parzelle der Nachbarin zwischen 2003 und 2009 eine Fläche aufgeschüttet. Die Nachbarin habe davon bis Februar 2021 nichts gewusst. Den Klägern aber sei die Grenzverletzung bewusst. Der Erstkläger habe anlässlich eines Gesprächs im August 2021 erklärt, dass er bereits vor Jahren alle Grenzsteine entfernt habe und man nach 30-jähriger Nutzung einen Grund ersitzen könne.

Die Kläger begehrten von der Beklagten Rechtsschutzdeckung für eine Auseinandersetzung der Kläger mit der Nachbarin, vor allem für eine Klage auf Feststellung, dass die von der Nachbarin in ihrem Brief aus März 2022 in diesem Umfang in Streit gezogene Grundfläche Teil der Liegenschaft der Kläger sei, und für die Rechtsverteidigung gegen die in diesem Zusammenhang von der Nachbarin angekündigten Gerichtsverfahren.

Relevante Bestimmungen der ARB 2019

Artikel 2 Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?         

3. […] gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Bei mehreren Verstößen ist der erste, adäquate ursächliche Verstoß maßgeblich.[…]                                    

Artikel 3 Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung? (zeitlicher Geltungsbereich)       

1. Die Versicherung erstreckt sich grundsätzlich auf Versicherungsfälle, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrages eintreten. […]

OGH-Entscheidung

RS0114001). Es ist grundsätzlich auf den ersten Verstoß abzustellen (RS0114209).

Die Kläger vertreten die Ansicht, der Keim des Rechtskonflikts liege im Schreiben der Nachbarin aus März 2022; allenfalls in dem Gespräch im Jahr 2021. Dabei übersehen sie, dass dieser Keim des Rechtskonflikts und damit der Verstoß als Eintritt des Versicherungsfalls in der Nutzung der von der Nachbarin in ihrem Schreiben angeführten Teilfläche des Grundstücks – welches die Nachbarin als zu ihrem gehörig erachtet, die Kläger dagegen als von ihnen zu Recht benutzt – ab der im Jahr 2003 begonnenen Aufschüttung und der Anlegung des Gartens im Jahr 2009 liegt. Beide Ereignisse liegen lange vor Abschluss des Versicherungsvertrags. Durch die Beanstandung aktualisiert sich nur der bereits in der Nutzung dieses Grundstücksteils gründende Rechtskonflikt (vgl 7 Ob 194/18g zur fehlerhaften Belehrung durch den Lebensversicherer; 7 Ob 144/10t).

Dabei ist es im Ergebnis unerheblich, ob die Kläger Rechtsschutz für einen Aktiv- oder Passivprozess oder – wie hier – für beides anstreben. Nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats werden grundsätzlich vom Gegner behauptete Verstöße des Versicherungsnehmers zur Beurteilung des Eintritts des Versicherungsfalls in der Rechtsschutzversicherung herangezogen. Der Versicherungsfall gilt im Zeitpunkt des (vom Gegner des Versicherungsnehmers behaupteten) Beginns des Verstoßes des Versicherungsnehmers als eingetreten (vgl etwa 7 Ob 36/18x unter Ablehnung der [jüngeren] gegenteiligen Rechtsprechung des BGH).

Grundlage der bevorstehenden Auseinandersetzung der Kläger mit ihrer Nachbarin ist in jedem Fall die Nutzung des in Streit gezogenen Grundstücksteils durch die Kläger, die jedenfalls lange vor Abschluss des Versicherungsvertrags begonnen hat.

zurück